Rennsport-Geschichten

Wie sich Hubert Hahne mit seinem March 701 in der Formel 1 blamierte!

Die Formel 1 ist bis heute das Ziel vieler Motorsportler. Nach einigen erfolgreichen Jahren in anderen Kategorien des Motorsports wollte 1970 auch Hubert Hahne in der Königsklasse antreten. Dazu erwarb der erfolgreiche Tourenwagen-Pilot bei March einen Formel 1-Rennwagen. Doch der Versuch diesen March 701 beim Großen Preis von Deutschland zu qualifizieren, misslang deutlich. Es folgte eine peinliche Posse, die schließlich ein Test in Silverstone beendete.

Hubert Hahne im March 701
1970 erwarb Hubert Hahne einen March 701. Das sah nach einem soliden Plan aus, um in der Formel 1 zu starten. Denn der March 701 bewies seit Anfang des Jahres bereits regelmäßig seine Formel 1-Tauglichkeit. Doch in Hockenheim verpaßt Hubert Hahne mit seinem March 701 die Qualifikation. (Foto: Archiv AutoNatives.de)

Hubert Hahne stieg 1960 in den Rennsport ein. Da lag hinter dem 25-Jährigen bereits eine solide Berufsausbildung. Denn zunächst absolvierte der Sohn eines Tabakgroßhändlers eine Lehre im väterlichen Betrieb. Anschließend begann der junge Mann zusätzlich noch eine Lehre als Kfz-Mechaniker. Besonders im Tourenwagen machte sich der – aus heutiger Sicht – motorsportliche Späteinsteiger schnell einen Namen. Schon 1963 gewann Hahne mit einem BMW 700 die Klasse im vom deutschen Willy Stenger maßgeblich organisierten Tourenwagen-Europapokal.

Hubert Hahne knackte an Nürburgring im Tourenwagen die Marke von zehn Minuten!

Ein Jahr später dominierte der Rennfahrer aus Moers mit einem BMW 1800 Ti die Deutsche Rundstrecken-Meisterschaft. 14 der 16 Rennen des Jahres 1964 gewann Hahne. 1966 umrundete Hahne mit einem BMW 2000 Ti als erster Tourenwagen-Pilot die Nordschleife des Nürburgrings in weniger als zehn Minuten. Das Buch „Schnell um den Nürburgring“, das diese Heldentat ausführlich beschreibt, wurde anschließend zur Pflichtlektüre vieler Motorsportler. Denn Hubert Hahne verstand es immer großartig sich zu vermarkten. Die Geschichte über die Geschäfte des Rheinländers reichen für zahlreiche eigene Artikel. Doch wir konzentrieren uns fürs Erste aufs Sportliche.

Hubert Hahne 1964 im BMW 1800 Ti
1964 dominierte Hubert Hahne mit dem BMW 1800TI die Deutsche Rundstrecken-Meisterschaft. Der Rennfahrer aus Moers gewann 14 der 16 Läufe. (Foto: BMW)

Hahnes Ruf als Nordschleifen-Spezialist reichte offenbar auch bis nach Ockham bei London. Als beim Großen Preis von Deutschland auf der Nordschleife die Formel 2 das Feld auffüllen durfte, vertraute Ken Tyrrell dem Deutschen seinen Matra MS5 mit B.R.M. Motor an. Doch im Training fuhr Hahne auf „seiner Strecke“ dem Teamkollegen Jacky Ickx gleich um satte 24 Sekunden hinterher. Das war ernüchternd. Auch wenn den MS5 von Ickx ein – besserer – Ford Cosworth SCA antrieb. Zudem trat der Belgier bereits seit Jahresbeginn in der „Trophées de France“ für Tyrrell mit dem französischen Einbaum an, kannte das Auto sicher besser als Hahne.

Für die Formel 1 erwarb Hahne einen March 701

Als BMW 1967 die Formel 2 für sich entdeckte, verpflichteten die Bayern trotzdem Hubert Hahne. Mit einem zweiten Platz beim EM-Rennen am Nürburgring unterstrich der Deutsche seine Fähigkeiten auf der Nordschleife eindrucksvoll. Als Hahne 1969 mit zwei Saisonsiegen auf den zweiten Platz der Europameisterschaft fuhr, galt der Deutsche endgültig als etablierter Monoposto-Pilot. Der Aufstieg in die Formel 1 erschien logisch. Doch Hahne fand kein Cockpit. So entstand der Plan, es in der Königsklasse in Eigenregie zu versuchen. Bei March erwarb Hubert Hahne den passenden Rennwagen.

Lola T102 / BMW T102
Ab 1967 fuhr Hubert Hahne für BMW in der Formel 2. Dort fuhr der Rennfahrer aus Moers 1969 auf den zweiten Platz der Formel 2-Europameisterschaft. Damit galt der Deutsche als Kandidat für die Königsklasse. Doch dort wollte niemand dem Deutschen ein Cockpit geben. (Foto: Archiv: AutoNatives.de)

Es war bis in die 1970er-Jahre nicht ungewöhnlich, dass Teams mit einem gekauften Chassis in der Königsklasse antraten. Was für ein wohltuender Gegensatz zu heute. Denn inzwischen muss ein Team ein eigenes Auto bauen (lassen) und die ganze Saison antreten. Dazu kommt ein dreistelliger Millionenbetrag für die anderen Teams, um überhaupt mitfahren zu dürfen. Insgesamt dürfte der Start in der Formel 1 heute mindestens eine halbe Milliarde erfordern. Sofern jemand überhaupt eine der raren „Eintrittskarten“ bekommt. Hubert Hahne zahlte im Sommer 1970 rund 160.000 Mark für seinen Rennwagen. Das entspricht heute einer Kaufkraft von circa 355.000 Euro. Das Geld stammte übrigens teilweise vom Verleger Axel Springer.

Die Qualifikation in Hockheim misslang!

Mit der Startnummer 26 wollte Hubert Hahne beim Großen Preis von Deutschland in Hockenheim sein Debüt feiern. Denn die Presse nahm die Geschichte dankbar auf. Wobei sicherlich half, dass Hahne mit der Schauspielern Diana Körner verheiratet war. Der Rennfahrer und die Schöne, die später für den Playboy posierte, das versprach viel Glamour. Entsprechend umfangreich füllten Berichte über die Zwei die Spalten der Gazetten. Um so größer war die Ernüchterung als Hahne in der Qualifikation nur 2:07,1 Minuten fuhr. Denn damit war Hubert Hahne im March 701 mit Abstand Letzter.

Mario Andretti im March 701
Mit insgesamt elf Fahrzeugen war der March 701 für March wirtschaftlich eine Erfolgsgeschichte. Neben dem Werksteam traten auch Tyrrell, das Antique Automobiles Racing Team von Colin Crabbe, Andy Granatelli und sein „STP Oil Treatment Special“ sowie die Proivatfahrer Hubert Hahne, John Love und Mike Beuttler einen March 701 an. Dabei steuern mit Piloten wie Jackie Stewart und Ronnie Peterson echte Rennsportgrößen den britischen Rennwagen. (Foto: Archiv AutoNatives.de)

Auf Jo Siffert, der für das Werksteam von March antrat, fehlten Hahne mehr als sieben Sekunden. 204,522 km/h betrug das Durchschnittstempo von Jacky Ickx, der den Hockenheimring im Ferrari 312B als Schnellster des Trainings umrundete. Auf 203,670 km/h kam Jo Siffert. Hubert Hahne fiel mit einem durchschnittlichen Tempo von 192,293 km/h deutlich ab. Im Anschluss erklärte der Deutsche den Journalisten empört, dass March ihm einen „halben Schrotthaufen verkauft“ habe. Lenkung und Bremsen seien in einem katastrophalem Zustand, der Motor verbrauche Unmengen von Öl, so Hahne.

Hubert Hahne sah die Schuld für die Blamage im Zustand des March 701!

Auch Gattin Diana Körner ätzte vor der Presse über den Betrug des britischen Rennwagen-Herstellers. March-Chef Max Mosley, der später Präsident des Automobil-Weltverbands werden sollte, hielt dagegen. Mosley plauderte vor der Presse aus, dass Hahne noch 14.000 Mark Schulden bei March habe. Zudem habe der Rennfahrer bereits im Mai – also gut drei Monate vor dem Grand Prix – vom Vertrag zurücktreten wollen. Später habe sich die Abwicklung verzögert, da Hahne seine Zahlungen nur zögerlich leistete.

Daher – so Mosley – wurde am Ende die Zeit etwas knapp. Denn zwischenzeitlich arbeitete March, da Geld fehlte, nicht am March 701 des Deutschen. Erst am Montag vor dem Grand Prix holte Hahne seinen Rennwagen in Bicester ab. Für ernsthafte Testfahrten war zu diesem späten Zeitpunkt längst keine Zeit mehr. Trotzdem bemühte Hubert Hahne anschließend den Rechtsweg, um sein Geld zurückzubekommen. 132.500 Mark klagte Hahne bei March ein. Tatsächlich gelang es dem Anwalt des Deutschen, einen Titel zu erwirken.

Auf die Klage folgte eine Gegenklage!

In der Zwischenzeit bestritt das March Werksteam den Großen Preis von Österreich. Auf dem Heimweg beschlagnahmte ein Gerichtsvollzieher bei Aachen den Lkw des Teams. Alan Rees, Mitbesitzer von March, kann den Lkw und dessen Inhalt mit Bargeld auslösen. Erst dann darf das Team weiterreisen. Max Mosley startet derweil die Gegenoffensive. Denn durch das Festsetzen in Aachen kann das Team nicht am Rennen in Oulton Park teilnehmen. Das Rennen zählt zwar nicht zur Automobil-Weltmeisterschaft. Doch der Veranstalter lockt mit einem satten Preisgeld, das March entgangen sei. Mosley kontert und verlangt nun von Hahne Schadensersatz.

Erwin Derichs aus Mayen im March 701
Der March 701 mit der Chassisnummer 9 kam später zu Erwin Derichs aus Mayen. Deichs trat mit dem March 701 über Jahre in der historischen FIA-F1-Meisterschaft an. In der Zeit bei Derichs trug der March ein weißes Kleid. (Foto: Archiv AutoNatives.de)

Den findigen Anwalt, der hervorragend Deutsch sprach, stören auch die in seinen Augen rufschädigenden Aussagen von Hubert Hahne. Sie bieten einen Grund für weitere Forderungen. Auch March-Pilot Chris Amon, der den festgehaltenen March beim Oulton Park International Gold Cup steuern sollte, meldet Schadenersatz-Ansprüche an. Gut einen Monat lang berichtet die Boulevardpresse regelmäßig von neuen – gegenseitigen – Anschuldigungen. Dann wird es plötzlich still um die Sache. Denn die Parteien einigen sich auf einen Deal. Ronnie Peterson darf den Hahne-March in Silverstone testen.

Wenn der Bauer nicht schwimmen kann, dann ist es immer die Badehose!

Die Parteien einigen sich: Erreicht der Schwede dabei konkurrenzfähige Zeiten, dann ziehen beide Seiten ihre Klagen zurück. Und tatsächlich, Peterson benötigt nur wenige Runden, um im Hahne-March schneller als mit seinem eigenen March 701 zu fahren. Max Mosley sagte später einmal über diesen Testtag, dass Hahne dort wohl erkannte, dass das Problem nicht sein Auto war. Denn Ronnie Peterson konnte im Hahne-March die Woodcote-Kurve, die damals keine Schikane unterbrach, voll fahren. Hahne gelang dies nicht. So verschwand das Thema „Hahne versus March“ endgültig aus der Presse. Am Ende des Jahre beendete Hubert Hahne seine Motorsport-Laufbahn.

March 701 von Hubert Hahne
Inzwischen ist der March 701 von Hubert Hahne in Österreich zu Hause. Auch sein aktueller Besitzer führt den Rennwagen – wie hier in Hockenheim – regelmäßig auf der Rennstrecke aus. Inzwischen verfügt der Rennwagen wie über die Farbgebung, die auch Hahne nutzte. (Foto: Archiv AutoNatives.de)

Der Rennwagen verblieb bei Hahne, der ihn 1971 zweimal an Jean-Pierre Jarier vermietete. Der Franzose bestritt mit dem Rennwagen das Formel 1-Rennen in Oulton Park. Dort kommt Jarier mit sechs Runden Rückstand auf den Sieger John Surtees ins Ziel. Auch am WM-Lauf in Monza nahm Jarier mit dem Rennwagen teil. Dort fiel der March 701 allerdings aus. Später erwirbt Erwin Derichs aus Mayen den Rennwagen. 35-mal geht der Deutsche mit dem March 701 in der historischen FIA-F1-Meisterschaft an den Start. Anschließend kauft ein Österreicher, der ihn bis heute regelmäßig einsetzt, den Rennwagen.


Infos zum Titelbild dieses Beitrags:
1970 erwarb Hubert Hahne einen March 701. Das sah nach einem soliden Fahrzeug aus, um in der Formel 1 zu starten. Doch der Fahrer verpaßt mit seinem Rennwagen die Qualifikation.

Foto: Archiv AutoNatives.de

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Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!

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