Atemlos bei Auto-Bild

von Tom Schwede am 20.09.2015

Es folgt einer gewissen Regelmäßigkeit, wenn die etablierten Medien gegen Blogger auskeilen.

Mit der „Tanzenden Seezunge“ lehnte sich der Spiegel weit aus dem Fenster. Nun ist es wie schon im Sommer 2014 Auto-Bild, die diesmal online austeilt.

Im Rahmen der Berichterstattung über die IAA befasst sich Autor Joachim Staat mit dem Gedränge, das während der Pressetage besonders rund um die neue Alfa Romeo Giulia zu beobachten war.

„… Um die neue Giulia drängt sich stets eine Menschentraube. Zur ersten Sitzprobe mussten wir uns durchboxen. Vier Leute wegschubsen, den Blogger mit dem Handy ausbremsen, jetzt die Menschenkette zuziehen. …“Joachim Staat, bei Auto-Bild online

Wahrscheinlich ist das Gedränge für die Kollegen von Auto-Bild auch deshalb ein Problem, weil die sogenannten Sitzproben der Redaktion inzwischen ihre Messeberichterstattung dominieren. Frei nach dem Motto: „Wir schreiben zwar nichts über das Auto, aber wir haben drin gesessen.“

Über Umgangsformen lässt sich nicht streiten. Wer Leute wegschubst, ist nicht nur in meinen Augen ein asozialer Rüpel. Wer auch noch öffentlich über sein schlechtes Benehmen schreibt, ist entweder ein Halbstarker oder ein … lassen wir das an dieser Stelle besser.

Auch die Anmerkung mit dem Handy ist gewagt!

Denn ich will hier jetzt kein Spielfeld für juristische Auseinandersetzungen eröffnen, nur weil sich jemand von meiner Meinung beleidigt fühlt. Und für den Fall der Fälle, wenn es mir jemand stattdessen beim Drängeln heimzahlen will: Mit meinen 100 Kilogramm sehe ich der Sache gelassen entgegen und kann zur Not auch halbstark. Und vielleicht schreibe ich dann sogar darüber.

Eigentlich dachte ich, dass sich das Thema abgekühlt hätte. Denn ich habe mir in jüngster Zeit mehrfach auf Fahrveranstaltungen das Auto mit etablierten Journalisten geteilt. Einmal saß ich sogar mit einem Kollegen, der für Bild arbeitet, im gleichen Auto. Zusammen haben wir unser Testfahrzeug auf dem Marktplatz von Gaiole in Chianti fotografiert. Ich vertraute auf meine bewährte Canon G16.

Doch zwischendurch fotografierte ich den vor dem Testfahrzeug stehenden Kollegen mit seinem Handy. Aber wahrscheinlich war das nur für das private Fotoalbum des Kollegen bestimmt. Auch wenn die zuvor eingegangen Anrufe aus seiner Redaktion dagegensprechen. Denn die hatte telefonisch Bilder eingefordert. Weshalb es nicht auf meinen Wunsch hin zum Fotostopp in der italienischen Kleinstadt kam.

Helene Fischer macht atemlos fassungslos!

Die Sache mit dem Drängeln bleibt übrigens nicht die einzige Entgleisung des Autors. Denn der Autor versucht sich auch an einem Vergleich, der genauso in die Hose geht. Drei seiner Zeilen weiter ist die neue Giulia so stark umringt:

„… als zöge Helene Fischer auf dem Drehteller blank …“Joachim Staat, bei Auto-Bild online

Bei solchen Ergüssen ist zu vermuten, dass sich Autor Joachim Staat im Milieu der Peepshows auskennt. Hoffentlich nur als knallharter Aufklärungsjournalist. Auch wenn „hart“ an dieser Stelle eine gewisse Doppeldeutigkeit nicht vermeidet. Peepshows (von englisch to peep „durch eine schmale Öffnung spähen“) stellen für das Bundesverwaltungsgericht einen Verstoß gegen die guten Sitten und eine Verletzung der Würde der Frau dar.

Daher ist das Gewerbe inzwischen weitgehend ausgestorben. Videokabinen haben ihre Rolle übernommen. Aber früher, als der Autor noch jung war, gab es die echten Peepshows in den Rotlicht-Vierteln der Großstädte. Dort verbrachten überwiegend Männer Zeit damit, um gegen Münzeinwurf einer „Darstellerin“ beim Entkleiden zuzusehen. Oft fand dieser Akt auf einer Drehscheibe statt, damit sich mehrere Besucher gleichzeitig an der Darbietung „erfreuen“ konnten.

Üblich war, dass die Damen mit eindeutigen Gesten ihre Kunden zur Masturbation aufforderten. Oftmals gab es die Gelegenheit, die Darstellerin gegen eine höhere Gebühr in eine Solokabine „einzuladen“. Spätestens dort waren die Grenzen zur Prostitution fließend. Interessant, dass Joachim Staat die Sängerin Helene Fischer als Projektionsfläche nutzt. Hoffentlich brachte ihn die Vorstellung der blankziehenden Musikerin beim Schreiben nicht um den Atem.

Offensichtlich wird nur die Hilflosigkeit

Am Ende offenbart der kurze Artikel über die Sitzprobe in der neuen Alfa Romeo Giulia eine gewisse Hilflosigkeit. Er ist ein Zeichen dafür, wie hoch das Wasser den „Kollegen“ schon am Hals steht. Denn etablierte Medien verlieren zunehmend ihre Gatekeeper-Funktion. Ihr Wettbewerbsumfeld hat sich dramatisch verändert. Und die Antworten darauf sind bisher schwach. Es ist eine gute Zeit für Blogger – ohne jedes Drängeln.