Nach der Automobil-Weltmeisterschaft und der Sportwagen-Weltmeisterschaft gestattete die Commission Sportive Internationale (CSI) 1963 erstmals die Durchführung der European Touring Car Challenge (ETCC). Aus dieser „Challenge“ ging 1970 die heute legendäre Tourenwagen-Europameisterschaft hervor.
Initiator der European Touring Car Challenge war Willy Stenger. Zusammen mit dem Briten John Aley bildete der deutsche Motorsport-Funktionär das ETCC-Organisationskomitee und übernahm die Organisation der Serie. Dank Stenger und Aley konnten sich so 1963 erstmals Tourenwagen-Piloten in einer europaweiten Meisterschaft messen. Zugelassen waren die damals neuen „verbesserten Gruppe 2-Tourenwagen“. Als Tourenwagen galt seit 1958 ein Auto mit vier Sitzen, das sein Hersteller innerhalb von zwölf aufeinanderfolgenden Monaten mindestens 1.000-mal baute.
Verbessert hieß verändert!
„Verbessert“ bezog sich darauf, dass die Tuner, die in der zeitgenössischen Literatur meist „Friseure“ hießen, die Motoren der Tourenwagen überarbeiten durften. So konnten sie Kolben oder Pleuel austauschen, wenn sie den Hubraum damit nicht wesentlich veränderten. Auch Vergaser oder Einspritzanlagen waren freigestellt. Wobei sich jedoch die Art der Gemischaufbereitung nicht ändern durfte. Nur wenn das Serienmodell über eine Einspritzanlage verfügte, dann konnte auch der Rennwagen als Einspritzer rennen. Daneben durften die „Friseure“ Originalteile wie den Zylinderkopf mechanisch überarbeiten.
Auch das Fahrwerk und das Getriebe der Rennwagen durften die Tuner umfassend verbessern. Weshalb die Gruppe 2-Tourenwagen wirklich ernstzunehmende Sportgeräte waren. Stenger und Aley schufen mit ihrer European Touring Car Challenge (ETCC) also eine vergleichsweise professionelle Rennserie für die verbesserten Tourenwagen. Ihre Serie fügte neben einigen bekannten und etablierten Tourenwagen-Rennen auch Bergrennen zu einer Meisterschaft zusammen. Wobei die Teilnehmer zunächst in neun Klassen Punkte (12-10-8-7-6-5-4-3-2-1 für Platz eins bis zehn) sammeln konnten.
Das erste Rennen der European Touring Car Challenge fand am Nürburgring statt!
Der „Große Preis der Tourenwagen“ auf der Nordschleife des Nürburgrings war im Juni 1963 das erste Rennen der European Touring Car Challenge. In der Eifel siegten Peter Lindner und Peter Nöcker im Jaguar Mk II 3.8 des Teams des deutschen Jaguar-Importeurs Peter Lindner. Sie profitierten, dass der Mercedes-Benz 300 SE von Eugen Böhringer und Dieter Glemser nach einem Reifenschaden auf der Strecke fast sieben Minuten verlor. Das war nicht aufzuholen, obwohl Böhringer anschließend mit einer Zeit von 10:31,3 Minuten einen neuen Rundenrekord für Tourenwagen herausfuhr.
Der zweite Saisonlauf fand beim Bergrennen am Mont Ventoux in Frankreich statt. Mit zwei Rennen in Brands Hatch (6 Stunden) und Mallory Park (3 Stunden) setzte die European Touring Car Challenge anschließend ihre Saison auf zwei britischen Rennstrecken fort. Nach dem Ausflug auf die britischen Inseln folgte mit den Rennen in Zolder (30 Minuten) und Zandvoort (22 Runden) der Belenux-Abschnitt der Meisterschaft. Im September schlossen das Bergrennen am Timmelsjoch in Österreich sowie ein Rundstrecken-Rennen in der Innenstadt von Budapest (100 Runden) die Saison ab.
Die Meister der European Touring Car Challenge (ETCC) im Überblick:
Nach dem Ende der ersten Saison kamen gleich fünf Piloten auf die Maximalpunktzahl von 60 Punkten. Denn zum Reglement gehörte, dass nur fünf Rennen in die Wertung einfließen sollten. Wer häufiger zu Punkten fuhr, der musste mit Streichern leben. Punktgleich waren: Hubert Hahne (BMW 700 – Klasse 2), Wolf-Dieter Mantzel (DKW F12 – Klasse 4), Rob Slotemaker (Mini Cooper S – Klasse 5), Tom Trana (Volvo 122 S – Klasse 7) und Peter Nöcker (Jaguar Mk II 3.8 – Klasse 9). Das Organisationskomitee vergab den ersten Meisterschaftstitel an Peter Nöker – wobei bis heute nicht ganz klar ist, auf welcher Grundlage dies passierte.
Jahr | Fahrer-Titel | Land | Fahrzeug | |
1963 | Peter Nöcker | Deutschland | Jaguar Mk II | |
1964 | Warwick Banks | Großbritannien | BMC Mini Cooper S | |
1965 | DIV1 | Ed Swart | Niederlande | Abarth 1000 TC |
DIV2 | John Whitmore | Großbritannien | Ford Lotus Cortina | |
DIV3 | Jacky Ickx | Belgien | Ford Mustang | |
1966 | DIV1 | Giancarlo Baghetti | Italien | Abarth 1000 TC |
DIV2 | Andrea de Adamich | Italien | Alfa Romeo 1600 GTA | |
DIV3 | Hubert Hahne | Deutschland | BMW 2000TI | |
1967 | DIV1 | Willi Kauhsen | Deutschland | Abarth 1000 TC |
DIV2 | Andrea de Adamich | Italien | Alfa Romeo 1600 GTA | |
DIV3 | Karl von Wendt | Deutschland | Porsche 911 | |
1968 | DIV1 | John Handley | Großbritannien | Morris Mini Cooper S |
DIV2 | John Rhodes | Großbritannien | Morris Mini Cooper S | |
DIV3 | Dieter Quester | Österreich | BMW 2002 | |
1969 | DIV1 | Marsilio Pasotti | Italien | Abarth 1000 TC |
DIV2 | Spartaco Dini | Italien | Alfa Romeo 1600 GTA | |
DIV3 | Dieter Quester | Österreich | BMW 2002 |
In den folgenden Jahren überarbeitete Stenger die Regeln seiner European Touring Car Challenge regelmäßig. 1964 und 1965 änderten sich die Klasseneinteilungen. Zudem gab es ab 1965 drei Meister, denn die Meisterschaft kannte nun drei Divisionen. Ein Jahr später passte Stenger den Zuschnitt der Divisionen an. Erst im fünften Jahr ihres Bestehens ging die European Touring Car Challenge 1967 erstmals mit den gleichen Regeln wie im Vorjahr in die Saison. Doch 1968 und 1969 durften dann die Gruppe 5-Prototypen in der ETCC starten.
1970 wurde aus der Challenge eine Championship!
Die Prototypen, die nicht mit den 1976 eingeführten Gruppe 5-Silhouetten-Rennwagen zu verwechseln sind, blieben eine kurze Epoche. Denn 1970 kehrten die verbesserten Tourenwagen zurück. Gleichzeitig stufte die Commission Sportive Internationale (CSI), die sich inzwischen FISA nannte, die Challenge zur Championship hinauf. Damit endete die Epoche der European Touring Car Challenge und die European Touring Car Championship trat an ihre Stelle. Wobei das eigentlich eine längst überfällige Umbenennung war. Denn in der Presse hieß die ETCC praktisch von Anfang an „Europameisterschaft der Tourenwagen“.
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