Roadtrip

Strange Days in den Straßen von San Francisco – Touristen-Magnet mit Suchtproblemen

San Francisco ist für viele ein Sehnsuchtsort. Ich war kürzlich zu einer Veranstaltung in der Westküsten-Metropole. Seitdem bin mir nicht mehr sicher, ob ich diese Sehnsucht nachvollziehen kann. Denn natürlich ist San Francisco eine attraktive Stadt. Doch zum Straßenbild gehören, mehr als ich es erwartet hätte, Obdachlose, Drogenabhängige und andere Abgehängte der Gesellschaft.

Die sozialen Probleme der Stadt sind nicht zu übersehen. Schon auf dem Weg vom Flughafen in die Innenstadt fallen mir in den Randbezirken der Stadt zahlreiche Autos auf, die offensichtlich Wohnraum sind. Je weiter ich mich der Innenstadt nähere, um so häufiger stehen offensichtlich völlig weggetretene Menschen am Rand der Straße. Trotzdem nutze ich später eine Pause im Veranstaltungs-Programm, um mir zu Fuß die Stadt anzusehen.

Mein erstes Ziel war die berühmte Lombard Street. Denn die gilt als die kurvenreichste Straße der Welt. Auf einem nur 145 Meter langen Abschnitt der Lombard Street gibt es zehn Kurven. Sie helfen Autos und Fußgängern, das Gefälle von 27 Prozent besser zu passieren. Bis in die 1920er-Jahre verlief die Straße auch hier noch geradeaus den Berg herunter. Doch nach zahlreichen Unfällen entschied sich die Stadt zum Umbau eines Teilstücks.

Bilder aus San Francisco

Nebenbei entstand dabei eines der Wahrzeichen der Stadt. Denn die Lombard Street lockt heute viele an, die die Straße bestaunen und natürlich befahren. Als ich gegen neun Uhr in der Früh zur Lombard Street komme, stehen bereits rund 50 Touristen am oberen Ende des kurvenreichen Abschnitts der Straße. Gleichzeitig strömen aus allen Himmelsrichtungen Autos herbei. An der Einfahrt zu den gepflasterten Serpentinen bildet sich ein kleiner Stau.

Die Menschen kommen von weit her. Das Kennzeichen eines Ford Mustang weist seine Insassen als Texaner aus. Ein SUV stammt aus Michigan. Im Schritttempo rollen sie die Lombard Street herunter. Teilweise begleiten Mitreisenden die Autos auf dem seitlichen Fußweg und filmen die Abfahrt. Ich beobachte das Schauspiel ein paar Minuten und ziehe weiter zur zwei Blocks entfernten Filbert Street. Die ist mit einem Gefälle von 31,5 Prozent noch steiler als die Lombard Street.

Nach der Lombard Street lockt Bullit

Trotz dieses beeindruckenden Gefälles entschärfte niemand diese Straße. Vermutlich verhalf ihr gerade das ebenfalls zu Ruhm. Denn in der Filbert Street drehten Pater Yates und Steve McQueen die Sprungszenen in der legendären Verfolgungsjagd ihres Meisterwerks „Bullit“. Beide Straßen befinden sich im Norden der Stadt. Hier endet die Landzunge, auf der die Stadt zwischen dem Pazifik und einer großen Bucht liegt. Typisch amerikanisch legten die Gründerväter der Stadt ein rechtwinkliges Straßennetz an. Dabei ignorierten sie in San Francisco weitestgehend die geografischen Verhältnisse.

Denn die Halbinsel ist von vielen Hügeln überzogen. Das sorgt für die teilweise absurden Steigungen der Straßen von San Francisco. Wie steil das hier ist, dokumentiert später mein iPhone. Denn das behauptet, ich sei auf meinem Weg durch die Stadt 68 Stockwerke hinauf- oder hinabgestiegen sei. Bevor ich endgültig den Rückweg antrete, werfe ich noch einen Blick auf die im nebelverhüllte Golden Gate Bridge und die Gefängnisinsel Alcatraz. Dann ist mein touristisches Pflichtprogramm absolviert. Ich kehre in die Innenstadt zurück.

Bitte quer parken!

Auf dem Weg zurück werden die Straßen breiter. Damit steigt die Anzahl der Autos, die am Wegrand stehen. Denn in den vielen Straßen sind Autos im 90-Grad-Winkel zur Straße zu parken. Diese Vorschrift schützt vor einem ungewollten Wegrollen. Eine sich lösende Handbremse oder das Herausspringen eines Gangs würde hier unweigerlich in einer Katastrophe münden.

Weitere Bilder aus San Francisco

Zum Straßenbild gehören erstaunlich viele Oldtimer. Ich entdecke einen Volvo Amazon und mehrere VW Käfer. Irgendwo steht ein zum Rennwagen umgebauter Rover 825. Warum der Besitzer seinem Briten das Logo von Lada auf die Motorhaube lackierte, bliebt sein Geheimnis. Insgesamt befriedigt das automobile San Francisco alle Klischees. Denn dort, wo gerade Handwerker tätig sind, parken natürlich Pickups.

Auffällig sind die vielen Ford Fusion und Lincoln MKZ. Die Brüder des europäischen Ford Mondeo sind hier Erfolgsmodelle. Dazu rollen viele Tesla durch die Straßen der Stadt. Unter den deutschen Autos sticht der Audi A4 hervor. Besonders die Limousine ist hier ein beliebtes Auto. Doch es gibt Risse in der Fassade. An vielen Autos kleben Schilder, die betonen, dass im Auto keine Wertgegenstände sind. An einem Golf GTI bezeugt ein Hinweis sechs Aufbrüche.

San Francisco ist eine Stadt der Gegensätze

Mit der Rückkehr in die Innenstadt werden die Gegensätze sichtbar. Eben noch die schmucken Häuschen am Russian Hill. Maximal eineinhalb Kilometer entfernt sieht es anders aus. Im Central District sind Dogenabhängige und Obdachlose fester Bestandteil des Straßenbilds. Die Stadt weiß das offensichtlich. Denn überall weisen Schilder auf Spitzendepots und andere Einrichtungen für Menschen, die offensichtlich Hilfe benötigen, hin.

Das ist teilweise bizarr. Denn einer der Punkte, der zahlreiche Hilfesuchende anzieht, der liegt dickt neben dem Wendepunkt der Cable-Cars. Und so stehen auf der einen Seite des Platzes Touristen, die das Schauspiel bestaunen, wie die Straßenbahnen auf einer Drehscheibe aus Holz wenden. Weniger Meter daneben holen sich bedauernswerte Gestrandete neue Spritzen ab.

Auch sonst ist die Armut unübersehbar. Oft riecht es nach Urin und Marihuana. Immer wieder liegen Menschen schlafend und notdürftig verdeckt auf dem Gehweg. Andere vegetieren im Wortsinne am Rand vor sich hin. Angesichts der Temperaturen von rund zehn Grad beschämt dieses Bild das reiche Amerika.

Schild an einem VW Golf GTI in den Straßen von San Francisco
Schild an einem VW Golf GTI in den Straßen von San Francisco

Denn gerade in der Bay-Area ist viel Geld vorhanden. Die Bucht von San Francisco ist die Heimat von einigen der wertvollsten Unternehmen der Welt. Apple, Facebook und Google sind hier zu Hause. In Sichtweite auf der anderen Seite der Bucht gibt es in Berkley eine der besten Hochschulen des Landes. Und in der Innenstadt dominieren edle Galerien, protzige Juweliere und andere Luxusgeschäfte.

Dazwischen hausen die Abgehängten der Gesellschaft. Sie verwahren ihre Habseligkeiten in ein paar Plastiktüten oder Kartons am Straßenrand. Das massive Drogen-Problem ist allgegenwärtig. Dazu bedarf es nicht der Hinweisschilder auf die Depots für Spritzen, die den Konsum harter Drogen bezeugen. Denn immer wieder passiere ich völlig Zugedröhnte.

In einer Sackgasse tanzt ein Junkie imaginären Klängen. Seine Bekleidung besteht alleine aus einer dreckigen Unterhose. Den Rest hat der Tänzer im Wahn vom Leib gerissen. Vor seinen Füssen kriecht eine Begleiterin am Boden. Sie sammelt weggeworfene Zigarettenstummel auf. Nur wenige Meter weiter sitzt ein Junkie am Bordstein. Er drückt sich ungeniert den Inhalt seiner Spritze ins Bein. Amerikas Realität in den Straßen von San Francisco ist hart.

 

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Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!