Auto- und Motorsport-Lexikon

European Touring Car Challenge (ETCC) – 1963 bis 1969

Die erste europaweite Meisterschaft für Tourenwagen fand von 1963 bis 1969 statt.

Nach der Automobil-Weltmeisterschaft und der Sportwagen-Weltmeisterschaft gestattete die Commission Sportive Internationale (CSI) 1963 erstmals die Durchführung der European Touring Car Challenge (ETCC). Aus dieser „Challenge“ ging 1970 die heute legendäre Tourenwagen-Europameisterschaft hervor.

Siegerehrung 1963, Ewy Rosqvist / Eberhard Mahle / Ursula Wirth
Das Internationale ADAC 6-Stunden-Tourenwagen-Rennen auf dem Nürburgring war am 16. Juni 1963 das Auftaktrennen der European Touring Car Challenge (ETCC). Unser Bild zeigt das Siegerteam in der Klasse 8 bis 2500 Kubikzentimeter Hubraum, Ewy Rosqvist / Eberhard Mahle / Ursula Wirth (v.l.n.r.) auf dem Podium. Sie sammelten damit 20 Punkte für die Meisterschaft. (Foto: Mercedes-Benz Classic Archive)

Initiator der European Touring Car Challenge war Willy Stenger. Zusammen mit dem Briten John Aley bildete der deutsche Motorsport-Funktionär das ETCC-Organisationskomitee und übernahm die Organisation der Serie. Dank Stenger und Aley konnten sich so 1963 erstmals Tourenwagen-Piloten in einer europaweiten Meisterschaft messen. Zugelassen waren die damals neuen „verbesserten Gruppe 2-Tourenwagen“. Als Tourenwagen galt seit 1958 ein Auto mit vier Sitzen, das sein Hersteller innerhalb von zwölf aufeinanderfolgenden Monaten mindestens 1.000-mal baute.

Verbessert hieß verändert!

„Verbessert“ bezog sich darauf, dass die Tuner, die in der zeitgenössischen Literatur meist „Friseure“ hießen, die Motoren der Tourenwagen überarbeiten durften. So konnten sie Kolben oder Pleuel austauschen, wenn sie den Hubraum damit nicht wesentlich veränderten. Auch Vergaser oder Einspritzanlagen waren freigestellt. Wobei sich jedoch die Art der Gemischaufbereitung nicht ändern durfte. Nur wenn das Serienmodell über eine Einspritzanlage verfügte, dann konnte auch der Rennwagen als Einspritzer rennen. Daneben durften die „Friseure“ Originalteile wie den Zylinderkopf mechanisch überarbeiten.

Jaguar Mark II, Baujahr 1962
Mit so einem Jaguar Mark II fuhr Peter Nöcker zum ersten Titel der ETCC. Diese Aufnahme entstand in den 1980er-Jahren bei einem Oldtimer-Rennen auf dem Nürburgring. Foto: Lothar Spurzem

Auch das Fahrwerk und das Getriebe der Rennwagen durften die Tuner umfassend verbessern. Weshalb die Gruppe 2-Tourenwagen wirklich ernstzunehmende Sportgeräte waren. Stenger und Aley schufen mit ihrer European Touring Car Challenge (ETCC) also eine vergleichsweise professionelle Rennserie für die verbesserten Tourenwagen. Ihre Serie fügte neben einigen bekannten und etablierten Tourenwagen-Rennen auch Bergrennen zu einer Meisterschaft zusammen. Wobei die Teilnehmer zunächst in neun Klassen Punkte (12-10-8-7-6-5-4-3-2-1 für Platz eins bis zehn) sammeln konnten.

Das erste Rennen der European Touring Car Challenge fand am Nürburgring statt!

Der „Große Preis der Tourenwagen“ auf der Nordschleife des Nürburgrings war im Juni 1963 das erste Rennen der European Touring Car Challenge. In der Eifel siegten Peter Lindner und Peter Nöcker im Jaguar Mk II 3.8 des Teams des deutschen Jaguar-Importeurs Peter Lindner. Sie profitierten, dass der Mercedes-Benz 300 SE von Eugen Böhringer und Dieter Glemser nach einem Reifenschaden auf der Strecke fast sieben Minuten verlor. Das war nicht aufzuholen, obwohl Böhringer anschließend mit einer Zeit von 10:31,3 Minuten einen neuen Rundenrekord für Tourenwagen herausfuhr.

Hier verlief die Rennstrecke von Budapest-Városliget.
Die 4,2 Kilometer lange Rennstrecke von Budapest-Városliget lag im Stadtpark der ungarischen Hauptstadt Budapest. Das Rennen führte über 100 Runden. Es war bis 1969 mit einer Ausnahme immer Bestandteil der European Touring Car Challenge. Das letzte Rennen in Budapest fand 1970 statt. (Foto: Civertan / Bearbeitung AutoNatives.de)

Der zweite Saisonlauf fand beim Bergrennen am Mont Ventoux in Frankreich statt. Mit zwei Rennen in Brands Hatch (6 Stunden) und Mallory Park (3 Stunden) setzte die European Touring Car Challenge anschließend ihre Saison auf zwei britischen Rennstrecken fort. Nach dem Ausflug auf die britischen Inseln folgte mit den Rennen in Zolder (30 Minuten) und Zandvoort (22 Runden) der Belenux-Abschnitt der Meisterschaft. Im September schlossen das Bergrennen am Timmelsjoch in Österreich sowie ein Rundstrecken-Rennen in der Innenstadt von Budapest (100 Runden) die Saison ab.

Die Meister der European Touring Car Challenge (ETCC) im Überblick:

Nach dem Ende der ersten Saison kamen gleich fünf Piloten auf die Maximalpunktzahl von 60 Punkten. Denn zum Reglement gehörte, dass nur fünf Rennen in die Wertung einfließen sollten. Wer häufiger zu Punkten fuhr, der musste mit Streichern leben. Punktgleich waren: Hubert Hahne (BMW 700 – Klasse 2), Wolf-Dieter Mantzel (DKW F12 – Klasse 4), Rob Slotemaker (Mini Cooper S – Klasse 5), Tom Trana (Volvo 122 S – Klasse 7) und Peter Nöcker (Jaguar Mk II 3.8 – Klasse 9). Das Organisationskomitee vergab den ersten Meisterschaftstitel an Peter Nöker – wobei bis heute nicht ganz klar ist, auf welcher Grundlage dies passierte.

JahrFahrer-TitelLandFahrzeug
1963Peter NöckerDeutschlandJaguar Mk II
1964Warwick BanksGroßbritannienBMC Mini Cooper S
1965DIV1Ed SwartNiederlandeAbarth 1000 TC
DIV2John WhitmoreGroßbritannienFord Lotus Cortina
DIV3Jacky IckxBelgienFord Mustang
1966DIV1Giancarlo BaghettiItalienAbarth 1000 TC
DIV2Andrea de AdamichItalienAlfa Romeo 1600 GTA
DIV3Hubert HahneDeutschlandBMW 2000TI
1967DIV1Willi KauhsenDeutschlandAbarth 1000 TC
DIV2Andrea de AdamichItalienAlfa Romeo 1600 GTA
DIV3Karl von WendtDeutschlandPorsche 911
1968DIV1John HandleyGroßbritannienMorris Mini Cooper S
DIV2John RhodesGroßbritannienMorris Mini Cooper S
DIV3Dieter QuesterÖsterreichBMW 2002
1969DIV1Marsilio PasottiItalienAbarth 1000 TC
DIV2Spartaco DiniItalienAlfa Romeo 1600 GTA
DIV3Dieter QuesterÖsterreichBMW 2002
Die Meister der European Touring Car Challenge (1963 bis 1969) im Überblick.

In den folgenden Jahren überarbeitete Stenger die Regeln seiner European Touring Car Challenge regelmäßig. 1964 und 1965 änderten sich die Klasseneinteilungen. Zudem gab es ab 1965 drei Meister, denn die Meisterschaft kannte nun drei Divisionen. Ein Jahr später passte Stenger den Zuschnitt der Divisionen an. Erst im fünften Jahr ihres Bestehens ging die European Touring Car Challenge 1967 erstmals mit den gleichen Regeln wie im Vorjahr in die Saison. Doch 1968 und 1969 durften dann die Gruppe 5-Prototypen in der ETCC starten.

1970 wurde aus der Challenge eine Championship!

Die Prototypen, die nicht mit den 1976 eingeführten Gruppe 5-Silhouetten-Rennwagen zu verwechseln sind, blieben eine kurze Epoche. Denn 1970 kehrten die verbesserten Tourenwagen zurück. Gleichzeitig stufte die Commission Sportive Internationale (CSI), die sich inzwischen FISA nannte, die Challenge zur Championship hinauf. Damit endete die Epoche der European Touring Car Challenge und die European Touring Car Championship trat an ihre Stelle. Wobei das eigentlich eine längst überfällige Umbenennung war. Denn in der Presse hieß die ETCC praktisch von Anfang an „Europameisterschaft der Tourenwagen“.

Internationales ADAC 6-Stunden-Tourenwagen-Rennen auf dem Nürburgring 1963 dem ersten Rennen der European Touring Car Challenge Geschichte.
Mercedes-Benz trat in der Debütsaison der European Touring Car Challenge (ETCC) mit einem Werksteam an. Da sich die Daimler-Benz AG acht Jahre zuvor offiziell aus dem Motorsport zurückzog, liefen die Sporteinsätze offiziell unter dem Deckmantel von Entwicklungsfahrten. Verantwortlich für das ETCC-Programm war die Versuchsabteilung. Trotzdem drehten Ausnahmekönnen wie Eugen Böhringer oder Dieter Glemser für die Stuttgarter am Lenkrad. (oto: Mercedes-Benz Classic Archive)

Infos zum Titelbild dieses Beitrags:
Internationales ADAC 6-Stunden-Tourenwagen-Rennen auf dem Nürburgring, 16. Juni 1963. Das Siegerteam in der Klasse 8 bis 2500 Kubikzentimeter Hubraum, Ewy Rosqvist / Eberhard Mahle / Ursula Wirth (v.l.n.r.).

Foto: Mercedes-Benz Classic Archive

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Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!

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