Volvo modernisierte seit 2014 mit großer Geschwindigkeit seine gesamte Flotte. Innerhalb von nur vier Jahren stelle Volvo fünf Modelle auf seine neue „Skalierbare Produkt-Architektur“ (SPA) um. Den Abschluss dieses Kraftakts bildet die dritte Generation der Mittelklasse-Limousine S60. Ich konnte den neuen Volvo S60 T5 Polestar Performance jetzt auf einer ausführlichen Probefahrt testen.
Die Testfahrt startet in einer Tiefgarage im Herzen von Mannheim. Volvo stellt den Neuen zurzeit in der Stadt, in der Carl Benz das Auto erfand, Händlern und Medien vor. Ich entscheide mich bei der Fahrzeugvergabe für den S60 T5. Der Autobauer aus Schweden entlockt seinem zwei Liter großen Einheitsmotorblock wahlweise 190 PS (T4), 250 PS (T5) oder 310 PS (T6). Wobei als Brennstoff ausschließlich Benzin zum Einsatz kommt.
Denn einen Diesel gibt es im S60 nicht mehr. Das hält in Deutschland den einen oder anderen Interessenten sicher vom Kauf ab. Aber Volvo setzt seine Entscheidungen konsequent durch. Die Schweden sehen im Diesel ein Auslaufmodell. Zudem liegen die Hauptmärkte der Limousine in China und Nordamerika. Dort ist der Diesel eine Randerscheinung. Weshalb Volvo beim S60 konsequenterweise auf einen Selbstzünder verzichtet.
Die Ausrichtung auf die Hauptmärkte unterstreicht auch, dass dieser Schwede in den USA vom Band läuft. Mit dem S60 nimmt Volvo sein neues Werk in Charleston in Betrieb. Im Moment ist die Limousine dort „Alleinunterhalter“. Erst in gut zwei Jahren stellt Volvo dem S60 in South Carolina die dritte Generation des XC90 zur Seite. Dabei hilft, dass der große SUV auf einer Weiterentwicklung der „Skalierbaren Produkt-Architektur“ basieren wird.
Der Volvo S60 T5 treibt ausschließlich die Vorderräder an!
Der von mir getestete T5 bringt die Kraft seines Motors mit den Vorderrädern auf die Straße. Nur der „größere“ T6 ist mit Allradantrieb lieferbar. Die schwächeren S60 gibt es auch auf Wunsch nicht mit vier angetriebenen Rädern. Wer also vier angetriebene Räder wünscht, muss zum T6 greifen oder das hybride Spitzenmodell der Baureihe ordern. Denn im S60 T8 Twin Engine AWD unterstützt ein 65 kW starker Elektromotor den Benziner.
Womit im Hybrid-S60 eine Systemleistung von 390 PS zur Verfügung steht. Das klingt natürlich verlockend. Doch in der Mittelklasse dominieren die Dienstwagen-Fahrer. In den Fuhrparks der großen Unternehmen gibt es meist strenge Regeln. PS-Beschränkungen und Budget-Grenzen schränken die Auswahl der Fahrzeuge ein. Daher wird der Volvo S60 T5 voraussichtlich das „Volumenmodell“ der Baureihe. Ein guter Grund für mich, um genau diesen S60 zu testen!
Ich starte den Motor – und bin überrascht!
Denn zur „Skalierbaren Produkt-Architektur“ gehören Vierzylindermotoren. Der Abschied von den Fünfzylindern berührte viele Volvo-Fans emotional. Er wurde entsprechend engagiert diskutiert. Doch der Erfolg gibt Volvo recht. Denn 2018 schlossen die Schweden in Deutschland mit einem Marktanteil von 1,3 Prozent ab. Sie brachten im vergangenen Jahr mehr als 45.000 neue Volvo auf die Straße. In diesem Jahr sind 50.000 neue Volvo das Ziel. Dabei soll auch der neue S60 helfen.
Der gönnt sich beim Starten erst mal eine Anleihe in der eigenen Vergangenheit. Denn im 2010 vorgestellten Vorgänger gab es bis vor vier Jahren noch Fünfzylinder. Als ich den Motor des neuen S60 starte, gibt es eine Überraschung. Denn wenn ich es nicht besser wissen würde, dann ginge der anlaufende Motor auch als Fünfzylinder durch. Ein Kollege, mit dem ich mir das Auto teile, erinnert der Klang ebenfalls sofort an die „gute alte Zeit“.
In diesem Moment wird uns klar, dass Sound-Design heute zum Autobau dazugehört. Offenbar soll der kernige Klang unterstreichen, dass ich gerade einen T5 „Polestar Performance“ teste. Dank einer geänderten Motorelektronik steigt die Leistung dieses T5 moderat auf 253 PS an. Gleichzeitig legt das maximale Drehmoment um 50 Newtonmeter auf satte 400 Newtonmeter an. Damit folgt die Optimierung dem Grundsatz, dass die Kraft eines Motors das Erfahrbare ist.
999 Euro kostet die Polestar Leistungsoptimierung beim Volvo-Händler. Sie lässt sich, da es sich um ein Software-Update handelt, auch noch nach dem Kauf ordern. Wobei Zusatzkosten anfallen. Denn nach dem Update ist das Fahrzeug zur Änderung der Fahrzeugpapiere dem Ingenieur einer technischen Prüforganisation vorzuführen. Besonders reizvoll macht das Update, dass die Herstellergarantie vollständig erhalten bleibt.
Der Volvo S60 tritt sportlich-geschnitten auf!
Das Update steigert nicht nur Leistung und Kraft des Motors. Es ändert auch die Unterstützung der Lenkung, die Schaltzeiten des Getriebes sowie das Ansprechverhalten des Gaspedals an. Damit wird der S60 noch mehr als das „Basismodell“ zur sportlichen Selbstfahrer-Limousine. Das passt gut zum sportlich-schnittigen Auftritt der Limousine. Denn bereits beim ersten Blick auf den neuen Volvo S60 fallen die ausgewogenen Proportionen auf.
Der kurze Überhang an der Vorderachse und die leicht ansteigende Seitenlinie sorgen gleichzeitig für einen dynamischen Eindruck. Ein ähnliches Prinzip verfolgen sportliche Limousinen wie der Jaguar XE oder die Alfa Romeo Giulia. Wobei der Volvo etwas weniger aggressiv als der Brite oder die rassige Italienerin auftritt. Das passt gut zum Image der Schweden. Denn das basiert bei aller angebotenen Sportlichkeit immer noch auf den Werten „sicher“ und „solide“.
Ich verlasse das Parkhaus, um auf der Straße zu überprüfen, wie sich der neuen Volvo S60 fährt. Schon in den Spindeln, die mich aus dem dritten Untergeschoss nach oben führen, fällt auf, wie neutral die Limousine liegt. Ich wähle einen Lenkeinschlag und halte diesen bis oben bei. Der Volvo folgt fast schon stoisch der Vorgabe. Auch das Öffnen der Lenkung, um die Vorderräder wieder geradeaus laufen zu lassen, setzt der Volvo sofort klaglos um.
Der Volvo S60 glänzt mit einer neutralen Auslegung!
Den ersten Eindruck bestätigt die Limousine später auch auf kurvigen Landstraßen. Selbst als ich auf einem Parkplatz versuche, den Volvo bewusst aus der Fassung zu bringen, behält der Volvo die Ruhe. Das Geheimnis dieser Abstimmung ist die serienmäßig verbaute „elektronische Differenzialsperre“. Bei ihr bremst der Computer das kurveninnere Vorderrad ab, um ein Giermoment um die Hochachse zu erzeugen.
Das verstärkt das Einlenken des S60. Und es wirkt dem gerade bei schnell gefahrenen Fronttrieblern typischen Schieben über die Vorderachse (Untersteuern) entgegen. Volvo gelang im S60 eine gute Abstimmung dieses Systems. Das macht das Fahren mit der immerhin 4,76 Meter langen Limousine trotz des kräftigen Motors recht einfach. Ein Eindruck, den auch Daniel vom Automobil-Blog in seinem Testbericht teilt.
Auf der Landstraße fällt mir auch auf, dass der Motor jetzt kaum noch zu hören ist. Zumindest so lange der sogenannte Drive Mode Schalter auf dem Standardwert „Comfort“ oder „Eco“ steht. Im „Polestar“ Modus wird es etwas lauter. Der Volvo schaltet jetzt etwas später und deutet beim Gangwechsel Zwischengas-Stöße an. Das erinnert mich an eine Testfahrt mit dem Škoda KODIAQ RS. Denn bereits dort ging mit diese Klang-Untermalung auf die Nerven.
Was verbraucht der Volvo S60 T5?
Zum edlen Volvo will diese halbstarke Attitüde ebenfalls nicht richtig passen. Deshalb schalte ich den Polester-Modus nach wenigen Kilometern wieder ab. Die serienmäßige 8-Gang-Automatik schaltet jetzt wieder etwas früher. Das senkt das Geräuschniveau deutlich ab. Zudem soll es helfen, Kraftstoff zu sparen. Volvo gibt für den einen kombinierten Normverbrauch von 7,7 Litern pro 100 Kilometer an.
Wie weit der eigene S60 im Alltag über dieser Marke liegt, hängt stark vom eigenen Fahrverhalten ab. Bei Bedarf beschleunig der Volvo in 6,5 Sekunden aus dem Stand auf ein Tempo von 100 Kilometern pro Stunde. Anschließend beschleunigt der Volvo bis zu einem Tempo von 240 Kilometern pro Stunde weiter. Wer das ausprobiert, treibt den Kraftstoffverbrauch natürlich deutlich nach oben.
Nach der rund 120 Kilometer langen Testfahrt zeigt der Bordcomputer einen Verbrauch von 8,8 Litern pro 100 Kilometer an. Doch letztlich muss ein ausführlicher Test zeigen, wie viel Kraftstoff sich der Volvo tatsächlich im Alltag genehmigt. Trotzdem fällt bereits bei der kurzen Testfahrt auf, wie gut ich meinen zwei Meter langen Körper auf dem Fahrersitz unterbringe. Die erste Tour mit dem S60 absolviere ich völlig ermüdungsfrei.
Gutes hat seinen Preis!
Auf der Fahrt bewährt sich das 12,3 Zoll große digitale Cockpit des Volvo. Es ist auch bei starkem Einfall von Sonnenlicht ausreichend hell und gut abzulesen. Zudem gehört es bei Volvo zur Serienausstattung. Bei einigen Wettbewerbern ist das ein Extra. Das Gleiche gilt für das Kamerasystem, das Verkehrszeichen erkennt. Auch dieses System kostet keinen Aufpreis. Trotzdem ist Volvo-Fahren kein ganz günstiges Vergnügen. Denn der Volvo S60 T5 R-Design hat einen Grundpreis von 46.200 Euro. Doch das ist nur der Anfang.
Zwar ist keines der Extras des Testwagens ein Muss, aber sie treiben den Preis weiter nach oben. Am Ende steht im Konfigurator die stolze Summe von 60.429 Euro. Besonders gut gefällt mir die obere Abdeckung des Armaturenbretts. Dank des „Xenium-Paket Pro“ verfügt sie über eine edle Lederoptik, geht aber ins Geld. Denn das Paket, zudem auch eine 4-Zonen-Klimaanlage und ein Panorama-Glas-Schiebedach gehören, kostet 3.100 Euro. Offenbar hat Gutes seinen Preis – das gilt dann auch für den ganzen Volvo S60 T5 Polestar Performance R-Design!
Edgar
26. Oktober 2019Sehr interessant geschriebener und visualisierter Artikel.
– Edgar