Auto-Erinnerungen

Saab – auch Legenden können und die Pleite fahren!

Gibt es eine Fortsetzung des Autobaus bei SAAB?

Kreative und andere Besserverdiener greifen gern zu einem Fahrzeug der Marke Saab. Doch offensichtlich ist dieser Kundenkreis begrenzt. Denn kürzlich meldete die „Saab Automobile AB“ Insolvenz an. Für AutoNatives.de ein guter Anlass, um sich einmal mit der Geschichte und den Fahrzeugen der Firma aus dem westschwedischen Trollhättan zu beschäftigen.

In den 40er-Jahre kam der Auto-Import in Schweden fast vollständig zum Erliegen. Obwohl Schweden nicht am Zweiten Weltkrieg teilgenommen hatte, spürte das Land die Auswirkungen des Krieges. Volvo, damals der einzige schwedische Autohersteller, produzierte nur Fahrzeuge der gehobenen Mittelklasse. Daher entschloss sich die 1937 gegründete Flugzeugfabrik „Svenska Aeroplan Aktiebolaget“ (kurz Saab) , fortan auch Autos zu produzieren.

Der „Ursaab“

Unter Leitung des Ingenieurs Gunnar Ljungström bildete die Flugzeugfirma ein 20-köpfiges Entwicklungsteam. Wovon interessanterweise nur zwei Mitglieder über einen Führerschein verfügten. Niemand im Team konnte auf Erfahrungen bei der Entwicklung oder Herstellung von Autos zurückblicken. Also orientierte sich die Entwickler-Mannschaft an den Wettbewerbern. Im Blickpunkt stand dabei DKW. Denn die Marke aus Zschopau lieferte vor dem Zweiten Weltkrieg den beliebtesten Importwagen Schwedens. Sowohl der für DKW typische Frontantrieb als auch die von DKW eingesetzten Zweitaktmotoren galten in den oft harten schwedischen Wintern als gute Lösung.

Frühes Pressebild von SAAB
Frühes Pressebild von SAAB. Der Wagen mit dem amtlichen Kennzeichen P 15913 ist der Versuchswagen Nummer 4 (92004) aus dem Jahr 1948. (Foto: IDENTIFIKATIONSNUMMER TEKA0019876 ALTERNATIVNUMMER C12418; Okänd, Teknik- och industrihistoriska arkivet / Tekniska museet)

Den ersten Prototyp mit der Bezeichnung Saab 92001, der heute „Ursaab“ heißt, rüsteten die SAAB-Entwickler bei Testfahrten daher gleich mit einem 18 PS starken DKW-Motor aus. Insgesamt legten sie mit dem Entwicklungsträger mehr als 530.000 Testkilometer zurück. Wobei sie sich aus Gründen der Geheimhaltung überwiegend Nachts oder Frühmorgens auf abgelegenen Waldwegen bewegten. Die Gestaltung des Wagens verantworte Designer Sixten Sason, der auch die legendäre Hasselbladkamera gestaltete. Sason, der eigentlich Karl-Erik Sixten Andersson hieß, war bereits seit 1939 bei Saab als Chef der Zeichnerabteilung angestellt.

Zwei Jahre nach der Vorstellung des Prototypen nahm Saab die Serienproduktion auf. Im Saab 92 kam ein exklusiv für SAAB entwickelter wassergekühlten Zweizylinder-Zweitaktmotor (Thermosyphon-Kühlung ohne Umwälzpumpe) zum Einsatz. Aus 764 cm³ Hubraum mobilisierte der quer eingebaute Motor 18,4 kW (25 PS) bei 3800/min, die über ein teilsynchronisiertes Dreiganggetriebe die Vorderräder antrieben. Der Wagen hatte eine Zahnstangenlenkung und eine Lenkradschaltung. In der selbsttragenden zweitürigen Karosserie gab es vier Sitze. Der Kofferraum im Heck war nur von innen zugänglich – ein Konzept, das jüngst beim Tata Nano eine späte Wiederauferstehung feierte.

Die Erfindung des Crash-Tests

Da im Schweden der 40er-Jahre bei jeden sechste Autounfall einen Elch beteiligt war, legten die Entwickler beim Saab 92 Wert auf eine besonders stabile Fahrgastzelle. Um die Stabilität der Konstruktion zu testen, entwickelten sie einen besonderen Crashtest. Sie hängten die Entwicklungsmuster kopfüber auf und ließen sie aus mehreren Metern auf den Boden fallen. Der Aufwand lohnte sich. Denn die Erkenntnisse, die die Techniker mit diesem rustikalen Verfahren gewannen, ließen den ersten Saab schließlich zum sichersten Auto seiner Zeit reifen.

Nach einem Facelift, zu dem 1952 ein von außen zugänglicher Kofferraum und ein größeres Heckfenster gehörten, verkaufte sich der Saab 92 erstmals auch in geringen Stückzahlen ins Ausland. Außerdem engagierte sich Saab im Motorsport. Greta Molander gewann im selben Jahr mit einem auf 35 PS getunten Saab 92 die Damenwertung der Rallye Monte Carlo. 1955 siegte Erik Carlsson, der später Schwager des Formel-1-Fahrers Stirling Moss werden sollte, mit einem Saab 92B bei der Schweden-Rallye.

Ebenfalls 1955 erschien das geringfügig modifizierte Nachfolgemodell Saab 93. Für dieses entwickelten die Schweden in Zusammenarbeit mit der deutschen Firma Heinkel einen 33 PS starken 3-Zylinder-Zweitaktmotor mit 748 cm³ Hubraum. Zudem überarbeitete SAAB das Fahrwerk umfangreich. Die Drehstäbe wichen Schraubenfedern. Die Schwingenachsen des ursprünglichen Modells tauschten die Entwickler vorne mit doppelten Dreieckslenkern und einer Starrachse hinten aus.

Saab Sonett III
Der Saab Sonett der dritten Generation entstand in Zusammenarbeit mit der Coggiola Carrozziere. (Foto: Tom Schwede)

Ein Jahr nach dem SAAB 93 stellte Saab auf dem Stockholmer Automobilsalon den Saab Sonett vor. Die Karosserie dieses schließlich nur sechs mal hergestellten Sportwagens bestand aus genieteten Aluminiumplatten. Die Leistung des bekannten 3-Zylinder-Zweitaktmotor steigerten die Entwickler für den Einsatz im Sportwagen auf 57,5 PS. Damit erreichte der knapp 500 kg leichte Schwede eine Höchstgeschwindigkeit von rund 160 km/h. Zwei Nachfolger des Sonett leisteten sich die Schweden später, trotzdem blieben die Sportwagen von SAAB immer Exoten.

Rallye Monte Carlo und viele, viele Innovationen

1960 stellte Saab den Saab 96 vor, der schließlich 20 Jahre im Programm blieb. Was erstaunt, da der Saab 96 im Prinzip „nur“eine Weiterentwicklung des Saab 93 war. Ab 1962 gab es den Saab 96 auch als GT. Dessen 52 PS beschleunigten das Fahrzeug auf eine Höchstgeschwindigkeit von knapp 150 km/h, Scheibenbremsen an den Vorderrädern sorgten für eine bessere Verzögerung. Erik Carlsson trieb den Saab 96 GT 1962 und 1963 zum Gesamtsieg bei der Rallye Monte Carlo.

Bereits 1964 bot SAAB serienmäßig eine diagonal geteilte Zweikreisbremsanlage an. Bis 1966 vertraute Saab auf ihren Heinkel-Zweitakter, dessen Hubraum inzwischen 841 cm³ betrug. Dann ersetzte SAAB den Zweitakter durch einen V4-Viertakt-Motor von Ford. Ab 1968 trugen alle Fahrzeuge von Saab aus Sicherheitsgründen ihr Zündschloss auf der Mittelkonsole. Dies ermöglichte einen besonderen Diebstahlschutz. Beim Abziehen des Schlüssels sperrt ein Stahlbolzen das Getriebe. Damit galten Autos von SAAB lange als sehr sicher vor Langfindern.

Saab war ein innovativer Autobauer

Denn schon 1970 bot Saab als erster Autohersteller eine Scheinwerfer-Wisch-Anlage an. Ein Jahr später folgten beheizbare Vordersitze. Trotzdem war die Marke besonders in der eigenen Heimat immer das Auto des Durchschnittsbürgers. Das Image, Besserverdiener anzusprechen, entstand nur im Ausland. 1968 präsentierte Saab den größeren SAAB 99, der primär für den Export entstand. Erstaunlich ist, dass der 99 nach zwei Jahrzehnten Autobau erst die zweite SAAB-Konstruktion für den Massenmarkt war. Beim Antrieb griff Saab im 99 aus Kostengründen auf einen Viertakter von Triumph zurück. Auf Basis dieses Triebwerks stellte Saab 1977 den ersten wirklich serienreifen Turbolader in einem PKW vor.

SAAB Motor von 1986
Der 2-Liter-16-Ventil-Saugmotor B202 (Ansicht von rechts) in einem Saab 900 Dreitürer von 1986. (Foto: Foto: Mr.choppers/Wikimedia)

Schon 1979 stellte Saab mit dem Saab 900 sein wohl bekanntestes Modell vor. Auch hier bestritten die Schweden den bisherigen Weg. Denn der SAAB 900 basierte auf dem SAAB 99 und war keine vollständige Neuentwicklung. In den 1980er-Jahren platzierte SAAB dann oberhalb des 900er den größeren 9000. Er entstammte einer Zusammenarbeit mit Fiat, Lancia und Alfa Romeo. Mit ihm durchbrach SAAB die Marke von zwei Millionen gebauten Fahrzeugen. Das baute ein Massenhersteller wie Volkswagen schon in den 1960er-Jahren.

General Motors übernahm die Regie und fuhr SAAB in die Pleite

Insofern wurde der Automarkt für SAAB immer schwieriger. Denn die kleinen Stückzahlen verhinderten einen nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg. Bereits Ende der 80er-Jahre ging die schwedische Firma daher eine enge Kooperation mit dem US-Konzern General Motors (GM) ein. Schrittweise übernahm GM die Automobilsparte der „Svenska Aeroplan Aktiebolaget“ zu 100 Prozent, war ab 2000 alleine Herr im Haus. Die angebotenen Modelle verloren damit ihre technische Eigenständigkeit.

Kritiker sprechen davon, dass General Motors die Marke Saab zu Tode angepasste. Denn SAAB musste jetzt verstärkt auf GM-Komponenten zurückgreifen. Trotzdem (oder deswegen) schrumpfte der Absatz kontinuierlich. Im Jahr 2008 verkauften die immerhin 4.000 SAAB-Beschäftigten nur noch rund 93.000 Fahrzeuge. Im Februar 2009 meldete Saab Insolvenz an. Zuvor verweigerte der schwedische Staat eine Staatshilfe zur SAAB-Rettung. Damit ist die Zukunft ungewiss.

Denn auch wenn die Unternehmensleitung davon spricht, dass es sieben bis acht seriöse Kaufinteressenten für Saab gebe, gehen viele Schweden vom endgültigen Aus für die (ehemalige) Kultmarke aus. Denn die Rechte an den Autos der GM-Töchter liegen in der Regel in den USA. Insofern wird kein SAAB-Neustart ohne GM funktionieren. Doch GM hat genug eigene Probleme. Ein größeres Engagement im Ausland ist den US-Gewerkschaften nicht zu vermitteln, wenn GM gleichzeitig in der Heimat Arbeitsplätze abbauen muss.


Infos zum Titelbild dieses Beitrags:
Altes Logo von SAAB im Kühlergrill eines Fahrzeugs

Foto: Tom Schwede

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Themen in diesem Artikel:

Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!