Auto-Erinnerungen

Jim Kellison und sein Kellison J-4 – Design-Meilenstein aus Kalifornien

Das Design der Sportwagen-Ikone Kellison J-4 inspirierte Bizzarrini, MG und Datsun!

Seit 20 Jahren begegnen mir regelmäßig Autos von Jim Kellison. Doch irgendwie ergab sich bisher keine Gelegenheit, über die Sportwagen des Amerikaners zu schreiben. Kürzlich stand ich mal wieder vor einem Kellison. Da war mir sofort klar, dass diese Sportwagen und sein Erbauer jetzt ins Blog müssen. Denn Jim Kellison war nicht nur ein Glasfaser-Pionier, der Amerikaner inspirierte auch zahlreiche andere Autobauer und -Gestalter.

Kellison J-4 - Frontansicht
Der Kellison J-4 ist 39 Zoll hoch. Damit unterbietet der kalifornische Sportwagen sogar den Ford GT40 um ein Zoll.

Seit mehr als 30 Jahren beschäftige ich mich mit historischen Autos, besuche Oldtimer-Messen und -Treffen sowie Veranstaltungen des historischen Motorsports. Seit 2010 moderiere ich regelmäßig Oldtimer-Rennen und Oldtimer-Rallye-Veranstaltungen. In dieser langen Zeit sah und kommentierte ich unfassbar viele interessante Autos. Trotzdem weiß ich immer noch, dass ich den ersten Kellison im Herbst 2002 bei der inzwischen legendären Eifel-Klassik am Nürburgring sah.

Dort nahm ein Kellison J-5 an dem damals in zwei Teilstücke unterteilten 1.000-km-Rennen auf der Nordschleife teil. Ich fotografierte den gelben Sportwagen Ausgangs des Klostertals am Fuße der Steilstrecke und stellte das Bild auf meine damalige Webseite. Anschließend vergingen ein paar Jahre bis zum nächsten Kontakt mit der Marke Kellison. Doch irgendwann gegen Ende des Jahrzehnts schrieb mich jemand an, der den damals fotografierten Rennwagen inzwischen besaß.

Spurensuche im Archiv des SCCA!

Der neue Fahrzeugbesitzer fragte mich, ob ich historische Rennergebnisse des Kellison J-5 kennen würde. Diese wären notwendig, um weiter mit dem Rennwagen im historischen Motorsport starten zu können. Ich empfahl den Kontakt mit dem Sports Car Club of America zu suchen. Denn der SCCA organsiert in den USA den motorsportlichen Breitensport. Leider fanden sich im Archiv des Clubs jedoch nur Ergebnisse des Vorgängers Kellison J-4, weshalb dem J-5 bisher ein neuer Wagenpass verwehrt blieb.

Der Kellison J-5, den ich 2002 am Nürburgring sah!
Der Kellison J-5, den ich 2002 am Nürburgring sah!

Irgendwann las ich davon, dass der Earl of March, der inzwischen der Duke of Richmond ist, einen Kellison J-6 fährt. Kontaktpunkte hatte ich also immer wieder. Trotzdem schrieb ich tatsächlich nie über die amerikanischen Sportwagen. Doch als ich kürzlich auf der Techno Classica in Essen erneut einen Kellison „traf“, wusste ich, dass ich das ändern muss. Denn wer genau hinsieht, der erkennt, dass das Design von James Frank „Jim“ Kellison (1932 bis 2004) viele andere Autobauer inspirierte.

Jim Kellison begann nach seinen High School-Abschluss in einem Autohaus in Roseville, Kalifornien als Karosseriebauer zu arbeiten. Bei der Bewerbung überzeugte seinen Chef der Hot Rod des Bewerbers. Denn schon als Schüler schraubte Jim Kellison in seiner Freizeit an Autos rum. Trotzdem verlies Jim Kellison das Autohaus bald, um ab 1951 drei Jahre in der Luftwaffe seinem Land zu dienen. Obwohl es an der einen oder anderen Stelle hieß, dass Kellison Bomber-Pilot war, arbeitete der Amerikaner auch bei der Air Force als Mechaniker.

Der Weg zum eigenen Unternehmen!

1954 arbeitete Kellison kurz auf der Farm seines Vaters in Oakville, Washington. Doch ein Leben als Landwirt konnte sich der Junior nicht vorstellen, machte sich daher bald mit einer Tankstelle und Werkstatt selbstständig. Doch das Geschäft kam nicht richtig ins Laufen. Daher verlegte Kellison seine Werkstatt in nahegelegene Centralia. Aber auch hier reichte der Ertrag des eigenen Unternehmens nicht, um eine inzwischen vierköpfige Familie zu ernähren. Denn nach der Heirat mit seiner Jugendliebe Sally Benson wurde Jim Kellison schnell Vater zweier Söhne.

Daher schloss der Unternehmer seine Firma, um wieder als Angestellter zu arbeiten. Nach mehreren Jobwechseln und der Rückkehr nach Kalifornien fand Jim Kellison eine Stelle auf dem Luftwaffenstützpunkt Travis. Hier lernte der Mechaniker „Glasfaser“ als Werkstoff kennen. In der heimischen Garage im nahen Vacaville nutzte der Mechaniker diesen Werkstoff, um zunächst Auto-Teile zu bauen. Sportfahrer nutzten diese Teile, um ihre Rennwagen zu erleichtern.

Das war der Startschuss für die „J Car Series“ von Jim Kellison!

Und im Motorsport der 1950er-Jahre war in den USA mehr möglich. So entstand in der Garage bald eine ganz neue Karosserie, die auf das Chassis eines Austin Healy Sprite passte. Kurz darauf folgte das Projekt J-2 für Fahrgestelle von Triumph und Renault. Als sich auch für diese Konstruktion Kunden fanden war Jim Kellison endgültig sicher, dass sich mit dem Bau von Karosserien auch hauptberuflich Geld verdienen lässt. Es folgte die Kündigung bei der Luftwaffe, um sich erneut selbstständig zu machen.

Die 905, die viele Kellison heute tragen, geht auf die erste Adresse des Unternehmens zurück. Denn die lautete: 905 Sutter Street, Folsom, Kalifornien. Damit steht die Kleinstadt für mehr als ein Gefängnis und ein Konzert.
Die 905, die viele Kellison heute tragen, geht auf die erste Adresse des Unternehmens zurück. Denn die lautete: 905 Sutter Street, Folsom, Kalifornien. Damit steht die Kleinstadt für mehr als ein Gefängnis und ein Konzert.

In der 905 Sutter Street im kalifornischen Folsom fand der Unternehmer eine passende Werkstatt. Diese ermöglichte es, auch vollständig umgebaute Fahrzeuge anzubieten. Das macht den Roadster J-3, der hauptsächlich auf Basis von Sportwagen von MG oder Austin Healy entstand, zum ersten echten Kellison. $520 kostete die Karosserie Ende der 1950er-Jahre. Das war damals viel Geld, lag doch das Durchschnittseinkommen in den USA zu dieser Zeit bei etwa $4.500 pro Jahr.

Kellison J-4 – California Dreaming!

Wer wollte, der konnte den J-3 auch auf der Basis eines Käfer-Chassis bekommen. Zudem soll, die Quellen sind an dieser Stelle unsicher, auch ein J-3 auf Basis des Porsche 356 erstanden sein. 1958/59 stellte die Firma den Kellison J-4 der Öffentlichkeit vor. Dieser Sportwagen sorgte sofort für Aufsehen, nahm das flache Frontmotor-Coupé doch den Stil der 1960er-Jahre vorweg. In den kommenden Jahren sollten sich immer wieder Designer an der Form des J-4 orientieren.

Denn wer genau hinsieht, der findet Anleihen an den J-4 bei den wunderbaren Sportwagen von Giotto Bizzarrini und an der Front des MGB. Auch die Corvette C3 (1967) und der Datsun 240Z (1970) tragen Züge des kalifornischen Sportwagens. Ohne Zweifel war Jim Kellison jemand, der das Autodesign in diesen Jahren mitprägte. Besonders bei der Fahrzeughöhe setzte der Designer und Autobauer Ende der 1950er-Jahre einen neuen Maßstab. Das Coupé Kellison J-4 war nur 39 Zoll (1,14 Meter) hoch. So ein flaches geschlossenes Auto gab es zu vor noch nicht.

Seitenlinie des Kellison J-4
Die Seitenlinie des Kellison J-4 unterstreicht, wie flach der Sportwagen ist. Der Kellison J-4 ist 39 Zoll hoch. Damit unterbietet der kalifornische Sportwagen sogar den Ford GT40 um ein Zoll.

Technisch ruhte die Glasfaser-Karosserie des Sportwagens wie bei der Corvette auf einem massiven X-Rahmen. Daneben gab es auch Versionen für fremde Fahrgestelle. Von General Motors Corvette stammten der V8 und das Getriebe. Ab 1959 bot die Kellison Engineering & Manufacturing Company den J-4 landesweit in Zeitschriften zum Kauf an. Wobei es den Sportwagen als Coupé und Roadster gab. Zudem weisen zeitgenössische Werbeanzeigen darauf hin, dass es den Sportwagen mit unterschiedlichen Radständen gab. 85 bis 106 Zoll Radstand waren – mit dem eigenen Rahmen – möglich.

Von Anfang an setzten Motorsportler den Kellison J-4 bei Sportwagen-Rennen ein. Das geringe Fahrzeuggewicht und die günstige Aerodynamik erwiesen sich im Kampf gegen andere Sportwagen immer wieder als Vorteil. Sowohl auf der Rundstrecke als auch bei Dragster-Wettbewerben errang der J-4 Siege. Wobei, das macht die Spurensuche heute schwierig, der eine oder andere Motorsportler mit seinem Kellison unter dem Namen „Corvette Special“ antrat. Das war insbesondere dann oft der Fall, wenn ein Rennfahrer bei der Kellison Engineering & Manufacturing Company nur die Karosserie kaufte.

Es ist nicht klar, wie viele Autos Jim Kellison baute!

Das Unternehmen bot neben der Karosserie auch ganze Fahrzeuge an. $640 kostete die Karosserie. Ein ganzes Auto konnte je nach Motor bis zu $7.000 kosten. Wie bei vielen Kleinserien-Herstellern dieser Jahre ist die Anzahl der tatsächlich gebauten Fahrzeuge heute nicht ganz klar. Die Mehrzahl der Experten geht heute von rund 20 echten Kellison J-4 aus. Gleichzeitig schätzen sie, dass die Zahl der gebauten Karosserien deutlich höher lag. Aber nicht jedes Projekt fand den Weg auf die Straße. Ganz sicher belegt sind die Zahlen jedoch nicht. Hier fehlt definitiv ein öffentliches Kellison-Register.

Da beim Erstlingswerk besonders größere Fahrer Schwierigkeiten hatten, im Sportwagen zu sitzen, bekam der Nachfolger Kellison J-5 ein etwas höheres Dach und auch breitere Türen. Kellison warb damit, dass die Karosserie nicht nur auf den eigenen Rahmen, sondern auch auf die Fahrgestell der Corvette, von Jaguar und auch des Ford Thunderbird passt. Dafür bot das Unternehmen die Karosserie in unterschiedlichen Breiten von 56 bis 61 Zoll an. In der Übergangszeit gab es zudem Varianten, die die Karosserie des J-4 mit dem höheren Dach des J-5 kombinierten.

Heck des Kellison J-4
Das Heck des Kellison J-4 ist knapp. Auch hier setzte Designer Jim Kellison einen Trend, dem später andere Designer Polen sollten.

Deshalb ist es auch beim J-5 schwer, genaue Stückzahlen zu bestimmen. Kenner der Szene gehen von 75 vollständig gebauten Exemplaren aus. Die Zahl der gefertigten Karosserien lag wie beim Vorgänger höher. Gegen die teilweise kolportierten Stückzahlen von 300 J-4 und etwas mehr J-5 spricht, dass Kellison neben den Autos weitere Glasfaser-Teile anbot. So verkaufte die Firma zeitweise auch Buggy-Karosserien für den VW-Käfer, baute Boote, Whirlpools und Duschkabinen. Die Kataloge, die die Kellison Engineering & Manufacturing Company in den 1960er-Jahren herausgab, sind heute gesuchte Klassiker. Bei ebay erzielen sie regelmäßig drei- bis vierstellige Preise.

Daneben baute Jim Kellison Rennwagen für die Formel Vau und die Formel Junior, trat mit einem eigenen Rennteam in der „Formula B“ an. Zudem skalierte der Unternehmer sein Geschäft und lizensierte das Design seiner Sportwagen 1961 an Max Germaine. Dessen Firma Allied Fiberglas bot die Karosserien unter dem Namen Astra an. Auch Astra setzte beim Vertrieb auf einen Katalog. Zudem entwickelte der Designer Jim Kellison die J-Serie mit dem J-6 Panther weiter. Bereits 1964 zog die Firma nach Lincoln, Kalifornien in eine größere Liegenschaft um. 1967 folgte mit dem Kellison X-300 GT die letzte Stufe des inzwischen gut zehn Jahre alten Designs. 

Trotzdem blieb Jim Kellison der Autoindustrie treu!

Doch zwei Jahre später verließ der Gründer das Unternehmen. Einige Quellen berichten, dass ein Burnout Jim Kellison zum Abschied trieb – gesichert ist auch das nicht. Etwa zeitgleich kam es zu einem langwierigen Rechtsstreit mit der amerikanischen Steuerbehörde. 1972 erschien, soweit ich das bisher herausfinden konnte, der letzte Katalog der Kellison Engineering & Manufacturing Company. Das ist ein Zeichen dafür, dass die Firma ihr Geschäft zu diesem Zeitpunkt aufgab.

Zeitgenössische Berichte schreiben den Designer auch eine Tätigkeit für Kelmark Engineering zu. Dort entstand in Zusammenarbeit mit Randy Markham ein vom Ferrari Dino inspirierter GfK-Sportwagen. Auf seiner eigenen Webseite, die es am Anfang des Jahrtausends gab, erwähnte Kellison dieses Fahrzeug jedoch nicht. Später wagte Jim Kellison mit einem Auto im Style der AC Cobra unter dem Namen Red Stallion nochmal einen Neustart. Doch seinen Platz in der Automobil-Geschichte sicherte sich Jim Kellison definitiv mit seinem Sportwagen Kellison J-4. Denn der ein Meilenstein des Auto-Designs.

Übersicht der Karosserien und Fahrzeuge von Jim Kellison:

  • J-1 – Coupé- und Roadster-Karosserie für Austin-Healey Sprite, Crosley und andere „Class H Specials“. Charakteristisch waren beim Coupé die „Beulen“ im Dach, die größeren Piloten das Sitzen im Coupé vereinfachten. Der Umbau zu einem Coupé kostete $640, zum Roadster $560. Die Karosserie gab es auch für $330 bzw. $300 ohne Umbau zu kaufen.
  • J-2 – Roadster-Karosserie für Triumph und Renaud-Fahrgestelle
  • J-3 – Roadster-Karosserie für MG, Austin-Healey, Volkswagen und Porsche-Fahrgestelle
  • J-4 – Coupé und Roadster für „gekürzte US-Chassis“
  • J-5 – Weiterentwicklung des J-4, jetzt auch für Jaguar-Chassis verfügbar. Im Vergleich zum J-4 fällt vor allem das höhere Dach auf. Der J-5 tauchte 1961 erstmals im Katalog von Kellison auf.
  • J-6 – Weiterentwicklung des J-6, vorgestellt circa 1964
  • X300GT – Ab 1967 der Abschluss der J-Car-Series
  • Fun-packed racer – Formel Junior-Rennwagen für BMC-Technik. Die Konstruktion des Rennwagens stammte von Joe Huffaker. Kellison baute die Fiberglas-Karosserie. Das Fahrzeug kostete 1961 bei Kellison $3.995. Die Karosserie gab es für $295 einzel zu kaufen.
  • Formula B – Rennwagen für die 1.600er-Klasse der „Formula SCCA“. Die Formula B wurde 1965 eingeführt. Ab 1967 gab es eine professionell US-Meisterschaft, die 1972 letztmals ausgetragen wurde. Standard-Motor dieser Fahrzeugklasse war der von Lotus optimierte Ford Twin Cam-Motor aus der Cortina. Kellison setzte einen Motor von BRM aus der 1,5-Liter-Ära der Formel 1 ein.
  • Stallion – Nachbau der AC Cobra, entstand ab 1976

Infos zum Titelbild dieses Beitrags:
Die Seitenlinie des Kellison J-4 unterstreicht, wie flach der Sportwagen ist. Die 905 steht für den Standort des Unternehmens.

Foto: Tom Schwede

AutoNatives.de ist auch bei Facebook. Wir freuen uns über ein Like.







Themen in diesem Artikel:

Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!

Write A Comment