Der Sechzehnzylindermotor von BMW war der heimliche Star der Techno Classica 2024! Zusammen mit ihm zeigte BMW eine bisher unbekannte Oberklasse-Limousine. Diese war 1990 kein Gedankenspiel zur nächsten 7er-Generation. Denn die Bayern sahen den Sechzehnzylinder wohl eher in einer über dem 7er positionierten Repräsentations-Limousine. BMW entschied sich anders, der Prototyp blieb ein Einzelstück. Doch als Ausstellungsstück inspirierte uns der Motor. Denn unsere Autoren Fabian und Tom fragten sich, wo es sechzehn Zylinder im Auto gab.
Das erste Auto, das Karl Benz 1886 zum Patent anmeldete, trieb ein Motor mit „nur“ einem Zylinder an. Doch die Entwicklung schritt in den folgenden Jahren in großen Schritten voran. Schnell setzte sich der Vierzylinder als Standardmotor des Autos durch. Denn vier Zylinder sind ein guter Kompromiss zwischen Leistung und Preis. Die Kunden, die sich mehr Komfort, Laufruhe, Leistung oder Prestige wünschen, bedienen Autobauer seither gern auch mit mehr Zylindern. Reihenmotoren mit sechs oder auch acht Zylindern galten bald als Luxus-Motoren.
Mehr Zylinder sorgen für Laufruhe!
Dahinter steckte eine einfache Überlegung. Wenn sich mehr Zylinder die Arbeit teilen, dann klingt der Motor ausgewogener. Denn irgendwann gehen die auf das Zünden des Gemischs folgenden Explosionsgeräusche scheinbar ineinander über. Das menschliche Ohr kann sie nicht mehr auseinanderhalten. Zudem gleichen sich die Massenkräfte des Motors aus. Deshalb nehmen wir Mehrzylindermotoren als ruhiger wahr. Doch weil solche Motoren immer länger wurden, stellten findige Techniker bald zwei Motoren nebeneinander. Fertig war der Zwillingsmotor.
Um Gewicht zu sparen, verloren diese Zwillingsmotoren bald eine ihrer Kurbelwellen. Fertig war der V-Motor! Für den Einsatz in Flugzeugen dachten die Techniker diese Idee zum X-Motor weiter. Das reduzierte nochmals die Baulänge und führte schließlich zum Sternmotor. Bei ihm ordneten findige Tüftler alle Zylinder nebeneinander im Kreis an. Die Länge der Kurbelwelle schrumpft auf das absolute Mindestmaß. Gleichzeitig legt die mögliche Drehzahl zu. Denn die maximal mögliche Drehzahl hängt – anders als bei langen Reihenmotoren – kaum noch von der Kurbelwelle ab.
Der 16-Zylinder ist die absolute Spitze – im Autobau!
Auch im Auto gab es Prototypen mit Sternmotoren. 1932 entwickelte Porsche für Zündapp einen „Volkswagen-Prototyp“. Ihn trieb ein 5-Zylinder-Sternmotor an. Doch bei Probefahrten gab es Probleme mit der Motorkühlung. Ein Problem, das die Flieger von Sternmotoren schon kannten. Denn ein asymmetrischer Luftstrom sorgt gerne dazu, dass nicht immer alle Zylinder eines Sternmotors mit der gleichen Temperatur arbeiten. So beschränkten sich die Autobauer auf Reihen- und V-Motoren sowie die Sonderform des Boxermotors.
Schon 1929 präsentierten Bugatti und Maserati die ersten Sechzehnzylinder. Wobei im Bugatti T-45 zwei Achtzylinder auf einer gemeinsamen Ölwanne standen. Weshalb Ettore Bugatti seinen Sechzehnzylindermotor offiziell U-16 nannte. Auch der Maserati V4 verfügte über einen solchen Zwillingsmotor mit zwei Kurbelwellen. Über Zahnräder führten Bugatti und Maserati die Kraft ihrer beiden Motorblöcke zusammen. In den USA waren die Techniker da schon etwas weiter. Denn etwa zeitgleich entstand bei Cadillac ein richtiger V-Motor mit 16 Zylindern.
Cadillac verkaufte mehr Sechzehnzylinder als jeder andere Autobauer!
Ab 1930 gab es diesen sogar im Cadillac V16 Series 452 regulär zu kaufen. Dessen V16 hatte einen Zylinderwinkel von 45° und einen Hubraum von 7,4 Litern. Dieser V16 blieb auch an Bord, als Cadillac Series 452 durch Series 90 ersetzte. 1938 folgte ein neuer V16 mit 135° Zylinderwinkel und sieben Litern Hubraum. Doch der Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg erforderte eine Neuausrichtung der Produktion. General Motors stellte den Cadillac V16 im Sommer 1940 ersatzlos ein. Von beiden Generationen des Cadillac V16 entstanden in einer Dekade rund 4.300 Exemplare.
Cadillac lieferte auf Wunsch – neben den eigenen Karosserieversionen – auch reine Chassis. Daher nutzen einige unabhängige Karosseriehersteller den V16 für ihre Schöpfungen. In Lausanne in der Schweiz entstand das aufregende Cadillac V16 Hartmann Cabriolet. Rund um dieses Fahrzeug ranken sich viele Mythen. So schreiben es bis heute immer wieder Berichte dem Karosseriebauer Figoni & Falaschi zu. Losgelöst davon verkaufte bis heute kein Autobauer mehr Sechzehnzylinder als Cadillac, das vor gut 90 Jahren tat.
Denn später blieben 16 Zylinder Rennwagen und Supersportlern vorbehalten!
Zu den bekanntesten Vertretern der kleinen, aber feinen Fraktion der Sechzehnzylinder gehören die Grand Prix Wagen der Auto Union. Sie kämpften ab 1934 in der Grand Prix-Europameisterschaft um Siege und Titel. Zwei Jahre später sicherte sich der unvergessene Bernd Rosemeyer mit dem Auto Union-Rennwagen Typ C die Grand Prix Europameisterschaft. Möglicherweise von den Erfolgen der Auto Union inspiriert versuchte sich ab 1938 auch Alfa Romeo am Motor mit sechzehn Zylindern. Doch der Zweite Weltkrieg verhinderte auch in diesem Fall eine längere Weiterentwicklung.
Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg trat B.R.M. mit einem V16 in der neuen Formel 1-Weltmeisterschaft an. Der nur 1,5 Liter große aufgeladene V16 des britischen Teams galt als stärkster Motor seiner Zeit. Trotzdem kam der V16 von B.R.M. nicht über einen fünften Platz – herausgefahren 1951 beim Heimspiel in Silverstone – hinaus. Dem Motor des britischen Rennstalls fehlte die notwendige Zuverlässigkeit für größere Erfolge. Ab 1952 schrieb die CSI als Sportkommission im Automobil-Weltverband ihre WM für Fahrzeuge der Formel 2 aus. Der V16 von B.R.M. gehörte damit zum Alteisen.
Auch beim H16 lief es für B.R.M. nicht besser!
Von 1961 an fuhr die Formel 1 mit 1,5 Liter großen Saugmotoren. Das Team der Industriellenfamilie Owen baute dafür einen 180°-V-Achtzylinder. Mit diesem P56 genannten Motor sicherte sich Graham Hill 1962 den Titel des Formel 1-Weltmeisters. Auch in den folgenden Jahren gewannen der Brite und 1965 auch Jackie Stewart mit diesem Achtzylinder weitere Grand Prix. 1963 bis 1965 schloss Graham Hill dreimal die Weltmeisterschaft auf dem undankbaren zweiten Platz ab. Der Motor von B.R.M. galt als zuverlässig und leistungsstark.
Doch inzwischen gab es Straßenfahrzeuge, deren Motoren die der Rennwagen der Königsklasse übertrafen. So beendete die CSI die 1,5 Liter-Ära der Formel 1 und verdoppelte ab 1966 den erlaubten Hubraum auf drei Liter. B.R.M. dachte praktisch und kombinierte zwei seiner Achtzylinder zu einem H-16 genannten Zwillingsmotor. Das klang zunächst nach einer guten Idee, funktionierte in der Realität der Formel 1- Weltmeisterschaft jedoch nicht. Der Motor war schwer und unzuverlässig. B.R.M. gewann erst wieder Grand Prix, als der H16 einem konventionellen V12 wich.
Auch bei Coventry Climax und Porsche hatten 16-Zylinder keine Zukunft!
Schon vor B.R.M. versuchte sich in der Formel 1 auch Coventry Climax an 16 Zylindern. Seit den 1950er-Jahren belieferte der Motorenbauer Teams der Königsklasse mit Motoren. Die ersten eingesetzten Triebwerke stammten vom Motor einer Feuerwehrspritze ab. Doch bald entstanden bei Coventry Climax reine Rennmotoren. 1963 debütierte ein 1,5 Liter großer V8-Motor. Zwei Jahre später entstand mit dem Coventry Climax FWMW ein gleich großer 16-Zylinder-Boxermotor. Doch das Triebwerk war zu schwer und verbrauchte zu viel. Deshalb nahmen Lotus und Brabham Abstand vom Einsatz. Es blieb bei Testfahren.
1970 gewann Porsche endlich erstmals die 24 Stunden von Le Mans. Parallel dazu sollte der Porsche 917 auch in Nordamerika den Ruhm des Stuttgarter Autobauers mehren. Doch in der CanAm-Serie hingen die Trauben hoch. Die Bruce & Denny-Show von McLaren zeigte Porsche die Grenzen auf. Ferdinand Piëch antwortete mit einen 16-Zylinder. Damit folgte der Ingenieur dem Vorbild des eigenen Großvaters, dessen Konstruktionsbüro einst hinter den Rennwagen der Auto Union stand. Doch der Porsche 917 mit 16 Zylindern kam über Testfahrten nicht hinaus. Porsche stattete stattdessen lieber seinen bewährten Zwölfzylinder mit zwei Turboladern aus, schuf einen der stärksten Rennwagen aller Zeiten und dominierte die CanAm-Serie.
Mit der Ölkrise wurden große Motoren – in Europa – selten!
Mit der Ölkrise gerieten große Motoren aus der Mode. Die Mehrzahl der produzierten Autos beschränkt sich seitdem auf vier Zylinder. Allenfalls auf Märkten wie in den USA oder auch Australien blieb der V8 immer ein nennenswertes Thema. Immerhin, im Luxus und Sportwagen-Segment hält Ferrari seit 1947 durchgängig die Flagge des V12 hoch. 1963 folgte Lamborghini diesem Beispiel. Ab 1971 bot auch Jaguar einen V12 an. Wobei die Stückzahlen dieser Motoren überschaubar blieben. Das blieb auch so, als BMW 1987 dem Kreis der Zwölfzylinder-Produzenten beitrat. Denn auch der V12 der Bayern war mehr Imageträger als Stückzahlengarant.
Schließlich bot BMW als erster deutscher Autobauer nach dem Zweiten Weltkrieg zwölf Zylinder an. Das forderte auch Daimler-Benz heraus, verstand sich der Erfinder des Autos doch traditionell als Spitze des Autobaus. Die Stuttgarter antworteten 1991 im unglücklichen W140 mit einem eigenen Zwölfzylinder. Zu diesem Zeitpunkt dachte BMW noch einen Schritt weiter. Denn die Bayern überlegten, ihr Angebot mit einem Sechzehnzylinder nach oben abzurunden. Bereits Ende der 1980er-Jahre erprobte BMW einen V16 im 7er der Baureihe E32 (1986 bis 1994). Dort passte der V16 nur ins Auto, weil die Techniker die Kühler in den Kofferraum verpflanzten.
Der Prototyp mit Sechzehnzylindermotor von 1990 ging einen Schritt weiter!
Um den in den Kofferraum verlegten Kühlern Luft zuzuführen, bekam der Prototyp seitliche Kiemen. Zusammen mit der Lackierung sorgte das dafür, dass der E32 mit V16-Motor den Spitznamen „Goldfisch“ bekam. 2017 – zum 30. Geburtstag des E32 – zeigte den „Goldfisch“ ebenfalls auf der Techno Classica. Dessen V16-Motor leitete Entwickler Adolf Fischer vom M70 genannten V12 ab. Dafür kürzte Fischer einen M70 um die beiden vorderen Zylinder. Bei einem zweiten Motor schnitt der Ingenieur die beiden hinteren Zylinder ab.
Anschließend fügte Fischer die jeweils längeren Stücke der zerschnittenen Motoren zu einer Zylinderbank mit acht Zylindern zusammen. Das passende Kurbelgehäuse und die Zylinderköpfe goss BMW neu. Nach Prüfstandversuchen und dem Test im „Goldfisch“ entstand 1990 gleich ein ganzes Auto speziell für den Sechzehnzylinder. Ein – von BMW bisher nicht benannter – italienischer Karosseriebauer baute die Aluminiumkarosserie des Einzelstücks. Dessen Gestaltung stammt von Designer Boyke Boyer. Sie ist an einigen Stellen genauso „rätselhaft“, wie sein Designer.
Wer war Boyke Boyer?
Denn über Boyer ist – im Vergleich zu anderen Designern – relativ wenig bekannt. Der Österreicher, Jahrgang 1942 studierte in Wien an der Akademie der bildenden Künste. Anschließend arbeitete Boyer zunächst bei Ford in Köln. 1978 holte der damalige BMW-Chefdesigner Claus Luthe den Österreicher nach München. Dort arbeitete Boyer am Dreier der Generation E30 mit. Bei dessen Nachfolger der Generation E36 gilt das Coupé heute als Boyer-Schöpfung. Auch den Siebener der Generation E38 kleidete der Designer ein. Doch die Baureihe E38 debütierte erst vier Jahre nach dem Bau des von Boyke Boyer gestalteten Prototypen mit V16-Motor.
Wer das 5,45 Meter lange Einzelstück mit den beiden BMW 7ern vergleicht, der findet Details von beiden Generationen! BMW-Kennern fällt zudem auf, dass beim Prototyp die Motorhaube anders als damals bei BMW üblich öffnet. Sie ist nicht, wie das bei BMW lange Standard war, vorne aufgehängt. Eigenständig ist der hintere Teil des Aufbaus. Während die beiden Siebener ihre Größe mit einer abfallenden Linie kaschieren, bleibt die Dachlinie des Prototypen hier oben. Das erinnert an eine Repräsentations-Limousine. So können die Gäste in der zweiten Reihe erhobenen Hauptes einsteigen.
Plante BMW damals einen 9er?
Dazu passen auch die Abmessungen. Denn der Prototyp ist acht Zentimeter länger als die Langversion seines Seriennachfolgers. Einen kurzen E38 überragt der Prototyp sogar um 47 Zentimeter! In der Breite fehlen dem späteren Serienmodell vier Zentimeter. Bei der Höhe sind es mehr als sieben Zentimeter. Das lässt verschiedene Interpretationen zu. Dachte BMW damals über ein Fahrzeug oberhalb des 7ers nach? Oder hätte der BMW 7er so wachsen sollen? Beides ist denkbar. Doch ab 1991 floppte der W140 von Mercedes. Hauptkritikpunkt war dessen Größe. Gut möglich, dass das beim doppelten „Nein“ eine Rolle spielte.
Nach dem Bau des Prototypen stellte BMW die Überlegungen zum V16 bald ein. Die Bayern erkannten, dass der Motor nicht in die Zeit passte. Ähnlich sahen das auch die Verantwortlichen in Stuttgart. Denn auch bei Daimler-Benz kam damals ein im Rückblick sagenumworbener W18 nicht über das Stadium eines Prototypen hinaus. BMW verfolgte andere Pläne und arbeitete am Wachstum des eigenen Konzerns. Das erforderte Geld. So 1994 kaufte BMW in Großbritannien Rover und versenkte dort am Ende zehn Milliarden Deutsche Mark. Doch auch wenn BMW passte, gab es bald andere Sechzehnzylinder.
Ferdinand Piëch hatte weniger Skrupel und initiierte den ultimativen 16-Zylinder!
Ab 1991 entstanden vom Cizeta V16T – je nach Quelle – acht bis 13 Exemplare. Wobei dessen 16-Zylinder aus zwei zusammengesteckten V8 aus dem Lamborghini Urraco bestand. Er brachte seine Kraft über einen Mittelantrieb auf die Straße. 1999 stellte der VW-Konzern mit der Studie Bentley Hunaudières einen W16-Motor vor. Damals war Ferdinand Piëch Chef des VW-Konzerns. Mit solchen Projekten wollte der Enkel von Ferdinand Porsche die Kompetenz des von ihm geführten Unternehmens unterstreichen. Im Bugatti Veyron 16.4 nutzten seine Techniker den W16 des Konzerns für einen Supersportler.
Mit zunächst 1.001 PS Leistung war schon der Veyron der stärkste Sportwagen seiner Zeit. 2010 hob VW die Leistung des Motors mit mehr Ladedruck auf 1.200 PS an. Ab 2016 gab es im Bugatti Chiron sogar 1.600 PS. Damit legte der W16 von Volkswagen im Laufe seiner Produktionszeit satte 599 PS an Leistung zu. Die Produktion des Chiron lief im November 2023 aus. In diesem Jahr folgen noch 99 Bugatti W16 Mistral, dann endet die Laufbahn des Sechzehnzylindermotors bei Bugatti. Es ist – zumindest vorerst – auch das Ende von sechzehn Zylindern im Auto.