Eins steht fest, ohne den Ingenieur, Journalisten, Verleger und Rennfahrer wäre der Motorsport vermutlich um eine große Herausforderung ärmer. Denn Charles Faroux prägte die 24-Stunden-Rennen von Le Mans wie wohl kein anderer.
Seit ich denken kann interessieren mich die 24 Stunden von Le Mans. Für mich gehört das Rennen an der Sarthe zu den größten Herausforderungen des Motorsports. Dafür sorgt neben der Länge des Rennens insbesondere der Vollgasanteil auf der mehr als 13 Kilometer langen Rennstrecke. Auch nach dem Einbau der beiden Schikanen, die seit 1990 auf der legendären „Hunaudières Gerade“ des Vorwärtsdrang etwas bremsen, kämpfen die Teilnehmer im Rennen immer noch mit rund 85% Vollgas gegen die Zeit.
Eine wichtige Rolle dabei, dass wir bis heute an diesem Rennen erfreuen dürfen, spielte Charles Faroux. Der Sohn eines wohlhabenden Viehhändlers erblickte am 29. Dezember 1872 in Amiens das Licht der Welt. Nach dem Abschluss des Maschinenbaustudiums nahm sich Faroux Zeit, um die Welt zu erkunden. Ende des 19. Jahrhunderts reiste der junge Franzose in die USA. Hier schrieb Faroux Reiseberichte über seine Zeit in Alaska, die in verschiedenen französischen Zeitschriften veröffentlicht wurden.
Charles Faroux war Rennfahrer und Journalist
Nach der Rückkehr in die Heimat begann Charles Faroux, im Jahr 1900 für die angesehene Automobilzeitschrift l’Auto zu arbeiten. Innerhalb weniger Jahre stieg Faroux zu einem der renommiertesten französischen Motorjournalisten seiner Zeit auf. Nebenbei nahm der Franzose an Straßenrennen wie der Coppa Florio teil. So war es kein Wunder, dass der Ingenieur sofort begeistert war, als ihm Georges Durand die Idee vorstellte, in Le Mans ein Langstreckenrennen für Tourenwagen zu veranstalten.
Der ehemalige Journalist Durand war Anfang der 1920er-Jahre ähnlich wie Faroux eine feste Größe in der Motorsport-Szene. Seit Gründung des „Automobile Club de l’Ouest“ (ACO) im Jahr 1906 war Durand als Geschäftsführer des größten französischen Automobilklubs tätig. Schon 1904 spielte Durand eine wichtige Rolle bei der Durchführung des ersten Großen Preis von Frankreich, der ebenfalls in Le Mans ausgetragen wurde.
Fahren wir doch mal 24 Stunden!
Nach einem Treffen auf dem Pariser Autosalon im Oktober 1922 begannen Charles Faroux, inzwischen Herausgeber der Fachzeitschrift „La Vie Automobile“, und Georges Durand mit der Ausarbeitung eines Regelwerks für das von ihnen in Le Mans geplante Langstreckenrennen. Zunächst planten die Beiden, das Rennen über die Distanz von acht Stunden auszuschreiben. Als Finesse sollte das Rennen in der Dunkelheit des späten Abends enden.
So entstand die Startzeit um 16 Uhr, zu der bis heute das Langstreckenrennen in Le Mans startet. Auf der Suche nach Sponsoren, denn Motorsport war auch 1922 ein teures Vergnügen, bezogen die beiden Macher Emile Coquille in ihre Planungen ein. In der Diskussion mit dem Unternehmer entstand dann die Idee, die Länge des Rennens auf einen ganzen Tag auszudehnen. Coquille, unter anderem Generalvertreter des britischen Fahrrad, Motorrad- und Reifen-Herstellers Rudge-Whitworth, stiftete das Preisgeld in Höhe von 100.000 Franc.
Die Landstraßen rund um Le Mans werden zum ultimativen Härtetest!
Für die Austragung des Rennens wählte das Trio eine Strecke, die Le Mans mit den Orten Mulsanne im Süden und Arnage im Südwesten verband. Start und Ziel der ursprünglich 17,262 km langen Strecke lag in der Rue de Laigné direkt in der Innenstadt von Le Mans. Bis heute findet an dieser Stelle in der Woche vor dem Rennen die Fahrzeugpräsentation statt. 1932 verkürzten die Verantwortlichen die Länge der Strecke auf 13,492 km, indem sie Start und Ziel an die heutige Stelle verlegten.
Als am 26. Mai 1923 um 16 Uhr die erste Ausgabe des Rennens startete, stellten sich immerhin 33 Teams mit ihren Wagen der Herausforderung auf der in weiten Teilen unbefestigten Strecke. Zugelassen waren ausschließlich Tourenwagen, die mindestens 30 Mal gebaut sein musste. Rennen mussten sie genauso, wie sie das jeweilige Herstellerwerk verlassen hatten. Um den Einsatz im Alltag zu simulieren, mussten die Fahrzeuge für jeden freien Sitz 60 kg Ballast mitführen.
Charles Faroux wachte mehr als drei Jahrzehnte als Renndirektor über sein Rennen
Charles Faroux achtete als Renndirektor darauf, dass die Teilnehmer die Regeln einhielten. Mehr als drei Jahrzehnte, bis zu seinem Tod im Jahr Februar 1957 übte Charles Faroux dieses Amt aus. Dabei entschied der Franzose meist im Alleingang darüber, wer an seinem Rennen teilnehmen dürfe. Das mag nicht immer jedem gefallen haben, aber zweifelsfrei war es Faroux, der das Rennen in Le Mans zum wichtigsten Langstreckenrennen des automobilen Motorsports machte.