Auto-Erinnerungen

Wie der Mazda MX-5 den Roadster wiederbelebte

In den 1980er-Jahren waren Roadster praktisch nicht mehr existent. Niemand traute sich ein kleines offenes Fahrzeug zu bauen. Doch 1989 holte der Mazda MX-5 die vergessene Fahrzeuggattung zurück auf die Bühne der Autoindustrie. Doch wie kam es eigentlich dazu?

Tonmodell des Mazda MX-5
Tonmodell des Mazda MX-5 – mit dem kleinen Sportwagen kehrte der zuvor vergessene Typ des Roadsters auf die automobilen Speisezettel zurück. (Foto: Mazda)

Die ersten Autos waren eigentlich umgebaute Kutschen. Es dauerte ein paar Jahre, bis sich das Auto von diesem Ursprung löste. Erst in den 1920er-Jahren verdrängten geschlossene Karosserien die zuvor üblichen offenen Aufbauten. Doch es gab weiter Auto-Freunde, die sich bewusst für einfach ausgestattete Zweisitzer entschieden. Denn sie sahen, dass ein leichtes offenes Auto den Fahrspaß maximiert. Für ihre Fahrzeuge setzte sich in den 1930er-Jahren der Begriff Roadster durch. Zum Cabriolet wurde ein Fahrzeug erst mit einer luxuriösen Ausstattung. Das einfachste Unterscheidungsmerkmal waren die Seitenscheiben. Cabrios hatten sie, Roadstern der ersten Jahre fehlten sie. Der klassische Roadster nutzt stattdessen imprägnierte Stoffteile, die sich direkt an der Tür befestigen lassen, als Wetterschutz.

Roadster gab es überall auf der Welt

Bis in die 1970er-Jahre waren Roadster besonders bei britischen Autobauern beliebt. Ob Austin-Healey, MG, Sunbeam oder Triumph – auf der Insel bot praktisch jeder Autobauer einen Roadster an. Auch Luxushersteller wie Alvis, Daimler, Jaguar, Lotus, Morgan oder Riley bauten offene Sportwagen. Auch die Italiener liebten Roadster. Alfa Romeo und Fiat boten zeitweise mehrere unterschiedliche Spider, wie die Roadster in Italien heißen, an. Zudem gab es Spider bei Lancia und Ferrari. Der Porsche 356 gilt als Urvater deutscher Roadster. Später bedienten auch der BMW 507, die Mercedes-Benz Modelle 300 SL und 190 SL sowie der Wartburg 313 den Trend. Als sich etwa zeitgleich in Japan die Autoindustrie entwickelte, boten auch Honda, Toyota und Nissan Roadster an.

Der größte Markt für diese Fahrzeuge war Nordamerika. In die USA verkauften zunächst die Europäer und gegen Ende der 1960er-Jahre auch die japanischen Autobauer einen Großteil ihrer Roadster-Produktion.  Doch dort geriet der Markt ab 1965 unverhofft ins Wanken. Denn Ralph Nader veröffentlichte das Buch „Unsafe at Any Speed“. In diesem kritisierte der Verbraucherschutz-Aktivist und Anwalt die Autoindustrie hart. Autos wie der Chevrolet Corvair von General Motors würden Konstruktionsschwächen aufweisen, die die Kunden gefährden. Heckmotorautos, wozu neben dem Corvair auch der VW Käfer und der Porsche 911 zählen, seien gefährlicher als andere Antriebskonzepte. Zudem würden Cabrios und Roadster beim Überschlag ihre Insassen nicht genügend schützen – so Nader.

„Unsafe at Any Speed“ veränderte die Autoindustrie

Die Politik nahm Naders Thesen teilweise auf. Die USA wurden zum Vorreiter der passiven Sicherheit. Ab 1975 mussten neuzugelassene Pkw einen Aufprall mit einer Geschwindigkeit bis zu fünf Meilen pro Stunde ohne Schäden überstehen. Zudem gab der Gesetzgeber die Position der Stoßfängern vor. Die Idee war, wenn die Stoßfänger aller Autos auf gleicher Höhe sind, dann minimiert das die Schäden. Während Porsche beim 911 die Vorschrift mit den Gummi-Bumpern und Faltenbalgen erfüllte, taten sich andere Hersteller damit schwer. Die US-Autoindustrie bot von 1976 bis 1982 kein offenes Auto mehr an. Auch ausländische Hersteller zogen ihre offenen Autos zurück. Nur Mercedes-Benz bot seinen Roadster der Baureihe R107 durchgängig in den USA an. Denn das Buch verunsicherte die Kunden.

Bob Hall und seine Skizze vom Mazda MX-5
Bob Hall zeichnete im Büro von Kenichi Yamamoto seine Vision eines kleinen leichten Sportwagens auf eine Tafel. Zehn Jahre später stellte Mazda dem Mazda MX-5 vor. (Foto: Mazda)

Der von Nader kritisierte Chevrolet Corvair war nach dem Erscheinen des Buchs praktisch unverkäuflich. Da half es auch nicht mehr, dass General Motors etwa zeitgleich mit dem Erscheinen des Buchs die Hinterachse des Autos überarbeitetem, um das Fahrverhalten zu verbessern. Der Corvair lief schließlich ohne Nachfolger aus. Auch die Absatzzahlen britischer Roadster gingen nach dem Erscheinen des Buchs kontinuierlich zurück. Das traf die seit Jahren darbende britische Autoindustrie empfindlich. Wobei sich diese auch selbst das Leben schwer machte. Denn obwohl inzwischen Austin, Morris, MG, Riley, Rover, Triumph und Jaguar zu einem Konzern gehörten, arbeiteten diese kaum zusammen. Die Folge waren gigantische Verluste, die sich erhöhten als der Markt in den USA wegbrach.

Mazda dachte schließlich gegen den Strom

Die Autobauer behalfen sich mit Sicherheits-Cabriolets. Diese verfügten, wie der Porsche Targa über einen festmontierten Sicherheitsbügel und ein herausnehmbares Dachmittelteil. Auch T-Roof-Modelle mit zwei herausnehmbaren Dachhälften boten sie in den USA an. An das Fahrgefühl eines Roadsters kam das nicht heran. Und der Alfa Romeo Spider, in Europa noch verfügbar, war hoffnungslos veraltet. Das wusste alles auch der Autojournalist Robert („Bob“) Hall. Im Frühjahr 1979 traf Hall in Mazdas Forschungs- und Entwicklungsabteilung deren Leiter Kenichi Yamamoto (1922-2017) zum Interview. Der Ingenieur fragte den Amerikaner, welches Auto Mazda fehle. Hall antwortete: „Einen kleinen, leichten, klassisch-britischen-Wind-in-den-Haaren-Roadster.“

Kenichi Yamamoto bei einem Besuch in Deutschland
Kenichi Yamamoto (rechts) bei einem Besuch in Deutschland. Der Ingenieur entwickelte bei Mazda Wankelmotoren und übernahm die Leistung der Forschung- und Entwicklungsabteilung. 1983 stieg Kenichi Yamamoto zum Präsidenten von Mazda auf. (Foto: Mazda)

Die Legende besagt, dass Hall dazu an eine Tafel schritt, die in Yamamotos Büro hing. Dort skizzierte der Amerikaner in einfachen Linien, wie er sich einen bezahlbaren offenen Zweisitzer vorstellte. Hall erzählte, dass er in solchen Roadstern aufgewachsen sei. Sein Vater habe diese Fahrzeuggattung während des Zweiten Weltkriegs in England für sich entdeckt. Später blieb er in seiner Heimat in Nordamerika diesen Fahrzeugen treu. Das Gespräch und die Idee beeindruckten Kenichi Yamamoto. Denn Yamamoto initiierte bei Mazda das Projekt „Light Weight Sportscar“. Wobei dies zunächst ein reines Forschungsprojekt der von Yamamoto geleiteten Entwicklungsabteilung war. Im Zuge dessen beschaffte Mazda einen Triumph Spitfire. Diesen probierten Yamamoto und sein Team in den Hakone-Bergen zwischen Fujiyama und Pazifik ausführlich aus.

Damit brannte die Lunte!

Denn nach den Testfahrten im April 1980 war Kenichi Yamamoto endgültig mit dem Roadster-Virus infiziert. Nachdem Mazda im Frühjahr 1981 in Irvine/Kalifornien ein Design-Zentrum eröffnete, entstand eine erste Konzeptstudie. Bob Hall heuerte als Produktplaner an. Wie durch einen Zufall wies die Marktforschung kurz darauf nach, dass sich amerikanische Autofans sehnsüchtig einen kleinen und bezahlbaren Roadster wünschten. Im Januar begann 1983 begann der amerikanische Designer Mark Jordans in Irvine mit der Arbeit an einem kompakten Cabrio auf Basis des Mazda 323. Doch kurz danach stieg Kenichi Yamamoto zum Präsidenten der Mazda Motor Corporation auf. Damit gab es kein Halten mehr, denn Yamamoto entschied „Offline, go, go!“

Konzeptvergleich Mazda MX-5 und Triumph Spitfire
Während der Entwicklung des Mazda MX-5 nutzte auch einen Triumph Spitfire, um sein Konzept zu verfeinern. (Foto: Mazda)

Mit diesem Komando forderte der Ingenieur seine Entwickler auf, die gängigen Sichtweisen in Frage zu stellen. So entstand der Mazda MX-5 nicht auf Basis einer etablierten Baureihe. Der kleine Roadster bekam ein klassisches Setup mit Frontmotor und Heckantrieb. Schon die erste Baureihe glänzte mit einer idealen Gewichtsverteilung von 50:50 zwischen Vorder- und Hinterachse. Am 10. Februar 1989 stellte Mazda seinen MX-5 auf der Chicago Auto Show der Öffentlichkeit vor. Das Echo war überwältigend. Die ganze Welt wollte dieses Auto. Dabei plante Mazda ursprünglich einmal 5.000 Exemplare zu bauen. 3.000 davon wollte das Unternehmen in den USA absetzen. 500 sollten nach Europa, wo der Mazda MX-5 im Mai 1990 startete, gehen.

Der Mazda MX-5 veränderte die Autowelt!

Bei den 5.000 Exemplaren blieb es nicht. Denn bis Ende 1990 baute Mazda schon 140.918 Exemplare seines Roadsters. Im Hype um den Mazda MX-5 ging unter, dass Ford in Australien ebenfalls seit 1989 einen Roadster anbot. Die Ironie der Geschichte war, dass der australische Ford Capri (SA30) die Technik des Mazda 323 nutzte. Denn in „Down Under“ kooperierte Ford damals bereits mit dem japanischen Autobauer. Doch trotz einer von Ghia gestalteten Karosserie konnte der Capri dem Mazda MX-5 nicht das Wasser reichen. Im direkten Vergleich fiel das Frontantriebs-Layout des Ford durch. Dazu kam eine lausige Verarbeitungsqualität. Weshalb der Australier schon 1994 ohne echten Nachfolger auslief.

Schnittzeichnung des Mazda MX-5
Schnittzeichnung des Mazda MX-5 – Die Entwickler hatten die Freiheit, den kleinen Sportwagen ohne Rücksicht auf die weitere Modellpalette zu entwickeln. So war es möglich, ein klassisches Roadster-Layout mit Frontmotor und Heckantrieb zu entwickeln. (Foto: Mazda)

Ein Schicksal, das auch vielen anderen Autos widerfuhr, die der Mazda MX-5 inspirierte. Denn BMW Z3, MG F, Fiat Barchetta (alle 1995) und Mercedes SLK (1996) wären ohne den Mazda MX-5 wohl so nicht erschienen. Auch die dritte Generation des Toyota MR2 eiferte 1999 dem Mazda MX-5 hinsichtlich seiner Offenheit nach. Anders als den Mazda gibt es diese Fahrzeuge heute alle nicht mehr. MG, Fiat und Toyota blieben sogar ohne Nachfolger. BMW positionierte die Nachfolger des Z3 deutlich höher. Mercedes hielt länger durch, stellte seien SLK erst vor vier Jahren ein. Der Mazda MX-5 gilt dagegen seit 2016 als der meistverkaufte Roadster der Automobilgeschichte. Bisher entstanden mehr als 1.200.000 Millionen Exemplare des Sportwagens.


Tipp: Wer die ganze Geschichte des Roadsters kennenlernen möchte, sollte die Ausstellung im „Mazda Classic – Automobil Museum Frey“ in Augsburg besuchen. Dort sind alle Generationen des Mazda MX-5 vertreten. Zu den Exponenten gehören auch interessante Sondermodelle wie das nur in Japan angebotene geschlossene MX-5 Coupé. Über Öffnungszeiten und die Exponate informiert www.mazda-classic-frey.de.


Infos zum Titelbild dieses Beitrags:
Tonmodell des Mazda MX-5 – mit dem kleinen Sportwagen brachte Mazda den zuvor vergessenen Typ des Roadsters auf die automobilen Speisezettel zurück.

Foto: Mazda

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Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!

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