Rennsport-Geschichten

Rennwagen des Monats: AVS Shadow Mk1

Die CanAm und ihre teilweise aberwitzigen Rennwagen waren schon mehrfach Thema in unserem Auto-Blog. So schrieben wir zunächst über die Erfolge von McLaren oder Porsche und dann über den Fehlschlag von Ferrari. Doch die Geschichte der CanAm ist wesentlich reichhaltiger. Legendär ist auch der AVS Shadow Mk1, der in den letzten Jahren regelmäßig auf deutschen Rennstrecken Gast war.

Harm Lagaay mit dem AVS Shadow Mk1 im historischen Motorsport am Nürburgring.
Harm Lagaay mit dem AVS Shadow Mk1 im historischen Motorsport am Nürburgring. (Foto: Tom Schwede)

Die Gruppe-7 Rennwagen der CanAm kannten kaum Grenzen. Wichtig war nur, dass der Rennwagen zwei Sitzplätze hatte und die Karosserie die Räder bedeckte. Hubraumlimit oder Beschneidungen der Aerodynamik? Fehlanzeige! Das machte den Chevy Mark IV „big block“ Motor schnell zum Standardantrieb der Szene. Denn der amerikanische V8 war vergleichsweise günstig und trotzdem leistungsstark. Im Kampf um das schnellste Auto übertrumpften sich die Konstrukteure mit aus heutiger Sicht teilweise absurd und abenteuerlich anmutenden Konstruktionen.

Auftritt Don Nichols

Auf der Suche nach mehr Speed sagten die Designer besonders dem Luftwiderstand den Kampf an. Daher konstruierten sie rund um die größten Motoren der Motorsport-Geschichte oft besonders flache Fahrzeuge. Ein Vertreter dieser Generation aufregender Rennwagen war der 1970 eingesetzte AVS Shadow Mk1 aus dem Team von Don Nichols. Nichols, ein 1924 geborener Amerikaner, blieb nach dem Korea-Krieg in Asien hängen. Später rankten sich um diese Jahre im fernen Osten wilde Geheimdienstgeschichten. Doch vermutlich war das nur eine Legende. Es gab zwar einen ranghohen Militär gleichen Namens. Doch dieser landete später jedoch wegen zahlreicher Vergehen zunächst im Gefängnis und dann in einer Besserungsanstalt.

Logo von Shadow und Advanced Vehicle Systems (AVS)
Logo von Shadow und Advanced Vehicle Systems (AVS) (Foto: Tom Schwede)

Der spätere Teambesitzer Nichols war tatsächlich in den 1960er-Jahren wohl „nur“ einige Jahre als Reifentechniker in Japan tätig. So war der Amerikaner unter anderem Berater der Japan NASCAR Corporation (JNC). Diese wollte ursprünglich Ovalrennen in Japan etablieren. Dazu nahm sie 1963 in Oyama am Fuße des Bergs Fuji den Bau eines 2,5 Meilen-Superspeedways in Angriff. Doch das Geld war schneller zu Ende als die Strecke fertig. Statt einer Oval-Rennstrecke entstand auf dem Gelände einige Jahre später der Straßenkurs Fuji Internation. Die lange Gerade sowie Reste einer überhöhten Kurve zeugen von den ursprünglichen Plänen.

Kurz nach der Eröffnung der Strecke in Fuji kehrte Don Nicols in die USA zurück, um 1968 die Firma Advanced Vehicle Systems (AVS) zu gründen. Das Ziel der Unternehmung war von Anfang an der Gewinn der CanAm-Serie. Der AVS Shadow MkI war der erste Schritt in diese Richtung. Shadow (Schatten) als Rennwagen-Namen interpretierten viele als Anspielung auf den angeblichen Geheimdiensthintergrund. Doch tatsächlich war der Name wohl eine Würdigung einer Radioserie, die der Unternehmensgründer als Kind gern hörte. Sie wurde übrigens 1937 und 1938 von Orson Welles gesprochen.

Flach, flacher, Shadow Mk1

Der von Trevor Harris entworfene Shadow MkI hob sich im Design deutlich von seinen Wettbewerbern von Lola oder McLaren ab. Um den Luftwiderstand zu verringern, entschied sich Harris für 10 Zoll große Reifen an der Vorderachse und 13 Zoll große Reifen an der Hinterachse. Einige Jahre später verfolgte Tyrrell in der Formel 1 mit dem heute legendären P34 ein ähnliches Konzept. Das Ziel den Luftwiderstand zu senken, erreichte Harris mit dem Rennwagen. Heute nehmen Experten an, dass der Shadows Mk1 theoretisch in der Lage wäre, mehr als 400 Kilometer pro Stunde schnell zu sein.

Der AVS Shadow Mk1 ist extrem flach und bietet dem Wind kaum Angriffsfläche.
Der AVS Shadow Mk1 ist extrem flach und bietet dem Wind kaum Angriffsfläche. (Foto: Tom Schwede)

Doch die Höchstgeschwindigkeit ist im Rennsport immer nur eine Seite der Medaille. Mit seinen kleinen Reifen schränkte das Konzept des Shadow den Federweg erheblich ein. Anders als die Konkurrenz konnte das Team nur vergleichsweise wenig mit den Federraten arbeiten. Dazu litt der Rennwagen darunter, dass in die kleinen Räder nur acht Zoll große Bremsen passten. Die aufwendige Kühlung der kleinen Bremsen fraß einen Teil des aerodynamischen Vorteils wieder auf.

Im AVS Shadow Mk1 ist es eng!

Auch für die Piloten George Follmer und Vic Elford stand vergleichsweise wenig Platz im Fahrzeug zur Verfügung. Der Fahrerplatz fiel sehr eng aus. Dazu kam eine (damals) für die Piloten ungewohnte Sitzposition. Die Piloten lagen mehr auf dem Rücken, als sie auf dem Allerwertesten saßen. Das schränkte die Piloten im Kampf mit dem Rennwagen ein, weil den Armen in dieser Liegeposition die Kraft fehlt. 1986 wiederholten Gordan Murray und David North beim Brabham BT55 diesen Konstruktionsfehler. Erst im McLaren MP4/4 wurde diese Sitzposition zur Erfolgsgeschichte.

Lenkrad des AVS Shadow Mk1
Lenkrad des AVS Shadow Mk1 (Foto: Tom Schwede)

Das Design des Shadow Mk1 war so extrem, dass im Fußraum des Cockpit kein Platz für ein konventionelles Kupplungspedal war. Die Piloten bedienten daher die Kupplung beim Start über einen Handhebel. Das war eine Herausforderung für das Getriebe. Dazu sorgten die kleinen Reifen für vergleichsweise hohe Drehzahlen auf der Ausgangsseite des Getriebes. Beides zusammen verursachte regelmäßig für thermische Probleme im Getriebe. Shadow lies daher die Standardgetriebe von Hewland aufwendig und teuer modifizieren.

Unzuverlässig und ohne Zielankunft

Ähnliches galt für die Motoren. Um sie tiefer in das kleine Chassis setzen zu können, benötigte Shadow für seine Motoren spezielle Ölwannen und eine Anpassung der Schmierung. Alles zusammen führte dazu, dass der AVS Shadow Mk1 schrecklich unzuverlässig war. In der gesamten Saison 1970 sah keiner der Shadow-Piloten die Zielflagge. Als ausnahmsweise das Auto nicht überhitzte verlor der Rennwagen ein Rad. Erst mit dem Nachfolger Shadow MkII gelang dem Team 1971 die erste Zielankunft. Drei Jahre später gewann AVS mit dem Shadow DN4 tatsächlich den Titel der CanAm-Serie.

Harm Lagaay in seinem AVS Shadow Mk1
Harm Lagaay in seinem AVS Shadow Mk1

Doch im Zuge der Ölkrise lag die CanAm da schon im Sterben. Denn die Werksteams hatten sich zu diesem Zeitpunkt bereits aus der Serie zurückgezogen. Und auch Shadow strebte bereits nach anderen Erfolgen. Seit 1973 gingen Advanced Vehicle Systems und Shadow parallel zur CanAm auch in der Formel 1 an den Start. Heute gehört der erste Shadow übrigens dem ehemaligen Porsche-Chef-Designer Harm Lagaay. Der Niederländer führt den AVS Shadow Mk1 seit 2010 regelmäßig bei Veranstaltungen des historischen Motorsports aus.


Infos zum Titelbild dieses Beitrags:
AVS Shadow Mk1 im Einsatz im historischen Motorsport am Nürburgring.

Foto: Tom Schwede

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Themen in diesem Artikel:

Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!