Auto-Erinnerungen

Golf Diesel – wie Diesel dynamisch wurden

Mit dem 1974 vorgestellten Golf vollzog VW die Umstellung von Luftkühlung und Heckantrieb zu modernen Fahrzeugen mit wassergekühlten Motoren und Frontantrieb. Der Paradigmenwechsel rettete den damals finanziell stark angeschlagenen Autobauer. Dabei veränderte nebenbei eine weitere mutige Entscheidung der Wolfsburger den Automarkt. Denn bis zum Debüt des Golf Diesel im Jahr 1976 galten Diesel als träge, phlegmatisch und behäbig. Mit dem Golf Diesel wurde der Diesel dynamisch.

Golf Diesel von 1976
Der Golf Diesel von 1976 als gehobene Ausstattungsvariante GLD in baligrün. (Foto: Volkswagen)

Mitte der 1970er-Jahre trieben Dieselmotoren fast ausschließlich Lastkraftwagen, Traktoren und andere Nutzfahrzeugen an. In Autos waren Diesel wegen ihres geringen Verbrauchs und ihrer Langlebigkeit praktisch nur im Taxi-Gewerbe und Kurierdiensten beliebt. Doch die Ölkrise zeigte der westlichen Welt deutlich ihre schmerzhafte Abhängigkeit vom Öl. Bei Volkswagen in Wolfsburg begannen die Entwickler über alternative Antriebe nachzudenken. Dabei studierten sie auch die Autogeschichte. Denn ganz neu war die Idee eines Diesels in der Kompaktklasse nicht. Schon seit 1968 gab es im Peugeot 204 einen 40 PS starken Diesel. Wobei der nur 1.255 ccm große Selbstzünder der Franzosen zunächst nur in den „Handwerker-Varianten“ des 204 – dem Kombi und der Lieferwagen-Version – verfügbar war und so primär Nutzfahrzeuge antrieb.

1973 startete VW die Arbeit am Golf Diesel!

1973 fiel in Wolfsburg die Entscheidung, den Franzosen zu folgen. Die Techniker begannen mit der Entwicklung eines kleinen Diesel-Motors für den geplanten Käfer-Nachfolger, der ein Jahr später Premiere feiern sollte. Bei der Konzern-Tochter Audi fanden sie einen passenden Motorblock. In Neckarsulm und Ingolstadt gab es im 1972 vorgestellten Audi 80 den heute legendären „EA 827″. Der wassergekühlte Vierzylinder-Viertaktreihenmotor mit einer obenliegenden Nockenwelle und fünffach gelagerter Kurbelwelle erschien perfekt geeignet, um auch den höheren Verbrennungsdruck eines Selbstzünders zu verdauen.

Auf dem Weg zum Selbstzünder bestückten die Entwickler in Wolfsburg den Langhuber mit anderen Kolben. Zudem änderten sie den Zylinderkopf, um in ihrem Diesel das Wirbelkammer-Einspritzverfahren zu nutzen, und verstärkten den Block an einigen Stellen strukturell. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Denn nach drei Jahren Entwicklungszeit und rund 15 Millionen im Versuch zurückgelegten Test-Kilometern wagte sich Volkswagen an die Öffentlichkeit. Mit dem im September 1976 vorgestellten Golf D zeigte VW zeigte erstmals, dass Diesel auch dynamisch und temperamentvoll sein können.

Die Dynamik des VW Golf Diesel war eine Überraschung!

Der 1.471 ccm große Selbstzünder drehte – fast wie ein Benziner – bis 5.000 U/min. Mit seinen 50 PS beschleunigte der selbstzündende Golf in 19 Sekunden von 0 auf 100 km/h und erreichte eine Spitzengeschwindigkeit von 141 km/h. Das waren 1976 in der Kompaktwagenklasse selbst im Vergleich zu den Benzinern durchaus beachtliche Werte. In Verbindung mit dem für einen Diesel typischen Drehmoment von 82 Newtonmetern bei 3.000 U/min vermittelte der Golf D dabei subjektiv durchaus einen gewissen Fahrspaß. Offensichtlich so viel, dass die Verantwortlichen in Wolfsburg auf die Idee kamen, den Golf Diesel Anfang 1978 zur Rallye Monte Carlo zu melden.

Diesel – Aus der Nische zum Standard

Auch wenn Pilot „Jochi“ Kleint und Beifahrer Andreas Hänsch in den Seealpen in einen Unfall verwickelt wurden und so nicht das ganze Potential des Golf zeigen konnte, brannte die Lunte damit endgültig. Denn Volkswagen stellte den Golf D genau zum richten Zeitpunkt vor. Nach der Ölkrise gewann der Aspekt der Ressourcenschonung eine gesteigerte Bedeutung. Mit einem durchschnittlichen Verbrauch von nur 6,5 l/100 km galt der Golf D 1976 als der sparsamste Personenwagen seiner Zeit. Schnell stellten bei der Deutschen Post mehrere zehntausend Exemplare des Diesels täglich ihre Alltagstauglichkeit unter Beweis.

Das sahen auch private Kunden, die dem Beispiel der post bald folgten. Sie griffen nicht zuletzt aus Umweltgesichtspunkten nun ebenfalls gern zum Golf Diesel. Kein Wunder, dass bereits Ende 1978 der Anteil der Dieselmodelle an der Golf-Produktion schon mehr als 35 Prozent betrug. VW entwickelte in der Zwischenzeit den Diesel kontinuierlich weiter. 1980 wuchs der Hubraum des Golf Diesel auf 1.588 ccm an. Damit stieg die Leistung auf 54 PS bei 4.800 U/min. Das Drehmoment erreichte nun satte 100 Nm bei 2.300 U/min. Nur zwei Jahre später rückten die Verantwortlichen den Diesel nicht nur optisch in die Nähe des legendären GTI.

GTD war das neue GTI

Denn mit einem Turbo-Lader bestückte Volkswagen Golf Diesel GTD verfügte über 70 PS Leistung. Dank seines Drehmoments konnten Sportfahrer den Turbodiesel – wie seinen Einspritzer-Bruder – extrem sportlich bewegen. Spätestens mit dem GTD brachen alle Dämme. Heute treiben Dieselmotoren vom Kleinwagen bis zum Sportwagen praktisch Fahrzeuge aller Kategorien an. Sogar in Le Mans ist für den Sieg im Moment ein Diesel für den Sieg notwendig. Einst als „Heizöl-Maserati“ verspottet, liegt der Marrktanteil der Diesel auf dem deutschen Automarkt heute bei rund 42 Prozent. Und ein Golf Diesel der ersten Baureihe, der diesen Trend auslöste, ist heute längst ein gesuchter Oldtimer.


Infos zum Titelbild dieses Beitrags:
Der Golf Diesel von 1976 als gehobene Ausstattungsvariante GLD in baligrün.

Foto: Volkswagen

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