Aus dem Archiv

War Enzo Ferrari 1966 in Monaco?

Beim Stöbern in unserem Archiv fiel mir kürzlich ein Foto aus Monte Carlo in die Hände. Es entstand dort 1966 beim Großen Preis von Monaco. Am Rand des Bild stehen drei Männer. Ich frage mich, ob einer davon Enzo Ferrari sein könnte. Das wäre eine Überraschung. Denn zu den Mythen um den Italiener gehört, dass dieser sein Land ab 1957 nicht mehr verließ.

Szene aus dem Grand Prix von Monaco 1966 – steht links Enzo Ferrari?
Während im Hintergrund Graham Hill unterwegs ist, stehen drei Männer auf der Straße. War einer von Ihnen Enzo Ferrari? (Foto: Archiv AutoNatives.de)

Unser Archiv umfasst inzwischen mehr als 150.000 Fotos. Den Grundstock bilden die Fotos, die im Laufe der Jahre an Rennstrecken und bei Oldtimer-Messen entstanden. Daneben gehören zum Archiv auch Negative und Dias, die bei Auktionen von Sammlungsauflösungen den Weg zu uns fanden. Auch diese Bilder sind inzwischen vollständig digitalisiert. Beim Stöbern in Lightroom stieß ich kürzlich auf einen Satz Fotos aus Monte Carlo. Ich erwarb sie vor ein paar Jahren. Ein Motorsport-Freund aus Stuttgart fertigte sie 1966 beim Großen Preis von Monaco an.

Zum Satz gehören Bilder vom ganzen Renn-Wochenende!

Der Fotograf dokumentierte damals offenbar das gesamte Renn-Wochenende mit seiner Kamera. Denn die Bilder entstanden an unterschiedlichen Punkten der Strecke. Es gibt Bilder aus der Gazometré-Kehre als auch Fotos aus der heutigen „Grand Hotel-Haarnadel“. Dazu kommen weitere, die vor dem Casino entstanden. Einige Fotos zeigen Szenen aus dem Formel 3-Rennen. Dieses Nachwuchsrennen fand schon einen Tag vor dem Grand Prix statt. Andere Bilder zeigen dagegen den Grand Prix. Auf ihnen sind Formel 1-Rennwagen zu sehen und im Hintergrund stehen auch deutlich mehr Zuschauer als auf anderen Bildern.

Bei den Fotos, die vor dem Casino entstanden, entdeckte ich ein Bild, das mich sofort besonders faszinierte. Im Hintergrund beschleunigt Graham Hill aus der Kurve vor dem Casino heraus und strebt der Mirabeau entgegen. Das Festhalten dieses Moments war wohl das Ziel des Fotografens. Doch im Vordergrund stehen drei Männer, die meinen Blick binden. Strenggenommen befinden sie sich auf der Strecke und blicken dem B.R.M. P261 von Hill hinterher. Einer der Herren ist uniformiert. Er gehört der Polizei von Monaco an. Seine Schulterklappen deuten auf einen höheren Dienstrang hin.

Wer ist der Mann, der am linken Bildrand steht?

Interessant ist der Herr im Anzug, der links von dem Uniformierten steht. Ein Anzug war damals für viele Besucher von Sportveranstaltungen eine übliche Kleidung. Praktisch auf allen Fotos, die bis in die 1960er-Jahre bei Sport-Veranstaltungen entstanden, trägt das Publikum überwiegend Ausgehkleidung. Bei den Herren war das meist ein Anzug. Dort, wo es notwendig war, gehörten zu diesem auch ein Mantel und ein Hut. Die Damen standen den Herren in Nichts nach. Sie trugen meist ein Kostüm und in der Regel auch einen Hut. Insofern kleidete sich der Herr auf dem Foto sicherlich der Zeit entsprechend.

Die Frage, die ich mir beim Betrachten dieses Bilds jedes Mal stelle, ist, links Enzo Ferrari steht. Figur und Frisur könnten passen. Doch üblicherweise heißt es, dass der Gründer des gleichnamigen Sportwagenherstellers Italien in seinen späten Jahren nicht verlies. Denn der Commendatore musste seinen Reisepass nach der Katastrophe bei der Mille Miglia 1957 abgeben. Damals ermittelte die Justiz, ob Ferrari eine Mitschuld am Unfall seines Piloten Alfonso de Portago traf. Auch der Vatikan wetterte gegen Ferrari und den Motorsport.

Die Geschichte des eingezogenen Reisepasses!

Denn beim Unfall des Ferrari-Piloten starben neben dem adeligen Spanier auch sein Beifahrer Edmund Nelson und neun Zuschauer. Das anschließende Strafverfahren zog sich vier Jahre hin. Und endete mit einem sauberen Freispruch in allen Anklagepunkten. Enzo Ferrari kränkte, so heißt es, das Verfahren sehr. Der stolze Italiener habe erwartet, dass die Behörden ihm den eingezogenen Reisepass zurückgeben. Das sei nicht passiert. Aus Stolz beantragte Ferrari – so heißt es – nie einen neuen Reisepass.

Enzo Ferrari und sein Lieblingspilot Gilles Villeneuve
Enzo Ferrari und sein Lieblingspilot Gilles Villeneuve. Der Kanadier erinnerte den Commendatore immer an Tazio Nuvolari. Diese Aufnahme aus dem Presse-Pool von Ferrari entstand gut 15 Jahre nach unserem Bild aus Monaco. (Foto: Ferrari)

Das schränkte, wenn es denn wahr ist, den Bewegungsspielraum des Italieners ein. Denn erst ab 1995 entfielen beim Grenzübertritt zwischen den europäischen Kernstaaten die Kontrollen. Wer in den 1960er-Jahren in ein anderes Land reistee, der benötigte einen Reisepass. Wobei es auch damals immer Möglichkeiten gab, um Grenzkontrollen zu umgehen. „Grüne Grenze“ nannte der Volksmund die unbewachten Grenzübergänge. Auch mit dem Schiff war es möglich, ohne Kontrolle über das Ligurische Meer von Italien nach Monaco zu fahren.

Was meint Ihr? Ist das Enzo Ferrari?

Deshalb hätte es Enzo Ferrari 1966 sicherlich auch ohne Reisepass geschafft, nach Monaco zu kommen. Zudem ist unklar, ob die Story vom nicht erneut beantragten Pass stimmt. Denn so einiges, was bis heute über den Commendatore erzählt wird, ist ein Mythos. Enzo Ferrari verstand es wie kaum ein Zweiter, an seiner eigenen Legende zu stricken. Deshalb ist es nicht ausgeschlossen, dass Enzo Ferrari 1966 beim Grand Prix in Monaco war. Zumal denkbar ist, dass die neuen Motoren-Regeln, die Enzo Ferrari begrüßte, dem Commendatore einen Grund gaben, um vor Ort zu sein. Was meint Ihr? Steht auf dem Bild Enzo Ferrari?


Details zum Großen Preis von Monaco 1966?

Der Große Preis von Monaco war im Mai 1966 das erste Rennen der Automobil-Weltmeisterschaft. Mit dem späten Saisonbeginn gab die CSI den Teams der Königsklasse Zeit, um sich auf die am Anfang des Jahres neu eingeführten Motorregeln zu reagieren. Denn im Vorjahr trat die Formel 1 noch mit 1,5 Liter großen Triebwerken an. Ab 1966 waren drei Liter Hubraum erlaubt. Doch solche Motoren gab es kaum. Deshalb traten die Team teilweise mit aufgebohrten Vorjahrestriebwerken an.

Pos.FahrerTeam und FahrzeugZeit
1 Jackie StewartOwen Racing Organisation
B.R.M. P261 – B.R.M. 2.0 V8
 2:33:10 Stunden
2 Lorenzo BandiniFerrari
Ferrari 246 Tasman – Ferrari 2.4 V6
 + 40,2 Sekunden
3 Graham HillOwen Racing Organisation
B.R.M. P261 – B.R.M. 2.0 V8
+ 1 Runde
4 Bob BondurantTeam Chamaco Collect
B.R.M. P261 – B.R.M. 2.0 V8
+ 5 Runden
Das Ergebnis des Grand Prix von Monaco 1966

Die Renndistanz betrug damals 100 Runden. Das entsprach 314,5 Kilometer. 16 Fahrer nahmen das Rennen auf. Nur vier von ihnen sahen am Ende die Zielflagge in Wertung. Die Cooper-Kunden Guy Ligier und Jo Bonnier kamen mit 25 beziehungsweise 27 Runden Rückstand ins Ziel. Das Rennen gewann  Jackie Stewart, der im B.R.M. P261 mit einem 2.0 Liter V8 antrat.

Bruce McLaren im McLaren M2B
Auch dieses Foto von Bruce McLaren, der 1966 in Monaco im McLaren M2B mit einem von einem Serientriebwerk abstammenden V8 von Ford antrat, stammt aus unserem Archiv – Foto: Archiv AutoNatives.de

Infos zum Titelbild dieses Beitrags:
Während im Hintergrund Graham Hill unterwegs ist, stehen drei Männer auf der Straße.

Foto: Archiv AutoNatives.de

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Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!

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