Auto-Erinnerungen

24. April 1961 – Premiere des Citroën Ami 6

Im April 1961 stellte Citroën seinen neuen Citroën Ami 6 der Presse vor. Damit schloss der Autobau die bisher im eigenen Programm klaffende Lücke.

Zur Citroën Ami 6 gehört die ungewöhnlich gestaltete Heckscheibe.
Zur Citroën Ami 6 gehört die ungewöhnlich gestaltete Heckscheibe.

Denn in den 1950er-Jahren verdiente Citroën sein Geld vor allem mit dem 2CV. Der Kleinwagen galt in diesen Jahren das französische Volksauto. Darüber rangierte im Programm des Autobauers mit der Citroën DS nur eine revolutionäre Oberklasse-Limousine. Mit zunehmenden Wohlstand der Bevölkerung wurde diese Lücke immer häufiger zum Problem. Denn wer der „Ente“ entwuchs, der fand bei Citroën oft kein passendes Angebot. Der Sprung zur „Göttin“ war in der Regel viel zu groß.

Bereits Mitte der 1950er-Jahre gab Pierre Bercot seinen Entwicklern ein umfangreiches Pflichtenheft vor. Der Citroën Generaldirektor wollte mit einem rund vier Meter langen Modell in der unteren Mittelklasse die Lücke schließen. Im Pflichtenheft standen Platz für mindestens vier Mitfahrer und ein großer Kofferraum. Die ersten Entwürfe der Ingenieure basierten auf einer abgespeckten DS. Doch es stellte sich schnell heraus, dass sich ein solches Projekt nicht wirtschaftlich realisieren lassen würde.

1957/1958 kam es zum Neustart des Projekts!

Citroën entschloss sich, als Basis der neuen Mittelklasse-Limousine die Technik des 2CV zu verwenden. Zunächst passten die Entwickler die revolutionäre Einzelradaufhängung der Ente an die Bedürfnisse einer schwereren Karosserie an. Für den Einsatz in der Mittelklasse vergrößerten die Techniker zudem den Hubraum des luftgekühlten Zweizylinder-Boxer-Motors auf 602 cm³, womit das Aggregat der Ente nun 19,5 PS leistete. Das reicht, weil das fertige Modell nur 610 Kilogramm Gewicht auf die Waage bringen wird.

Bereits 1959 sickerte durch, dass Citroën an einem neuen Fahrzeug arbeiten würde. Die Auto-Zeitschrift „L‘ Auto-Journal“ berichtete unter dem Titel „Alles über den neuen 3CV Citroën – eine sensationelle Dokumentation“ ausführlich über die Entwicklung. Der Artikel enthielt sogar detaillierte Zeichnungen der Prototypen. Weshalb der Autobauer umgehend Strafanzeige wegen Industriespionage erstattete. Die Behörden stellten das Verfahren allerdings schnell wieder ein. Weshalb bis heute offen ist, wer die Zeitschrift tatsächlich mit den notwendigen Informationen versorgte.

Am 24. April 1961 feiert der Citroën Ami 6 Premiere

Im April 1961 geht Citroën offiziell an die Öffentlichkeit und präsentiert das neue Modell als „Citroën Ami 6“. Wobei der Name auf ein Wortspiel zurückgeht. Denn „L‘ Ami Six“ klingt auf französisch wie „la Missis“ – zu deutsch: das Fräulein. Damit folgt Citroën der Erkenntnis, dass Frauen Anfang der 1960er-Jahre auch auf dem Automarkt inzwischen eine ernstzunehmende Zielgruppe darstellen. Ganz der Tradition der Marke folgend, setzt der französische Autobauer auch beim Design des Citroën Ami 6 auf viel Eigenständigkeit. Schon beim ersten Blick fällt die ungewöhnlich nach innen geneigte Heckscheibe auf.

Eine Lösung, die bereits 1959 den Ford Anglia 105E schmückte. Citroën entwickelt die Idee weiter. Designer Flaminio Bertoni bezeichnete das ungewöhnliche Design des Ami 6 übrigens als sein Meisterstück. Eine Meinung, die sicher nicht alle Autofreunde uneingeschränkt teilen. Schließlich war der italienische Auto-Designer von 1932 bis 1964 für Citroën tätig. In dieser Zeit kleidete Bertoni auch die Citroën-Modelle Traction Avant (1934), 2CV (1936) und DS (1955) ein.

Citroën Ami 6 Break von 1964
Ende 1964 stellte Citroën dem Ami 6 den Kombi Citroën Ami 6 Break zur Seite. (Foto: Citroën)

Speziell für den Ami 6 konstruierte Cibie die markanten rechteckigen Scheinwerfer. Wobei sie nicht nur ein Designgag sind. Denn sie boten eine deutlich höhere Lichtausbeute als konventionelle runde Scheinwerfer. Während die Entwickler bei der Technik des Ami 6 auf die Ente zurückgriffen, orientierten sie sich im Innenraum stark an der DS. Mit dieser Mischung war der Ami 6 trotz anfänglicher Kritik praktisch sofort erfolgreich.

Wobei Citroën von Anfang an konsequent auf Schwachstellen reagierte, um das Fahrzeug zu verbessern. 1963 und 1968 steigerte der Autobauer zudem zweimal die Leistung des Zweizylinders. Womit späte Ami 6 sogar über 32 PS verfügten. Alles zusammen trug zum Erfolg des ersten Modells von Citroën in der unteren Mittelklasse bei. Mitte der 1960er-Jahren führte der Ami 6 in Frankreich sogar zeitweise die Zulassungszahlen an. Dabei half auch, dass es ab Ende 1964 mit dem Citroën Ami 6 Break auch einen Kombi gab.

Heute sind Citroën Ami 6 selten!

In Deutschland tat sich der Franzose wohl auch wegen seines unkonventionellen Designs dagegen immer etwas schwer. Zudem war der Automarkt vor fünf Jahrzehnten noch deutlich nationalistischer als heute. Ab dem Frühjahr vertrat der Ami 8 mit einer weiterentwickelten Karosserie Citroën in der unteren Mittelklasse. Bis zum Wechsel des Modells setzte der Autobauer etwas mehr als eine Million Exemplare des Ami 6 ab. Heute ist es schwierig zu schätzen, wie davon noch existieren.

Das Interesse am ersten Mittelklasse-Modell von Citroën liegt deutlich unter dem, was Fans den bekannten (und länger gebauten) Citroën-Modellen 2CV und DS entgegenbringen. Aber eigentlich ist der 60. Geburtstag doch eine gute Gelegenheit, um das zu ändern.


Infos zum Titelbild dieses Beitrags:
Zur Citroën Ami 6 gehört die ungewöhnlich gestaltete Heckscheibe.

Foto: Tom Schwede

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Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!

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