Auto-Erinnerungen

Pietro Frua (1913-1983): Autodesigner mit klarer Handschrift

Pietro Frua gilt heute als einer der wichtigsten Automobil-Designer der 1960er-Jahre. Vor 35 Jahren starb der Italiener. Zu seinem Nachlass gehören rund 200 Autos, die eine eindeutige Handschrift eint.

Eigentlich wollte ich diese Geschichte schon letzte Woche im Blog haben. Doch das Blog ist ein Hobby. Mein Hauptjob war in den letzten Wochen raumgreifender als sonst. Deshalb bekam ich diesen Artikel einfach nicht pünktlich zum Todestag von Pietro Frua fertig. Doch da ich die Autos des italienischen Designers spannend finde, gibt es den Artikel jetzt – mit ein paar Tagen – Verspätung doch noch.

Denn nur wenige Designer prägten das Autodesign in den 1960er-Jahren stärker als Pietro Frua. Der italienische Autodesigner schuf Klassiker wie den (ersten) Maserati Quattroporte oder die Renault Floride. Daneben war Frua auch an der Gestaltung des Volvo P1800 beteiligt. In Deutschland sorgte hauptsächlich seine Arbeit für den in Dingolfing beheimateten Automobilhersteller Glas dafür, dass Autofreunde den Namen des Designers bis heute kennen.

Glas V8 von 1966, Foto Wikisympathisant
Glas V8 von 1966, Foto Wikisympathisant (CC4.0)

Geboren 1913 in Turin folgte Pietro Frua beim Start ins Berufsleben seinem Vater Carl. Denn der Senior arbeitete bei FIAT im Karosseriebau. Das färbte auf den Sohn ab. Nach einer Station bei FIAT, wo Pietro Frua die Grundlagen des technischen Zeichnens erlernte, trat der Junior in die Dienste der „Stabilimenti Industriali Giovanni Farina“. Im Unternehmen des älteren Bruders von Battista „Pinin“ Farina lernte Pietro Frua das Handwerk des Karosseriedesigners.

Offenbar war die „Stabilimenti Farina“ dafür eine gute Adresse. Denn in den Lebensläufen vieler bekannter Autodesigner der 1960er und 1970er-Jahre taucht Giovanni Farina oft als Lehrmeister auf. Neben Frua gingen auch Felice Mario Boano, Alfredo Vignale und Giovanni Michelotti beim älteren Farina in die Lehre. Boano kleidete später den heute legendären FIAT 600 ein. Bei Vignale und Michelotti sprechen die Namen für sich.

Pietro Frua war offensichtlich ein Musterschüler!

Denn Giovanni Farina übertrug dem 22-Jährign Pietro Frua die Leistung seines Designbüros. Das führte zu heftigen Spannungen mit Attilia Farina, dem Juniorchef des Hauses. Denn während dessen Bruder „Nino“ Farina als Rennfahrer nach Ruhm und Ehre strebte, war dessen jüngerer Bruder Attilia im Unternehmen des Vaters tätig. Attilia Farina hatte selbst Ambitionen auf die Leitung des Designbüros.

Nach dem Giovanni Farina diese Aufgabe Pietro Frua übertrug, kam es regelmäßig zu Spannungen zwischen Frua und Farina Junior. 1938 kam es zu Eklat. Pietro Frua verlies das Unternehmen und machte sich als Designberater selbstständig. Doch das Umfeld war schwierig, denn 1939 brach der Zweite Weltkrieg aus. Irgendwie hielt sich Frua trotzdem über Wasser. 1944 erwarb der Designer eine ausgebombte Fabrik und gründete hier die „Carrozzeria Pietro Frua“.

Aus dem Designer wird ein Karosseriebauer!

Der Designer steigt damit selbst zum Karosseriebauer auf. Denn mit der eigenen Werkstatt ist Frua in der Lage, seine Entwürfe auch selbst in Kleinserie herzustellen. Das erste Highlight ist 1946 das Einkleiden der Fiat 1100 A Sport Barchetta. Auch für Maserati arbeitet die „Carrozzeria Pietro Frua“. Für den Maserati A6G baut Frua bis 1952 fünf Cabriolets und ein Coupé. Das ist respektabel, denn bei Pinin Farina entstehen zur gleichen Zeit auch nur neun A6G-Karosserien.

Maserati A6G mit Frua Karosserie
Maserati A6G mit Frua Karosserie – Foto Maserati

Insofern war Frua gut im Geschäft. Doch das Geschäft bleibt schwierig. 1957 verkauft Frua sein Geschäft an die Carrozzeria Ghia. Nach dem Verkauf wird Pietro Frua zunächst Leiter des Ghia- Designstudios. Doch das funktioniert nicht. Bald entbrennt ein heftiger Streit mit Ghia-Chef Luigi Segre über die Rollen beim Design der Renault Floride. Frua hält es nur ein Jahr bei Ghia aus und gründet dann erneut ein eigenes Designstudio.

Im Kampf um Kunden geht Frua in Vorleistung und baut auf Basis des Lloyd Alexander ein ausgefallenes Coupé. Doch die Pleite von Borgward verhindert eine Serienproduktion. Kurz danach stellt Pietro Frua 1961 eine Limousine mit VW-Technik vor. Doch Volkswagen zeigt kein Interesse an einer Serienproduktion. Der Designer legt einen Spider auf Basis des Opel Kadett A nach. Aber auch die Rüsselsheimer entscheiden sich gegen die Serienproduktion.

Geld verdient Frua bei Volvo, Maserati und Glas!

Geld für diese Projekte verdient das „Studio Technico Pietro Frua“ unter anderem mit Volvo. Gemeinsam mit Volvo-Designer Pelle Petterson entsteht der Volvo P1800. Auch Maserati bleibt Pietro Frua treu. Der Designer entwirft die Karosserie für den aufregenden Maserati Mistral und kleidet die erste Serie des Maserati Quattroporte ein. Besonders die Sportlimousine gilt heute als Klassiker, der auch wegen seines Designs begeistert.

1963 startet die Zusammenarbeit mit Glas im bayrischen Dingolfing. Pietro Frua kleidet für den Goggomobil-Hersteller zunächst die Limousine Glas 1700 und dann den eleganten Zweitürer Glas GT ein. Doch besonders der 1965 auf der IAA präsentierte Gran Turismo Glas V8 begeistert bis in die Gegenwart. Die Linienführung des Glas V8 erinnert an zeitgenössische italienische Sportwagen. Deshalb nennen die Fans der Marke Glas das Coupé bis heute „Glaserati“.

BMW 2002 GT4 Frua
BMW 2002 GT4 Frua – Foto: BMW

Nach der Übernahme der Hans Glas GmbH durch BMW versucht Pietro Frua, mit den Münchenern ins Geschäft zu kommen. Als Bewerbung entsteht mit dem BMW 2002 GT4 Frua ein wunderbares viersitziges Coupé. Doch nach der Premiere der Studie 1970 auf dem Pariser Automobilsalon wird es schnell still um den Entwurf. Denn BMW zeigt an einer Serienproduktion kein Interesse. Der GT4 Frua paßt Anfang der 1970er-Jahre einfach nicht in Programm. 

Statt des Autobauers kauft ein Schweizer das Einzelstück. Erst 32 Jahre später wird sie Bestandteil der historischen BMW-Sammlung. Von Zeit zu Zeit zeigt der Autobauer die Studie bei Oldtimer-Veranstaltungen. Es ist fast schon ironisch, dass ausgerechnet ein Autobauer an eine Zeit erinnert, in der noch unabhängige Karosseriebauer regelmäßig Autos neu einkleideten. Heute gibt es dies so gut wie gar nicht mehr.

In den 1960er-Jahren beginnt der Niedergang!

Die komplexe Technik moderner Autos und die umfangreichen Zulassungsvorschriften brachten diesen Markt fast völlig zum Erliegen. Pininfarina und der japanische Industriedesigner Ken Okuyama stellen regelmäßig Studien vor, die anschließend zumindest manchmal an Kunden gehen. In Russland baut Bilenkin Classic Cars den M3 von BMW zu etwas barocken Luxusmobilen um. Wobei diese aussehen, als wäre Pietro Frua noch aktiv. Denn sie verwenden Gestaltungselemente, die auch der Altmeister nutzte.

Ansonsten fallen mir kaum noch klassische „Custom Coachbuilder“ ein, die heute noch tätig sind. Das Ende der Karriere von Pietro Frua ist exemplarisch für den Niedergang dieser Szene. Nach dem Scheitern des BMW 2002 GT4 Frua wendet sich dessen Erbauer dem US-Autobauer Ford zu. Es entstehen die Studien Ford Escort GT „Monte Carlo“ und Ford Mexico GT Frua. Bei ihnen nutzt der Designer modifizierte Karosserien des Glas GT und rüstet sie mit der Technik des Ford Escort aus. Doch Ford zeigt kein Interesse an dieser Zweitverwertung.


Ausgewählte Schöpfungen von Pietro Frua:


Auch wenn Pietro Frua immer wieder versucht, mit großen Autobauern ins Geschäft zu kommen. Schon in den 1960er-Jahren lebt der Designer auch davon, Einzelstücke für betuchte Kunden zu bauen. Für Kunden wie den Aga Kahn oder Schweizer Bankdirektoren entstehen aufregende Fahrzeuge. Auch an der Gestaltung des Sportwagens Ligier JS1 wirkt der Designer mit. In den 1970er-Jahren verlegt Pietro Frua seinen Workshop nach Moncalieri. Maserati bleibt dem Designer treu. Beim 1976 vorgestellten Gran Tourismo-Coupé Maserati Kyalami ist Pietro Frua letztmals für das Design eines ganzen Fahrzeugs verantwortlich.

1982 diagnostizieren die Mediziner eine Krebserkrankung. In Juni 1983 verstirbt Pietro Frua. Neben zahlreichen Serienmodellen entwarf der Designer viele teilweise spektakuläre Konzeptstudien und Einzelstücke. Die Mehrzahl dieser rund 200 Entwürfe trägt eine eindeutige Handschrift, die sich klar ihrem Schöpfer Pietro Frua zuordnen lässt. Das ist ein eindrucksvoller Nachlass.

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Themen in diesem Artikel:

Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!