Rennsport-Geschichten

Männer, Ideen und Motoren – 1990 war noch Luft nach unten, Auftritt Life L190

Als die FIA Ende 1988 in der Formel 1 die Turbos verbot, strömten zahlreiche neue Teams in die Königsklasse des Motorsports. Genauso wie einige Motorenbauer, die es mit bescheidenden Mitteln und ungewöhnlichen Ideen mit der etablierten Konkurrenz aufnehmen wollten. Wobei die Grenzen fließend waren. Denn als sich keines der bestehenden Teams zum Einsatz des von ihm finanzierten W-Motors durchringen konnte, gründete der Unternehmer Ernesto Vita 1990 ein eigenes Team. Ohne jeden Erfolg, denn das Team erwies sich als völlig erfolglos. Kein Wunder, das nach dem Scheitern des Teams auch anschließend niemand den „Wundermotor“ haben wollte.

Doch der Reihe nach. Verantwortlich für die Entwicklung des Motors war Franco Rocchi. Der Ingenieur hatte bei Ferrari am legendären Ferrari 330P4 mitgewirkt. Anfang der 1970er Jahre hatte Rocchi bei Ferrari den Motor des 308 entwickelt. Dessen 3,0 Liter großer Achtzylinder gilt bis heute als solide Meisterarbeit. 1980 schied Rocchi bei Ferrari aus und machte sich selbständig. Zu seinen Projekten gehörte ein Zwölfzylinder mit drei parallel angeordneten Zylinderreihen.

Auch 1990 keine ganz neue Idee

Der britische Flugmotorenhersteller Napier stellte bereits 1917 einen solchen W-Motor vor. Auch im legendären Rumpler-Wagen (W6) und den Luxusfahrzeugen von Isotta Fraschini (W18) kam dieses Konzept zum Einsatz. Theoretisch verspricht das W-Motorkonzept den Vorteil, bei gleicher Motorlänge mehr Zylinder unterbringen zu können. Als nachteilig gilt die direkte Nachbarschaft des heißen Auslasstrakts der mittleren Zylinderbank mit dem Ansaugtrakt einer der äußeren Zylinderbänke.

Sir Alan Cobhams "Golden Arrow"
Sir Alan Cobhams „Golden Arrow“ im Beaulieu Motor Museum. Ausgerüstet mit dem W12-Motor Napier Lion fuhr dieses Fahrzeug 1929 zum Geschwindigkeitsweltrekord. (Foto: Hugh Llewelyn)

Als in der Formel 1 die bisher eingesetzten Turbomotoren verboten wurden, sah Franco Rocchi seine Zeit gekommen. Im Unternehmer Ernesto Vita fand der Ingenieur einen Partner, der die Fertigstellung des Motors in der Hoffnung auf ein gutes Geschäft finanzierte. Denn ein leistungsfähiger Motor versprach im Vergleich zum weitverbreiteten Cosworth-Motor möglicherweise den entscheidenden Vorteil im Kampf um die Rennteilnahme.

Doch keines der bestehenden Teams wollte den W12-Motor einsetzten. Alle Verhandlungen verliefen im Sande. Am meisten Interesse zeigte Enzo Coloni, doch der Italiener konnte den Motor nicht bezahlen. Stattdessen legte sich Coloni sich und sein Team lieber zu Subaru ins Bett, was zum Einsatz des von Carlo Chiti konstruierten Subaru MM 3512 führte. Um ins Geschäft zu kommen, gründete Ernesto Vita daher ein eigenes Team.

Ein Formel-1-Team benötigt ein eigenes Fahrzeug

Auf der Suche nach einem geeigneten Chassis kaufte Vita die Reste des Formel-1-Projekts von First Racing des ehemaligen Rennfahrers Lamberto Leoni auf. Dieser hatte sich selbst einige Male vergeblich bemüht, für einen Grand Prix zu qualifizieren. 1986 gründete Leoni ein eigenes Team, um in der Formel 3000 anzutreten. Zunächst nur mit dem Teamchef am Steuer, expandierte das Team schnell. Schon 1988/89 stieg First zum March-Werksteam mit Vorzugsbehandlung in der Formel 3000 auf. Doch die Ehe mit March ging nach kurzer Zeit in die Brüche. First verpasste in der zweiten Liga des Motorsports mit Marco Apicella den angepeilten Meistertitel.

Gleichzeitig strebte Leoni wie schon als Pilot nun auch als Teamchef selbst in die Königsklasse. Das missfiel March. Denn Leoni griff beim Bau des „eigenen“ Fahrzeugs auf zahlreiche Komponenten des March 88B aus der Formel 3000 zurück. In Zusammenarbeit mit dem ehemaligen Fittipaldi-Konstrukteur Riccardo Divila sollte so ein First entstehen. Teamchef Leoni verlor zeitweise das Interesse an dem Projekt. Ihn schreckte die in der Formel 1 eingeführte Vorqualifikation. Damit war die Nennung zum Grand Prix nicht automatisch mit der Rennteilnahme verbunden. Konstrukteur Divila verlies First vor Fertigstellung des Fahrzeugs, um bei Ligier als Techniker anzuheuern.

Schließlich führte Gianni Marelli die Aufgabe zu Ende. Der ehemalige Ferrari-Mitarbeiter betrieb in Mailand ein Konstruktionsbüro und hatte zuvor bei Zakspeed am Bau der Autos mitgewirkt. Im Herbst 1988 präsentierte First den Rennwagen auf der Motorshow von Bologna. Doch beim obligatorischen Crash-Test versagte die Konstruktion. Die FIA verweigerte die Teilnahme am Rennen. Lamberto Leoni beerdigte sein Formel-1-Projekt daraufhin endgültig.

Zwei Kranke in einem Bett ergeben keinen Gesunden

Trotzdem sollte „sein“ Rennwagen, der im Kern ein Formel 3000 von March war, ein Jahr später in der Formel 1 auftauchen. Denn den im Prinzip fertiggestellten Rennwagen kaufte Ernest Vita, um ihn zusammen mit dem von Franco Rocchi entwickelten W12 in der Formel 1 zu verwenden. Vita hatte die Hoffnung, dass der Motor so zahlende Kunden überzeugen konnte. Tatsächlich akzeptierte die FIA die Einschreibung. Als Teamnamen wählte Vita die englische Übersetzung seines Nachnamens, Life war geboren.

Life L190
2009 wurde der Life L190 in Goodwood ausgeführt. (Foto: Brian Snelson)

Gianni Marelli verstärkte das Chassis und passte es für den Motor von Rocchi an. Als das inzwischen „Life L190“ getaufte Fahrzeug im Frühjahr 1990 den Crashtest überstand, konnte das Abenteuer Formel 1 tatsächlich beginnen. Beim Debüt in den USA erschien das Team mit einem seltsamen Fahrzeug. Der im Vergleich zu den anderen Motoren ungewöhnlich breite W12 machte eine Motorabdeckung notwendig, die wesentlich breiter als das Chassis war.

Life L190 hässlich und unfassbar langsam

Pilot Gerry Brabham, ein Sohn des großen Jack Brabham, mühte sich vergeblich. Immerhin vier Runden konnte Brabham mit dem „Rennwagen“ auf dem Stadtkurs von Phoenix zurücklegen. Dann blieb der Wagen mit einem Elektronikdefekt liegen. Brabhams beste Rundenzeit von 2:02 Minuten lag deutlich über der Zeit von 1:34, die für die Zulassung an der regulären Qualifikation notwendig gewesen wäre. Nur weil Bertrand Gachot im Coloni keine ganze Runde absolvieren konnte, war Brabham nicht Letzter.

Beim folgenden Rennen in Brasilien versuchte sich Brabham nochmals im hoffnungslosen Life. Diesmal stellte der Motor bereits beim Verlassen der Boxen die Arbeit ein. Da Gachot im Coloni eine ganze Runde schaffte, bedeutete das die rote Laterne für Life. Nach dem Desaster der Überseerennen verlies Brabham das Team, das nun verzweifelt einen neuen Piloten suchte.

Bernd Schneider schätzte das Projekt richtig ein und zeigte kein Interesse an dem Cockpit. Mögliche Piloten wie die Italiener Franco Scapini und Antonio Tamburini verfügten nicht über die in der Formel 1 notwendige Superlizenz. Schließlich übernahm Bruno Giacomelli das Cockpit. Der Italiener hatte sieben Jahre zuvor für Toleman letztmals an einen Grand Prix teilgenommen, aber 1989 bei March als Testfahrer agiert. Auch Giacomelli scheiterte mit dem Life regelmäßig in der Vorqualifikation.

Der Life L190 war mit Abstand das langsamste Fahrzeug der Formel 1

Im Optimalfall fehlten auf den Coloni von Gachot nur zwei Sekunden. Doch wenn es nicht lief, verlor Giacomelli auf Gachot mehr als zehn Sekunden. In Monaco waren sogar Formel 3 Rennwagen schneller als der „Formel 1“ von Life. Auch Ernesto Vita erkannte, dass der W12-Motor von Franco Rocchi nicht konkurrenzfähig war. Bruno Giacomelli geht heute davon aus, dass der Motor maximal 375 PS hatte.

Das Team versuchte im Sommer 1990, andere Motoren zu bekommen. Für das Rennen in Portugal gelang es Giacomelli, bei March einen gebrauchten Judd-Motor abzustauben. Doch der Motor passte gar nicht ins das Auto. Das Team lies das Rennen aus. Beim anschließenden Europafinale in Spanien fuhr das Team, scheiterte jedoch trotz des Judd-Motors erneut in der Vorqualifikation. Die Überseerennen bestritt das Team nicht mehr. Ein wiederholt angekündigtes Comeback gelang nicht.

Life ging als schlechtestes Formel-1-Team in die Geschichte ein. Der von Franco Rocchi konstruierte W12 trug daran einen großen Anteil. Rocchi behauptete gern, dass die Grundzüge seines Motors bereits in seiner Zeit bei Ferrari entstanden seien. Das dementierte Ferrari 1990 sogar offiziell. Mit diesem desaströsen Projekt wollte in Maranello niemand in Verbindung gebracht werden.

Doch immerhin schaffte es Rocchi in die Formel 1. Das unterscheidet den Motor des Italieners von zwei anderen Motorenprojekten, die wir morgen im abschließenden vierten Teil dieser Serie vorstellen.

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Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!