Zu den Themen, die uns hier regelmäßig beschäftigen, gehört die Gasturbine im Auto. Im Lotus 56 setzte auch Lotus auf eine Gasturbine. Mike Spence bezahlte den Einsatz mit seinem Leben. Der Brite verunglückte am 7. Mai 1968 im Training zu den 500 Meilen von Indianapolis mit dem Lotus 56 tödlich.
Aus heutiger Sicht waren die 1960er und 1970er-Jahre eine dunkle Epoche des Rennsports. Regelmäßig verunglückten Piloten schwer und zahlten für ihre Leidenschaft zum Sport einen hohen Preis. Besonders die Rennwagen von Lotus galten als Witwenmacher. Alan Stacey, Ricardo Rodríguez, Gary Hocking, Jim Clark, Mike Spence, Jochen Rindt und Ronnie Peterson verloren von 1960 bis 1978 ihr Leben am traditionell roten Lenkrad eines Lotus. Jochen Rindt sagte einmal „Entweder ich werde bei Lotus Weltmeister oder ich sterbe.“ Rindt brachte mit dieser Aussage auf den Punkt, dass die Rennwagen aus dem Team von Colin Chapman genauso schnell wie gefährlich waren.
Der in Mainz geborene Österreicher behielt schließlich mit beidem recht. Rindt starb 1970 in Monza in einem Lotus und wurde posthum Weltmeister. Neben dem Tod des Österreichs ist auch der tödliche Unfall von Jim Clark untrennbar mit der Marke Lotus verbunden. Denn der Schotte war der Megastar seiner Zeit und erklärter Lieblingsfahrer von Lotus-Chef Colin Chapman. Clark starb am 7. April 1968 bei einem Formel-2-Rennen in Hockenheim. Und – Motorsport kann zynisch sein – machte damit den Weg frei für den Start von Mike Spence in Indianapolis.
Indianapolis lockte mit Preisgeld und Ruhm
Colin Chapman wollte im Mai 1968 mit vier Fahrzeugen in Indianapolis antreten. Dort gab es schon vor gut 50 Jahren fette Preisgeldtöpfe. Schon 1965 gewann Jim Clark für Lotus die 500 Meilen von Indianapolis. Ein Jahr später verloren Clark und Lotus das Rennen knapp gegen Graham Hill in einem Lola. 1967 dominierte Parnelli Jones im STP-Paxton mit Gasturbine und Allradantrieb das Rennen. Probleme an der Kraftübertragung führten kurz vor Schluß zum Ausfall und verhinderten den sicher geglaubten Sieg der Gasturbine.
Teameigner Andy Granatelli, der über das Sponsorgeld des Schmierstoffherstellers STP verfügte, bat Lotus um die Konstruktion eines neuen Fahrzeugs für das Rennen 1968. Das Ergebnis war der Lotus 56 mit Gasturbine und Allradantrieb. Vier Fahrzeuge entstanden für das Rennen. Chapman und Granatelli sahen Jim Clark (Startnummer 60), Graham Hill (#70), Art Pollard (#20) und Greg Weld (#30) als Piloten vor. Doch durch den tödlichen Unfall von Clark wurde eines der Cockpits frei. Lotuschef Colin Chapman bot es Mike Spence an.
Der Brite galt als solider Rennfahrer und Allrounder, der praktisch bei allen sich bietenden Gelegenheiten ins Cockpit stieg. Mike Spence trat erstmals 1963 bei einem WM-Rennen der Forme 1 an. Daneben fuhr der Brite regelmäßig Sportwagen-Rennen. 1967 gehörte Mike Spence zum Chaparral Team von Jim Hall. Bei mehreren WM-Läufen sicherte sich Spence mit dem Chaparral 2F die schnellste Rennrunde, gewann zudem das BOAC 500 in Brands Hatch. Im Unglücksjahr 1968 hatte Spence einen Vertrag mit Alan Mann Racing als Pilot des Reinfalls Ford P68 (oder F3L).
Mike Spence fuhr in Indianapolis statt Jim Clark
Für Colin Chapman war die Verpflichtung von Mike Spence wohl eine logische Wahl. Denn Spence fuhr zuvor bereits in der Formel 1 für Lotus. Für den Piloten war der Start bei den 500 Meilen von Indianapolis eine gute Gelegenheit, endlich bei einem bedeutenden Rennen um den Sieg zu kämpfen. Denn dank des Sponsorgelds von STP war die Sache gut finanziert. Mit Lotus und Granatelli arbeiteten zwei Top-Teams zusammen und die Gasturbine schien überlegen.
So übernahm Mike Spence den im Lotus 56 von Jim Clark. Obwohl Mike Spence das erste Mal im Brickyard unterwegs war, drehte der Brite beim Training prompt die bis dahin schnellste dort gefahrene Runde. Spence erreichte eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 169,555 Meilen pro Stunde. Das entspricht rund 273 Kilometer pro Stunde. Colin Chapman bat Spence darauf hin, das Auto von Greg Weld auszuprobieren. Der Amerikaner hatte mit seinem Lotus 56 Schwierigkeiten, das Tempo der Teamkollegen zu erreichen.
Chapman wollte wissen, ob das Defizit am Auto oder am Fahrer lag. Denn die Gasturbine erforderte einen im Oval von Indianapolis ungewöhnlichen Fahrstil. Normalerweise wird im Brickyard allenfalls moderat gebremst. Mit dem Lotus 56 stiegen die Piloten vor den Kurven hart in die Bremse, um mit dem Ende des Bremsvorgangs bereits in der Kurve die Turbine wieder höher drehen zu lassen. Die Fahrer stellten damit sicher, dass die Turbine auf der Geraden ihre volle Leistung erreicht.
In der ersten fliegenden Runde mit dem Fahrzeug von Greg Weld erreichte Mike Spence eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 163 Meilen pro Stunde (262 Kilometer pro Stunde). In der zweiten Runde verpasste Mike Spence in Kurve eins den Einlenkpunkt. Der Lotus 56 schlug hart in die Betonmauer der Streckenbegrenzung ein. Das rechte Vorderrad traf den Piloten am Helm. Mike Spence erlag einige Stunden später im Krankenhaus seinen schweren Kopfverletzungen.