659 PS Leistung und 881 Newtonmeter Drehmoment – die Leistungsangaben der Corvette machen Eindruck. Wir haben ausprobiert, wie sich die Corvette C7 Z06 Convertible im Alltag fährt.
Amerikanische Autos sind in Europa ein schwieriges Thema. In größeren Stückzahlen verkaufen sich in der alten Welt nur amerikanische SUV. Zu Sportwagen wie die der Corvette gibt es jede Menge Vorurteile. Die „Vette“ sei nur auf geraden Strecken schnell. Der Innenraum plüschig und der Verbrauch nicht zeitgemäß. Doch das sind Vorurteile, die zwar heute nicht mehr stimmen, sich aber trotzdem hartnäckig halten.
Kein Wunder, dass US-Präsident Donald Trump unlängst in einem Interview der Bild-Zeitung fragte: „Wie viele Chevrolet sehen Sie in Deutschland?“, um im Anschluß über die Einbahnstraße der Handelsbeziehungen zu klagen. Denn während in New York massenweise Autos von Mercedes, Audi, Porsche oder BMW rumfahren, sind sportliche amerikanische Autos in Deutschland Exoten und eine Randerscheinung.
Trotzdem ist die Corvette längst auch auf dieser Seite des Atlantiks eine Ikone. Manchem gefällt auch hier einfach der Mythos vom American Way of Life. Andere wissen von den zahlreichen Motorsport-Erfolgen des amerikanischen Sportwagens. 2015 fuhr Chevrolet mit der Corvette in Le Mans zum Klassensieg. 2013 gewann sie den Titel beim ADAC GT Masters. Alles zusammen machte auch Karla und mich ziemlich neugierig auf die Corvette C7 Z06 Convertible.
Wie wirkt die Corvette auf den Blick?
Schon beim ersten Blick auf den Testwagen fällt mir die extrem geduckte Form des Sportwagens auf. Der liegt aber tief, denke ich. Ich frage mich, wie das hier im Ruhrgebiet, wo viele Straßen verkehrsberuhigt sind, funktioniert. Doch hinterher ist man immer schlauer. Als ich diesen Fahrbericht schreibe, weiß ich, der kurze Überhang an der Vorderachse sorgt dafür, dass der Frontspoiler alle Bodenschweller übersteht.
[lightgrey_box]Webtipp: Seit 1953 begeistert die Corvette als “All American Sportscar” die Fans. Details zur Entstehungsgeschichte des Grand Tourers aus Amerika hat US-Car-Experte Peter Ruch erst kürzlich in der “auto revue” veröffentlicht.[/lightgrey_box]
Beim ersten Treffen fällt mir zudem auch die sanft ansteigende Seitenlinie des Fahrzeugkörpers auf. Die ganze Linie des Sportwagens erinnert an einen Keil. Das gilt im Autobau traditionell als besonders dynamisch. Und ist eine Reminiszenz andre dritte Generation des US-Sportwagens. Wie schon von 1969 bis 1976 trägt die auch aktuelle Corvette deshalb – zumindest in Amerika – wieder den Namenszusatz Stingray.
Das Z an der Seite – muss Mann erst mal erkennen!
Erst nach ein paar Tagen registriere ich, dass die zahlreichen Öffnungen und Sicken an der Fahrzeugseite der aktuellen Corvette zusammen ein gespiegeltes Z ergeben. Offensichtlich ein Verweis auf die Motorisierung unseres Testwagens, der auf die Modellbezeichnung Z06 hört. Meine Fantasie ist von solchen Anspielungen schnell überfordert. Als ich Karla mit meiner Erkenntnis konfrontiere, sagt sie trocken: „Ja, das sieht man doch!“
Uneinig sind Karla und ich auch, ob unser Testwagen offen oder geschlossen besser aussieht. Denn General Motors stellte uns für diesen Fahrbericht das Convertible genante Cabriolet zur Verfügung. Ich öffne – selbst in diesem kalten März – bei jeder Gelegenheit das Cabrio-Verdeck und genieße das Offenfahren. Karla denkt in Fotos und bevorzugt dazu eher die geschlossene Form.
Karla sagt ...
Die kompromisslose Gestaltung der Corvette hat mich von der ersten Sekunde an begeistert. Ihre Linien sind fabelhaft, der Sound und die Beschleunigung großartig.
Einig sind wir uns, dass die silberne Lackierung dem Testwagen gut zu Gesicht steht. Zumal die Designer bei Chevrolet für zahlreiche Kontrastpunkte sorgen. Auffällige Details sind die Abluftöffnung in der Motorhaube und der Spoiler, der den gut 4,50 Meter langen Sportwagen am Heck abschließt. Er ist, wenn der passende Schraubenschlüssel zur Hand ist, sogar einstellbar.
Wie ist die Corvette C7 Z06 Convertible motorisiert?
Die Corvette ist das stärkste Auto, das sich bisher unserem Test stellt. 659 PS Leistung und ein Drehmoment von 881 Newtonmetern stehen in den Papieren. Angesichts dieser Zahlen bin ich fast froh, keinen Supertest fahren zu müssen. Statt um Rundenzeiten auf der Nordschleife geht es in unserem Testbericht traditionell eher um Energieeffizienz und das gemütliche Reisen.
Der LT4-V8-Alu-Motor der Corvette ist ein aufregendes Stück Maschinenbau. 6,2 Liter Hubraum mit Trockensumpfschmierung klingen bereits ziemlich aufregend. Dazu haucht ein Kompressor dem mächtigen V8 zusätzliche Vitalität ein. Ich kenne diesen Motor bereits aus dem Cadillac CTS-V. In der Limousine erinnerte mich der Motor an Muhammad Ali, den besten Schwergewichtler aller Zeiten. Das ist eigentlich nicht steigerungsfähig. Trotzdem entlockt Chevrolet dem V8 jetzt noch etwas mehr Leistung.
In der Limousine CTS-V stehen 649 PS Leistung und 855 Newtonmeter Kraft zur Verfügung. Im Sportwagen Corvette sind es 659 PS und 881 Newtonmeter. Das sind brachiale Daten und erinnert, um den Boxer-Vergleich vom Test des CTS-V fortzusetzen, an Rocky Marciano. Denn dank seiner Schlagkraft ist Marciano bis heute der Schwergewichts-Weltmeister mit der höchsten KO-Quote. Das paßt zur brutalen Kraft der Corvette.
Wie fährt sich die Z06?
Schon im Leerlauf glänzt der V8-Motor mit einem satten Achtzylinder-Bollern. Auf der Straße weicht das sonore Brummen zügig einem wahren Geräusch-Inferno. Denn der Motor hängt gut am Gas und dreht willig hoch. Mit jedem Meter, den es voran geht, weicht das Knistern des V8 einem Kreischen. Im Umfeld des Fahrzeugs klingt es, als ob das Jüngste Gericht angebrochen sei.
Das ist konsequent. Denn bei der siebten Generation der Corvette definierten die Ingenieure von Chevrolet zunächst die Anforderungen an die Rennversion. Anschließend leiteten sie davon das Lastenheft für die Straßenversion ab. Denn auch in Amerika hat sich herumgesprochen, dass sich anders heute in den Klassen GT3 und GTE in Le Mans oder Watkins Glen kein Blumentopf mehr gewinnen lässt.
Doch General Motors weiß auch, dass Sportwagen-Freunde in Europa besondere Anforderungen stellen. Daher bekam das Fahrwerk der Europa-Version der Corvette Z06 auf der Nordschleife des Nürburgrings seinen letzten Schliff. Die Mühe hat sich gelohnt. Denn dieser Grand Tourer aus Amerika ist kein Poser, der nur auf dem Drag-Strip schnell ist. Der 1,5-Tonner kann durchaus auch schnell ums Eck fahren.
Die Corvette ist am Heck ein leichtes Mädchen!
Bei der Kurvenjagd fällt allerdings schnell das lose Heck des “All American Sportscar” auf. Wer zu früh aufs Gas steigt, dem schwenkt unmittelbar das Heck aus. Sicherlich spielen dabei auch die Winterreifen unseres Testwagens eine Rolle. Doch die Grundtendenz ist selbst im Weather-Modus, in dem die Motorelektrik die Kraftentfaltung des V8 moderat begrenzt, da. Zu viel Gas bringt das Heck zum Ausschwenken.
Sportliches Fahren mit dem Z06 erfordert ein sensibles Popometer und einen Gasfuß, den Verstand und Gefühl steuern. Das gilt besonders auf nasser Straße. Denn Corvette-Fahrer kennen seit jeher die Gleichung „Corvette + Nässe + Vollgas = keine gute Idee“. Daran hat sich auch in der siebten Generation des US-Sportwagens wenig geändert. Auch damit ist sich die aktuelle Corvette also über mehr als 60 Jahre treu geblieben.
Um Missverständnisse zu vermeiden, das Fahren mit der Corvette ist ein Vergnügen. Die präzise Lenkung, die ausgeglichene Gewichtsverteilung (50:50) und das elektronische Sperrdifferenzial an der Hinterachse helfen zu dirigieren. Das hilft bei der Zeitenjagd und Kurvenhatz. Dennoch sollten sich gerade Käufer der 659 PS starken Sportversion Z06 bewusst sein, dass das ein echter Sportwagen ist.
Die Geradlinigkeit des Sportwagens erfordert im Alltag einige Kompromisse. Die Übersicht nach hinten ist schlecht. Beim Rangieren hilft grundsätzlich eine Rückfahrkamera. Doch die verschmutzt sehr schnell und macht das Parken zum Blindflug.
Was verbraucht der 659 PS starke V8?
Das kommt darauf an! Wer die Corvette fordert und dem V8 bei jeder Gelegenheit freien Lauf lässt, der treibt den Verbrauch schnell in die Nähe der 20-Liter-Marke. Doch wer sich auf das Cruisen beschränkt, der kann mit diesen Sportwagen tatsächlich – vergleichsweise – sparsam reisen und trotzdem zügig vorankommen. Denn mit 2.200 Umdrehungen pro Minute ist die Corvette im achten Gang immerhin 160 Kilometer pro Stunde schnell.
Tom sagt ...
Ich mag die Corvette! Der Motor ist großartig. Das Fahren fordert und ist deshalb ein großes Vergnügen. Allerdings ist die Sitzposition nicht perfekt. Meinem mehr als zwei Meter langen Körper fehlen überall ein oder zwei Zentimeter.
Mit dieser Fahrweise begnügt sich der V8 in unserem Test mit 10,95 Liter Benzin pro 100 Kilometer. Dabei hilft, dass die Motorelektronik beim Cruisen vier Zylinder stilllegt. Aus dem V8 wird so, was die Zündung betrifft, ein „V4“. Das reduziert den Benzin-Verbrauch, ist ansonsten aber kein Verzicht. Denn der Übergang zurück vom Adagio des „Vierzylinders“ zurück zum Presto des V8 geht in Millisekunden vonstatten.
Fazit zur Corvette C7 Z06 Convertible
Die Corvette C7 Z06 ist ein echter Sportwagen. Die Kraft seines wunderbaren Motors dominiert das Fahrzeug. Der V8 lädt zu wahren Beschleunigungsorgien ein. Wer will, der kann mit der Corvette bis zu 315 Kilometer pro Stunde schnell sein und auch auf kurvigen Strecken richtig Spaß haben. Trotzdem sollte man nie vergessen, dass das Schnellfahren mit der Corvette eine kundige Hand erfordert. Zumal der Amerikaner deutlich weniger Fahrassistenzsysteme an Bord hat, als die europäische Konkurrenz.
Die 48 Punkte, die die Corvette nur in der Wertung der Sicherheits- und Assistenzsysteme sammelt, belegen das deutlich. An diesem „Rücksack“ ändert auch das in Deutschland serienmäßige Z51-Performance-Paket (optimierte Aerodynamik, verbesserte Fahrwerksabstimmung und eine Kühlung, die auch ein längeres Spitzentempo verkraftet) nichts. Europäische Wettbewerber vom Schlage eines Porsche 911 Turbo S, Mercedes AMG GT oder Audi R8 Spyder sind einfacher zu fahren. Dafür aber auch deutlich teurer als der amerikanische Sportwagen.
Daten zum Testwagen
- Typ: Corvette C7 Z06 Convertible
- Grundpreis: 124.700 Euro (03/2017)
- Motor: V8 Ottomotor mit Kompressor
- Emissionsklasse: Euro 6
- Getriebe: 8-Gang-Automatikgetriebe mit Schaltwippen
- Hubraum: 6.162 ccm
- max. Leistung: 659 PS/485 kW bei 6.000 1/min
- max. Drehmoment: 881 Nm bei 3.000 1/min
- Höchstgeschwindigkeit: 315 km/h (mit Winterreifen 270 km/h)
- Hersteller-Nummer / Typ: 1766 / AAU
- Versicherungstypklassen: 16, 33, 29 (Haftpflicht, Voll-, Teilkasko)
Oliver
23. Juni 2017Was für ein tolles Auto. Ein ein richtiger Hingucker.