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16. Dezember 1982 – Colin Chapman stirbt überraschend!

Heute vor 40 Jahren starb plötzlich und unerwartet Lotus-Gründer Colin Chapman. Damit verlor das Lotus-Team seinen visionären Kopf. Mit dem Tod des Gründers begann der Siechtum seines Autobauers und seines Rennteams. Der Bau der Serienfahrzeuge fand schon 1986 bei General Motors Zuflucht. Das Rennteam ging 1994 Pleite.

Colin Chapman im Lotus 49 auf dem Lotus-Gelände in Hethel
Colin Chapman im Lotus 49 auf dem Lotus-Gelände in Hethel. Der Ingenieur konnte seine Rennwagen auch selbst bewegen. (Foto: Lotus)

Als Lotus-Gründer Colin Chapman am 16. Dezember 1982 an Herzversagen verstarb, war die Bestürzung groß. Denn der Brite war seit 1958 fester und respektierter Bestandteil im großen Motorsport-Zirkus. Colin Chapman prägte den Motorsport wie nur wenige andere. Geboren 1928 begann der in London aufgewachsene Chapman unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg ein Studium. Ab 1945 studierte Chapman Bautechnik am University College London (UCL) und verließ die Hochschule nach drei Jahren ohne Abschluss.

Der Brite scheiterte an einer Matheprüfung. Doch Chapman gab nicht auf, nahm privaten Matheunterricht und schloss das Studium an der UCL ein Jahr später doch noch erfolgreich ab. Parallel dazu schrieb er sich an der University Air Squadron ein, um fliegen zu lernen. Doch die Tätigkeit als Pilot bei der Royal Air Force gab Chapman auf Wunsch seines Vaters nach kurzer Zeit wieder auf. Denn im Zweiten Weltkrieg verlor ein Onkel als Flieger sein Leben. Vater Chapman hatte Angst um seinen Sohn.

Colin Chapman ersetzt das Fliegen durch Motorsport!

Der Sohn nahm Rücksicht auf den Vater und heuerte im Vertrieb eines Aluminiumhändlers an. Zudem spielte der Motorsport inzwischen eine wichtige Rolle im Leben des jungen Ingenieurs. Denn schon als Student baute Chapman einen Austin 7 zum Rennwagen um. Mit diesem „Special“ trat Chapman bei „Trails“ an. Diese typisch britischen Geländefahrten auf meist privatem Grund großer Anwesen lassen sich wohl am besten mit Rallyes vergleichen.  Dort war der Motorsportler Chapman praktisch sofort erfolgreich.

Hazel Chapman im Lotus Mk. I
Hazel Chapman, die Ehefrau von Colin Chapman im Lotus Mk I. Der umgebaute Austin 7 wurde offiziell unter dem Namen Lotus für den Straßenverkehr lizensiert. (Foto: The Colin Chapman Foundation)

Damit sorgte sein „Lotus“ getaufter „Austin 7 Special“ für Aufsehen. Die eingefahrenen Preisgelder ermöglichten bald den Aufbau eines neuen Rennwagens. Colin Chapman taufte ihn „Lotus Mk. II“. Mit dem folgenden „Lotus Mk. III“ wandte sich der Ingenieur der Rundstrecke zu. Denn seinen dritten „Special“ konstruierte Chapman für die Rundstreckenrennen des 750 Motor Clubs. In diesem Club trafen sich damals einige, die später im Motorsport Karriere machen sollten.

Neben Colin Chapman gehörten damals auch Lola-Gründer Eric Broadley und Arthur Mallock, der Vater des heute erfolgreichen Motorsport-Unternehmers Ray Mallock dem 750 Motors Club an. Später holten sich in dem Club auch Talente wie Derek Bennett (Chevron Cars), Tony Southgate, Brian Hart, Gordon Murray, Jem Marsh, Frank Costin, Mike Pilbeam oder Adrian Reynard das Rüstzeug für ihre weitere Motorsport-Karriere. Unter den Gleichgesinnten fand Chapman Kunden, die sich für seine Rennwagen interessierten.

Die Autos gab es bei Lotus auch als Bausatz!

Mit dem Lotus Mk. III konstruierte Colin Chapman ein Erfolgsmodell. Denn im Laufe der Motorsport-Saison 1951 wurde schnell klar, dass der Lotus Mk III mit Abstand das beste Fahrzeug seiner Klasse war. Für Club-Kameraden Adam Currie baute Chapman daher einen weiteren Lotus Mk III. Parallel dazu arbeitete der Ingenieur tagsüber weiter im Vertrieb bei British Aluminium. Trotzdem gründete Chapman mit seinem Geschäftspartner Michael Allen am 1. Januar 1952 die Lotus Engineering Company Ltd.

Lotus VI war die erste realisierte eigenständige Lotus-Konstruktion
Der Lotus Mk. VI war der erste Lotus, den Chapman in größeren Stückzahlen anbot. Für den Bau und Vertrieb der Bausätze gründete Chapman 1952 eine Firma, arbeitete aber zunächst weiter im Vertrieb von British Aluminium. (Foto: Tom Schwede)

Diese bot neben dem Lotus Mk III für die Rundstrecke auch den Lotus Mk IV für Trails an. Kunde Mike Lawson gewann mit dem Mk IV den Wrotham Cup. Auch der Mk IV basierte noch auf dem Rahmen eines Austin 7. Trotzdem nutzte Chapman in diesem Fahrzeug erstmals einen Motor und ein Getriebe von Ford. Parallel dazu entwarf der Ingenieur mit dem Mk V seinen ersten Monoposto. Doch dessen Plan ließ sich noch nicht realisieren, niemand wollte diesen Rennwagen kaufen.

So entstand stattdessen erst mit dem Sportwagen Lotus VI die erste eigenständige Lotus-Konstruktion. Wobei der Mk VI viele kostengünstige Teile des Ford Prefect nutzt. Den Sportwagen bot Colin Chapman sowohl komplett montiert als auch als Bausatz an. Das hatte den Vorteil, dass Großbritannien damals Bausätze geringer besteuerte als ganze Fahrzeuge. Um den Steuervorteil zu genießen, musste der Hersteller den Bausatz jedoch ohne Bauanleitung liefern. So legte Chapman seinen Bausätzen Demontageanleitungen bei.

Erst 1955 gab Chapman seinen Job bei British Aluminium auf!

Schon 1953 kam Graham Hill als Mechaniker zu Lotus. Chapman kannte Hill von Rennen in Brands Hatch. Ein Jahr später gründete die Lotus Engineering Company das Rennteam Team Lotus, das die Werkswagen einsetzte. Erst 1955 gab Colin Chapman seinen Job im Vertrieb von British Aluminium auf, um sich ganz auf Lotus zu konzentrieren. 1958 stieg das Team Lotus in die Formel 1 ein. Im Cockpit saß inzwischen Graham Hill, dem bei Lotus der Aufstieg vom Mechaniker zum Rennfahrer gelang.

Lotus 59
Lotus war dabei, als den Rennwagen Flügel wuchsen. Dieser Lotus 59 zeigt das Flügelwerk im historischen Motorsport.

In den kommenden Jahrzehnten revolutionierte Colin Chapman mehrmals den Motorsport. Schon in den 1960er-Jahren gehörte Lotus zu den Pionieren der Monocoque-Bauweise. Nach der Premiere des Lotus 25 fuhren Autos mit Gitterrohr-Rahmen schnell ins Abseits. Der Lotus war der erste Formel 1-Bolide, der weniger als 500 Kilogramm wog. Colin Chapman hatte im Leichtbau sein Master-Thema gefunden. Schon 1963 gewannen mit Jim Clark erstmals ein Lotus-Pilot den Titel der Fahrer und das Team Lotus den Titel der Konstrukteure.

Zwei Jahre später wiederholten Team und Pilot diesen Erfolg. Doch mit den 1966 eingeführten Drei-Liter-Motoren fuhr Lotus zunächst nur hinterher. Denn dem Team fehlte ein konkurrenzfähiger Motor. So entstand auf Initiative von Colin Chapman bei Cosworth der Ford Cosworth DFV. Der V8 debütierte 1967 in einem Lotus und gewann bereits sein erstes Rennen. 1968 sicherte Graham Hill dem Team erneut den Fahrer-Titel und damit Lotus auch die Krone der Konstrukteure.

Colin Chapman hob die Formel 1 immer wieder auf ein neues Niveau!

Kurze Zeit später band Chapman mit der Zigarettenmarke „Gold Leaf“ den ersten Sponsor, der nicht aus der Automobilindustrie stammte, langfristig an die Königsklasse. Anfang 1968 wuchsen den Rennwagen Flügel und Lotus gehörte zu den Ersten, die das in Europa probierten. In Indianapolis versuchte sich Lotus mit einer Gasturbine und in der Automobil-Weltmeisterschaft zeitweise mit Allradantrieb – Lotus stand immer für Innovation. In den 1970er-Jahren etablierte Lotus in der Formel 1 die Idee des Wingcars.

Jim Clark im Lotus 49 mit Cosworth Motor
Ford finanzierte Lotus den Bau des Ford Cosworth V8 für die Formel 1. Im Lotus 49 feierte der Cosworth beim F1-Debüt 1967 sofort einen Sieg. (Foto: Ford)

Doch wegen des Hangs des Chefs zum Leichtbau galten die Rennwagen von Lotus unter den Fahrern immer als gefährlich! Alan Stacey, Gary Hocking, Ricardo Rodríguez, Jim Clark, Mike Spence, Jochen Rindt und Ronnie Peterson starben in einem Lotus. Mit Ausnahme von Alan Stacey, dem ein Vogel das Visier des Helms durchschlug, spielte bei den anderen Unfällen wohl auch Chapmans Neigung zum radikalen Leichtbau eine Rolle. So brach am Lotus 72 von Jochen Rindt eine der aus Gewichtsgründen hohlen Bremswellen.

Trotzdem gewann Jochen Rindt im Unglücksjahr 1970 posthum den Titel. Nach Rindt gewannen noch Emerson Fittipaldi und Mario Andretti den Fahrertitel für Lotus. 1981 stellte Lotus mit dem umstrittenen Lotus 88 das erste reine Kohlefaser-Chassis auf die Räder. Doch es nahm nie an einem Grand Prix teil. Denn das revolutionäre Doppel-Chassis erfüllte die Anforderungen an den Mindestabstand des Unterbodens nur im Stand. So war der McLaren MP4/1 als erster Kohlefaser-Bolide in der Formel 1 am Start.

Colin Chapman und die bösen Gerüchte nach dem Tod!

Parallel dazu fuhr Lotus Cars, wo die Straßenfahrzeuge entstanden, Ende der 1970er-Jahre in die Krise. Denn zeitweilig konnte Lotus den für Sportwagen-Hersteller traditionell wichtigen US-Markt nicht bedienen. Die Straßenfahrzeuge von Lotus erfüllten die in den USA verschärften Sicherheitsregeln nicht. Statt wie Mitte des Jahrzehnts rund 1.200 Autos pro Jahr zu bauen und zu verkaufen, entstanden 1980 bei Lotus nur noch 383 Autos. Doch Colin Chapman fand einen Ausweg.

Ronnie Peterson im Lotus (links) beim Großen Preis von Südafrika 1978
Ronnie Peterson im Lotus 78 (links) beim Großen Preis von Südafrika 1978 in Kyalami. Der Lotus 78 war das erste Wingcar der F1-Geschichte (Foto: Archiv AutoNatives.de)

Zusammen mit dem jungen Juraprofessor und Experten für Investmentbanking Joe Bianco machte Chapman den Kauf eines personalisierten Lotus Turbo Esprit in den USA zu einem Steuersparmodell. Dank des von Bianco erdachten Modells konnte die amerikanische Lotus Performance Cars Inc. der Lotus Gruppe im Vereinigten Königreich frisches Kapital zuführen. Zudem verkaufte die Lotus Engineering Ltd. Entwicklungsdienstleistungen an Kunden wie Toyota und die DeLorean Motor Company.

Um das Geschäft mit John DeLorean ranken sich heute zahlreiche Gerüchte!

Denn Colin Chapman und der amerikanische Autobauer sollen Teile der Subventionen, die DeLorean für den Bau einer Fabrik in Nordirland von der britischen Regierung erhielt, in die Schweiz verschoben haben. Das plötzliche Ableben von Chapman verhinderte weitere Ermittlungen und eine Anklage gegen den Lotus-Chef. In einem späteren Prozess gegen Lotus-Buchhalter Fred Bushell bestand der Richter darauf, dass Chapman, wenn er selbst auf der Anklagebank gesessen hätte, eine lange Haftstrafe bekommen hätte.

Colin Chapman mit einem Lotus Esprit sowie dem Flugzeug des Teams.
Colin Chapman mit einem Lotus Esprit sowie dem Flugzeug des Teams. Es war in den Farben des Sponsors lackiert. Heute gehören das Auto von diesem Foto und das Flugzeug einem passionierten Lotus-Sammler. (Foto: Lotus)

Doch dazu kam es nicht mehr. Als am 16. Dezember 1982 das Ableben von Colin Chapman bekannt wurde, stand die Szene für einen Moment still. Denn mit dem Briten starb eine echte Motorsport-Legende. Kurz vor seinem Tod sprach Colin Chapman noch von der Möglichkeit, Lotus zu einem Flugzeugbauer weiterzuentwickeln. Doch ohne seinen Mastermind fuhren Fahrzeugbauer und Rennteam bald in die Krise. Schon 1983 stand Lotus Cars kurz vor dem Bankrott.

Was blieb von Lotus?

David Wickins beteiligte sich auf Vermittlung seines Freundes Mark Thatcher an Lotus und löste die Probleme mit dem Finanzamt. Denn die britischen Steuerbehörden belegten Lotus zeitweise mit einer „Schutzveranlagung“ in Höhe von 84 Millionen Pfund. Wickins fand in Gerneral Motors einen Partner, der Lotus Cars schließlich übernehmen sollte. 1993 kaufte Romano Artioli den Sportwagen-Hersteller. Drei Jahre später ging Lotus Cars an Proton. Seit 2017 gehört Lotus zu 51% Geely und zu 49% dem Unternehmer Syed Mokhtar Albukhary.

Das Rennteam Team Lotus blieb dagegen im Besitz der Familie Chapman. Ausnahmekönner Ayrton Senna holte im Sommer 1987 beim Großen Preis der USA in den Straßen von Detroit den letzten Grand Prix-Sieg für Lotus. Schon im letzten Turbojahr verlor Lotus 1988 den Anschluss an die Spitze. Nach dem Wechsel zu Saugmotoren ein Jahr später war die Spitze für Lotus endgültig nicht mehr erreichbar. 1994 blieb das Team ohne WM-Punkte. Am Ende des Jahres war das Team Lotus Pleite und stellte den Betrieb ein.


Anthony Colin Bruce Chapman (* 19. Mai 1928 in London; † 16. Dezember 1982 in Norfolk) war studierter Ingenieur und gründete 1952 die „Lotus Engineering Company Ltd.“. Später folgten das „Team Lotus“ sowie der Autobauer „Lotus Cars“. Neben 79 Grand Prix, sechs Fahrer- und sieben Konstrukteurs-Titel in der Formel 1 gewann Lotus 1965 mit Jim Clark auch die 500 Meilen von Indianapolis.


Infos zum Titelbild dieses Beitrags:
Colin Chapman im Lotus 49 auf dem Lotus-Gelände in Hethel

Foto: Lotus Cars

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Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!

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