Rennsport-Geschichten

Formel 1-Motoren von Coventry Climax

Mit der Feuerwehr-Pumpe zur Formel 1 Weltmeisterschaft

Auf dem Entwicklungsplan der Motoren-Entwickler der Motorenfirma Coventry Climax stand 1950 ein Vierzylinder-Motor für die Pumpe einer Tragkraftspritze. Diese Pumpen tragen Feuerwehr-Leute beim Einsatz von der Feuerwehr mit Muskelkraft zu einer Wasserstelle. Um Gewicht zu sparen, entstand daher bei Coventry Climax ein Pumpenmotor aus Aluminium. Diese Motor stieg nebenbei zu einem der erfolgreichsten Rennmotoren der 1950er und 1960er-Jahre auf.

Der typische Zylinderkopf eines Motors von Coventry Climax
Der typische Zylinderkopf eines Motors von Coventry Climax

In Coventry und den West Midlands entstanden bereits in den 1890er-Jahren motorisierte Fahrzeuge. In der Stadt ansässige Fahrrad-Hersteller wie „Humber“ oder „Riley“ erweiterten ihre Produktpalette um Motorräder. Gottlieb Daimler gründete 1896 in Coventry gemeinsam mit Geschäftspartnern die „Daimler Motor Company“, um Nutzfahrzeuge zu bauen. Spätestens als mit der „Triumph Cycle Company“ einer der größten Fahrrad-Hersteller seiner Zeit 1902 ebenfalls die Produktion von Motorrädern aufnahm, galt Coventry als Zentrum britischen Motor-Industrie.

Solche epochalen Veränderungen erzeugen schnell eine Sogwirkung. Angestellte größerer Firmen gründen eigene Firma, um mit ihren Ideen Geld zu verdienen. Auch der Brite Henry Pelham Lee und der Dänen Jens Stroyer, die als Ingenieure bei der „Daimler Motor Company“ arbeiteten, wagten in diesem Klima den Schritt in die Selbständigkeit. 1903 gründeten sie die Motorenfirma Lee Stroyer. Doch das gemeinsame Geschäft funktionierte nicht. Der Däne Stroyer schied bereits nach zwei Jahren aus dem gemeinsamen Unternehmen aus.

Der Einstieg als Motoren-Lieferant

Pelham Lee wurde Alleininhaber und benannte die Firma in Coventry-Simplex um. Doch das Geschäft blieb zunächst schwierig. Erst 1911 gelang es, einen Großauftrag an Land zu ziehen. Die eben gründete Firma GWK entschied sich, ihre Motoren bei Coventry-Simplex einzukaufen. Bis 1915 verkaufte Coventry-Simplex rund 1.000 Motoren an GWK. Das schuf Vertrauen bei weiteren Kunden. Polarforscher Ernest Shackleton rüstete die Traktoren seiner ersten Antarktis Expedition mit den Motoren aus Coventry aus. Lionel Martin bestückte den ersten „Aston Martin“ mit einem Coventry-Simplex Motor. Der Firma war es jetzt erfolgreich gelungen, sich zu etablieren.

Standardmotor der britischen Auto-Industrie

Im Ersten Weltkrieg nahm das Unternehmen Stromerzeuger ins Programm auf. 1917 benannte Pelham Lee seine Firma um. Aus den Namenszusatz Simplex wurde die Steigerung Climax, um die Weiterentwicklung des Unternehmens auszudrücken. In den 1920er und 1930er-Jahren stiegen die Motoren von Coventry Climax zum Standardmotor der britischen Automobilindustrie auf. Insbesondere der Anfang der 1930er-Jahre vorgestellte Typ OC, ein 1.122 ccm großer Vierzylinder-Reihenmotor fand reißenden Absatz. Zu den Kunden gehören Firmen wie Morgan, Triumph, Swift, Standard oder Vale.

Coventry Climax diversifiziert

Doch die Weltwirtschaftskrise Ende der 1920-Jahre beendet auch in England den Aufschwung. Zahlreiche der Kunden des Hauses geraten in Schwierigkeiten, Swift geht 1931 sogar Pleite. Coventry Climax bleibt auf einer größeren Stückzahl bestellter Motoren sitzen. Inzwischen liegt die Geschäftsführung in den Händen von Leonard Pelham Lee, dem Sohn des Gründers. Der Junior macht aus der Not eine Tugend und beginnt das Angebot der Firma zu diversifizieren. Aus den 800 ccm Motoren, die Swift nicht mehr abgenommen hat, baut die Firma wie im Ersten Weltkrieg Stromerzeuger.

Ab 1937 fertigt Coventry Climax Feuerwehr-Pumpen, die sie „Godiva“ nennt. Nach dem Zweiten Weltkriegs laufen auch die Geschäfte mit den Auto-Motoren wieder an. Coventry Climax gewinnt – nach und nach – mit Firmen wie Clan, Hillmann, Kieft, Lotus, Cooper oder TVR neue Kunden. Zudem entstehen Dieselmotoren für die Schifffahrt. 1946 stellt Coventry Climax den ersten britischen Gabelstapler vor. Als 1950 Walter Hassan, der zuvor für Bentley, ERA und Jaguar tätig war, zu Coventry Climax stößt, nimmt das Schicksal seinen Lauf.

Walter Hassan kannte sich im Motorsport aus!

Denn der 1905 geborene Hassan begann sein Arbeitsleben mit 15 Jahren als Angestellter von Walter Owen Bentley. Bald war Hassan Rennmechaniker und stieg wie damals üblich als Beifahrer ins Cockpit der von Bentley eingesetzten Rennwagen. Als persönlicher Rennmechaniker von Bentley-Legende Woolf Barnato freundete sich Hassan mit dem Ur-Vater der Bentley-Boys an. Gemeinsam mit dem dreifachen Le Mans Sieger entwickelte Hassan 1932/33 den Barnato Hassan.

Nach einem Zwischenstopp bei ERA wechselte Hassan 1938 zu SS Cars, ab 1945 Jaguar. Bei Jaguar steigt Hassan zum Entwicklungs- und Versuchsleiter auf und war gemeinsam mit Bill Heynes für den legendären Jaguar-Motor XK6 verantwortlich. Hassan folgt 1950 mit dem Wechsel zu Coventry Climax dem Ruf seines Freundes und Ex-ERA-Kollegen Harry Mundy. Das erste Projekt für den neuen Arbeitgeber ist die Entwicklung eines Motors für die Tragkraftspritzen des Hauses.

Entwicklungsziel: Ein Motor für eine Feuerwehr-Pumpe

Die Vorgaben im Lasterhaft lauten: Pump-Leistung verdoppeln und das Gewicht der Pumpen deutlich reduziert. Gemeinsam mit Claude Baily entwickeln Hassan und Mundy in rund sieben Monaten den gewünschten Motor. Das Ergebnis ist ein kleiner und leichter Alu-Motor mit einer obenliegender Nockenwelle. Der FW – für „Feather Weight“ ( = Federgewicht) – genannte Motor verfügt über einen Hubraum von 1.020 ccm und leistet in den Feuerwehr-Version 38 PS.


FWB von Coventry Climax

Motorsportler wie Colin Chapmann und Cyril Kieft erkennen schnell das Potential des leichten Motors. Auch wenn das Entwicklertrio stets behaupten wird, bei der Entwicklung des Motors nicht an einen Einsatz im Motorsport gedacht zu haben, brennt die Lunte damit. 1953 steht der Coventry Climax FWA (A für Automobile) zur Verfügung. Mit einer überarbeiteten Kurbelwelle, anderen Kolben, einer höheren Verdichtung sowie einem überarbeiteten Zylinderkopf leistet der kleine Motor jetzt bereits 72 PS bei 6.100 U/min.

Die Motorsport-Karriere beginnt in Le Mans

Kieft setzt den FWA 1954 in Le Mans ein. Auch der Einsatz mit einem Ausfall endet, legt der Ausflug nach Frankreich den Grundstein für eine wohl beispiellose Motorsport-Karriere des Triebwerks. Das Team rund um Walter Hassan experimentiert und vergrößert den Motor. Etwas mehr Bohrung und mehr Hub vergrößern den Hubraum auf 1.460 ccm. Dieser FWB genannte Motor leistet schon 108 PS. Zwischen FWA und den FWB platzieren die Entwickler den 1.216 ccm großen FWE, der – eigentlich für den ersten Lotus Elite vorgesehen – bald zahlreiche Sportwagen antreibt.

Als die Formel 2 an 1957 mit 1,5-Liter großen Motoren ausrückt, sieht Coventry Climax einen Markt. Walter Hassan entwirft für den einen DOHC (Double Overhead Camshaft) Zylinderkopf. Mit ihm entsteht der Coventry Climax FPF als spezielle Rennmotoren. Sie bilden auch die Grundlage für das 2,0 Liter Triebwerk, das John Cooper in der Formel 1 an den Start bringt. Schon 1958 feiern Stirling Moss und Maurice Trintignant mit diesem Motor – gegen die 2,5 Liter Konkurrenz – zwei Grand Prix Siege. 1959 leistet der Motor mit 2,5 Litern Hubraum 220 PS und treibt Jack Brabham zum Weltmeister-Titel. Ein Jahr später gelingt dem Australier die Titelverteidigung.

Der Coventry Climax FWMV sichert zwei weitere WM-Titeln

Als die Commission Sportive Internationale (CSI) 1961 der Hubraum der Formel 1 auf 1,5 Liter reduziert, kommt zunächst wieder der Coventry Climax FWB mit rund 150 PS zum Einsatz. Doch Hassan und sein Team sind schon einen Schritt weiter. Denn in der Zwischenzeit entstand der nur 750 ccm große FWC, um die Feuerwehr-Pumpen des Hauses noch leichter zu machen. Für das Tragen einer mit dem FWC bestückten Pumpe reichten zwei Mann – bei Leistungsdaten, die dem Original FW entsprechen. Den Vorgänger mussten noch vier Träger zum Einsatzort bringen. Auch aus dem FWC leiteten die Entwickler eine Rennsport-Variante ab.


FWMV 1,5 Liter V8 von Coventry Climax (Foto: Duke le palois, Free GNU)

 

Auf der Grundlage des Vierzylinder entstand 1962 der FWMV genannte Coventry Climax-V8. Trevor Taylor fuhr mit dem rund 180 PS leistenden Motor bereits beim Debüt in Zandvoort auf den zweiten Platz. Im Laufe der Saison gewinnt Jim Clark mit dem V8 sogar drei Grand Prix. Trotzdem geht der WM-Titel noch an Graham Hill und B.R.M. Denn B.R.M. bereitet in seinem V8 den Kraftstoff bereits mit einer Einspritzanlage von Lucas auf und ist damit noch im Vorteil.

Zur Saison 1963 bekommt auch der Coventry Climax FWM die Lucas-Einspritzanlage. Damit steigt die Leistung des Motors bei 195 PS und Jim Clark sichert dem Motorenbauer im Lotus 1963 einen weiteren Weltmeister-Titel. Zwei Jahre später, als Clark erneut den Titel gewinnt, verfügt der Achtzylinder über einen Zylinderkopf mit 4 Ventilen pro Zylinder. Zudem reduzierten die Entwickler zweimal den Hub und erweiterten die Bohrung, um höhere Drehzahlen zu erreichen. Damit leistete die „Feuerwehr-Pumpe“ jetzt 210 bis 220 PS.

Der Tod der britischen Automobil-Industrie verdrängte auch Coventry Climax!

Denn ab 1966 gestattet die CSI in der Formel 1 den Einsatz von bis zu drei Liter großen Triebwerken. Das erfordert neue Motoren. Doch Coventry Climax war nicht mehr an Sporteinsätzen interessiert. Obwohl 1966 noch vereinzelt auf 2,8 Liter erweiterte FPF in der Formel 1 an den Start gingen. Aber diese Motoren entstanden meist bei unabhängigen Tunern, die einen der 273 offiziell gebauten FPF umbauten. Denn Coventry Climax war an diesem Geschäft längst nicht mehr interessiert.

Schon 1963 übernahm Jaguar die Firma. Während sich Gabelstapler und Feuerwehr-Pumpen gut verkauften, verlor das Geschäft als Lieferant von Automotoren zuvor kontinuierlich an Fahrt. Coventry Climax war abhängig von den zahlreichen kleinen Autobauern, die in diesen Jahren ihr Geschäft aufgaben oder in größeren Unternehmen aufgingen. Mit den neuen Herren kamen meist eigene Motoren ins Haus. Für einen unabhängigen Motorenbauer war da kein Bedarf mehr.

Cooper T77-Climax
Cooper T77-Climax von 1965 – Inzwischen leistet der V8 des Typs FWMV rund 210 PS.

Auch bei Jaguar konnte Walter Hassan sein Entwicklerteam zusammenhalten. In den Diensten des neuen Arbeitgebers entstand in den nächsten Jahren der inzwischen ebenfalls legendäre Jaguar V12, während sich gleichzeitig der Niedergang der britischen Automobil-Industrie fortsetzte. Jaguar verschmolz 1966 mit der British Motor Corporation (BMC) zur British Motor Holdings (BMH). Diese fusionierte nur zwei Jahre später mit Leyland Motors zur British Leyland Motor Corporation.

Den Geschäftsbereich Feuerwehr-Pumpen lagerte BMH 1967 in die Firma Godiva Fire Pumps aus. In den frühen 1970er-Jahren übernahmen Investoren das Geschäft mit den Feuerwehr-Pumpen. Die Gabelstapler-Produktion wurde 1982 als Climax Conveyancer unabhängig. Doch nach nur vier Jahren war der Spin-off ein Konkursfall. Reste des Unternehmens landeten bei unterschiedlichen Unternehmen. Auf Umwegen landeten die Namensrechte bei einem Investor, der unter dem Markennamen Coventry Climax zeitweise Uhren verkaufte.

Die Motoren von Coventry Climax im Überblick:

  • Ab 1950/1951: FW (für „Feather Weight“ = Federgewicht) – Vierzylinder Reihenmotor mit 1020 cm³ Hubraum und 38 PS Leistung.
  • Aus dem FW wird 1953 der FWA (A = Automobil) mit unverändertem Hubraum und 72 PS bei 6100 U/min Leistung.
  • Mit mehr Hubraum wird der FWA zum FWB. Der FWB verfügt über einen Hubraum von 1460 cm³ und 108 PS Leistung.
  • Der 1957 vorgestellte Rennmotor FPF verfügte bei 1475 cm³ (81,2 × 71,1 mm) über 140 PS Leistung. Zudem entstehen Varianten mit 1960 cm³ (86,4 x 83,8 mm) und 176 PS Leistung sowie 2495 cm³ (94,0 × 89,9 mm) und 220 PS Leistung. 1961 folgt eine Version mit 1498 cm³ (82,1 × 71,1 mm) und 150 PS Leistung.
  • Der FPF ging konstruktiv auf den 1954 entwickelten Achtzylinder FPE zurück. Diesen Motor verkaufte Coventry Climax jedoch an Paul Emery, der in 1966 im Shannon SH-1 in der Formel 1 einsetzte.
  • Für Kundenfahrzeuge entsteht der FWE mit einem Hubraum von 1216 cm³.
  • Als Pumpenmotor entsteht der FWC mit 750 cm³ Hubraum.
  • Auf Grundlage des FWC entsteht 1961 der FWMV als V8 mit 1,5 Liter Hubraum und zunächst 180 PS Leistung. Dank einer Einspritzanlage steigt die Leistung später auf rund 210 PS. Zudem gab es diesen Motor mit mindestens drei unterschiedlichen Konfigurationen bei Bohrung und Hub (63 x 60 mm, 68 x 52 mm und 72 x 45 mm).
  • Ohne Einsatz blieb der 1965 entwickelte FWMW in V16-Konfiguration mit 1,5 Liter Hubraum (54 x 41 mm). Dieser Motor war jedoch schwerer als der FWMV und verfügte über weniger Drehmoment. So entschied sich Coventry Climax trotz höherer Drehzahlen gegen einen Einsatz.

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