Männer, Ideen und Motoren – der Subaru MM 3512 von Carlo Chiti 1990 in der Formel 1

Der Subaru MM 3512 in der Werkstatt von Spezialmotorer Motorsport

Honda fuhr in der Formel 1 in der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre in der Formel 1 von Sieg zu Sieg. 1989 wollte auch Yamaha vom positiven Image der Königsklasse profitieren. Ein Jahr später folgte Subaru. Doch im Unterschied zu den Landsleuten vertraute Subaru nicht auf einen eigenen Motor. Stattdessen beauftragte Subaru Carlo Chiti und sein Motorenstudio Motori Moderni mit der Konstruktion eines Zwölfzylinders. Doch der Subaru MM 3512 war – zumindest in der Formel 1 – kein Erfolgsmodell.

Subaru sah im Auftrag an Motor Modern eine Abkürzung zum Erfolg. Die Vorgabe des japanischen Autobauers war der Bau eines Boxers oder V-Motors mit einem Bankwinkel von 180 Grad. Schließlich verwendet Subaru – bis heute – in seinen Serienmodellen Boxermotoren. Der Auftritt in der Formel 1 sollte den Absatz der Serienmodell beflügeln. Carlo Chiti war von der Idee begeistert. Denn der Italiener, der nach seinem Abschied bei Ferrari 1962 zunächst zu den Gründern von ATS gehörte, war ab 1964 gut 20 Jahre lang für Autodelta und Alfa Romeo tätig. Dort entstand schon 1973 für den Sportwagen Tipo 33TT12 ein Aggregat, das – im Rückblick – die Vorgaben von Subaru erfüllt hätte. 1975 gewann das deutsche Willi Kauhsen Racing Team mit dem Sportwagen aus Mailand die Sportwagen-Weltmeisterschaft.

Brabham BT46B Alfa Romeo
Auch im Brabham BT46B steckte ein Motor von Carlo Chili (Foto: edvvc)

Nach dem Abschied von Alfa Romeo aus dem Sportwagen-Sport „erlebte“ der Motor bei Brabham und im Alfa Romeo-Werksteam in der Formel 1 seinen zweiten Frühling. Niki Lauda gewann 1978 mit dem „Alfa Romeo 115-12 3.0 Flat-12“ den Großen Preis von Schweden in Anderstorp. Doch die Zeit des breiten Motors war damals schon vorbei. Denn die „Ground-Effect-Cars“ der späten 1970er-Jahren benötigten schmale Motoren, um sich mit dem Unterboden an der Straße festzusaugen. Der Brabham Alfa Romeo war nur konkurrenzfähig, weil ein Propeller am Heck, der unter dem Fahrzeug die Luft absaugte, für den gewünschten Saugeffekt sorgte. Nach dem überlegenen Sieg von Niki Lauda in Schweden verbot die FISA den von Gordon Murrey erbauten „Staubsauger“ Brabham BT46B sofort.

Mit dem Subaru MM 3512 wollte Carlo Chiti im Geschäft bleiben!

Nach dem Ausscheiden bei Alfa Romeo gründete Carlo Chiti auf Initiative von Giancarlo Minardi den Motorenbauer Motori Moderni. Dort entstand innerhalb kurzer Zeit ein V6-Turbo, den Minardi von 1985 bis 1987 in der Formel 1 eingesetzte. Kurzzeitig setzte auch das französische Team AGS den Motor ein. Auch beim nebulösen F1-Projekt der Schwedin Cecilia Ekström, der vor ein paar Jahren andere Schlagzeilen zugeschrieben wurden, sollte Chiti als Motorenlieferant an Bord sein. Doch das Projekt erwies sich als Luftnummer. Als die FIA zur Saison 1989 in der Formel 1 die Turbo-Motoren verbot und Saugmotoren vorschrieb, das Chiti eine Chance, um im Geschäft bleiben. Der promovierte Ingenieur fand in Subaru einen Partner, der die Finanzierung eines neuen Saugmotor übernahm.


Daten zum Subaru MM 3512

  • V-Motor mit einem Zylinderwinkel von 180º
  • Hubraum 3.497 ccm
  • Leistung circa 620 PS bei 12.500 U/min
  • Doppelzündung Magneti Marelli

Dank an Micke Svens von spezialmotorer.com für die aktuellen Fotos des Motors.


Subaru MM 3512 – der letzte Motor von Carlo Chiti
Ansaugtrakt des Subaru MM 3512 (Foto: SpezialMotorer)

Schon im Oktober 1987 vereinbarten Carlo Chiti und Subaru ihre Zusammenarbeit. Knapp ein Jahr später war der Motor testbereit. Doch die Breite war, wie zehn Jahre zuvor bei Alfa Romeo, wieder ein Problem. Denn der Chilis V12 mit 180°-Bankwinkel verfügte zwar über einen tiefen Schwerpunkt, doch die Breite von 72 cm – ohne Auspuffanlage – erschwerte die Gestaltung des Unterbodens schwierig. Minardi testete 1989 den Subaru MM 3512 und entschied sich gegen den Einsatz. Wobei allerdings auch eine Rolle spielte, dass die Testpiloten Gianni Morbidelli, Pierluigi Martini und Paolo Barilla der Leistungsangabe von 600 PS misstrauten.

Um den Motor überhaupt in der Formel 1 einsetzten zu können, übernahm Subaru im Dezember 1989 die Mehrheit am kriselnden Team von Enzo Coloni. Doch das Investment zahlte sich nicht aus. Coloni war eines des jungen Teams, stieg erst im Spätsommer 1987 in die Formel 1 ein. 1988 startete das Team gut. Doch je länger die Saison lief, um schwerer fiel dem Team die Qualifikation fürs Rennen. Ein Jahr später schaffte das Team trotz zweier Autos nur fünfmal den Sprung ins Startfeld. Und wenn ein Coloni qualifiziert war, dann sah er die Zielflagge nicht. Ein Grund für die mässige Performance waren wohl auch die Motoren, die das Team einsetzte. Denn Coloni ließ seine Cosworth-Motoren beim F3-Tuner Novamotor.


Dem Team von Enzo Coloni fehlte die F1-Reife und das Geld!

Tuner Novamotor war in der Formel 3 eine echte Größe. Doch die von Novamotor vorbereiteten Cosworth-Triebwerke konnten mit den Motoren der etablierten Cosworth-Tunern nicht mithalten. Ihnen fehlte neben Leistung vor allem auch die notwendige Zuverlässigkeit. Und wenn die Motoren mal hielten, dann verhinderten Gebrechen an den Rennwagen von Coloni die Zielankunft. Ohne den Sprung ins Rennen und zählbare Ergebnisse partizipierte das Team Coloni nicht an den Preisgeldtöpfen der Königsklasse. Teamchef Enzo Coloni stand, wie er heute gern erzählt, das Wasser bis zum Hals. Mit minimalem Einsatz brachte sein Team die Saison zu Ende, um keine Vertragsstrafe wegen des Fernbleibens an Bernie Ecclestone und die FIA zahlen zu müssen. Im Winter 1989/90 war sich die Mehrzahl der Beobachter sicher, dass Coloni in Zukunft nicht mehr in der Formel 1 antreten würde.

Doch der Deal mit Subaru finanzierte das Überleben des Team. Zudem tilgten die Japaner die Schulden des Teams. Doch weil die Übernahme erst im Dezember 1989 abgeschlossen wurde, ging das Team relativ unvorbereitet in die neue Saison. Der „neue“ Coloni C3B war ein nur notdürftig an den Subaru MM 3512 angepasster Vorjahresrennwagen. Bertrand Gachot, schon im Vorjahr bei Onyx oft in der Vorqualifikation gescheitert, mühte sich als einziger Pilot des Teams vergeblich. Doch der Rennwagen war zu schwer und der Motor Subaru MM 3512 zu schwach. Achtmal scheiterte Gachot an der Hürde der Vorqualifikation. Im Rückblick betont der Luxemburger in seinen seltenen Interviews, dass der leistungsschwache Subaru MM 3512 nicht das größte Problem des Teams war. Auch der Rennwagen war nicht konkurrenzfähig.

Schon im Sommer 1990 zog sich Subaru aus der Formel 1 zurück!

Denn das Chassis des Coloni entstand ursprünglich für den kleineren und schmaleren Cosworth-Motor. Der Subaru MM 3512 von Motori Moderni passte nur mit einem größeren Umbau ins Fahrzeug. Diese Umbauarbeiten sorgten dafür, dass das Auto übergewichtig war. Zeitzeugen gehen von mindestens 100 Kilogramm Übergewicht aus, die der Coloni C3B mit sich herumschleppte. Zudem verhinderte der breite Motor – hier wiederholte sich Geschichte – eine zeitgemäße Unterbodengestaltung. Es gibt bei Subaru auf der Webseite ein Foto, das das Problem deutlich zeigt. Bertrand Gachot verlor bei seinen Versuchen, den Coloni Subaru für einen Grand Prix zu qualifizieren, regelmäßig mehr als zehn Sekunden auf die Spitze. Die Partner Subaru und Coloni schoben sich gegenseitig die Schuld für das Scheitern zu. Wobei den Japanern vermutlich schon seit einem Jahr, als Minardi den Subaru MM 3512 testete, klar war, dass der Zylinderwinkel von 180° für einen Großteil der Probleme verantwortlich war.

Erfolg würde sich nur mit einem echten V-Motor einstellen. Chiti schlug einen Bankwinkel von 67,5° vor. Obwohl dies nicht ins Marketingkonzept von Subaru paßte, willigte der Autobauer zunächst ein. Carlo Chiti und Motori Moderni erhielten den Auftrag zur Konstruktion eines neuen Motors. Jetzt war der Plan, irgendwie über die Zeit zu kommen. Doch entgegen der Absprachen brachte Coloni kein speziell für den Subaru MM 3512 entwickeltes Fahrzeug. Subaru begann zu zweifeln, ob Enzo Coloni der richtige Partner war. Nach dem siebten Rennen und der siebten verpaßten Vorqualifikation gab Subaru seinen Ausstieg aus der Formel 1 bekannt. Auch der neue Motor werde nicht mehr als Subaru in der Königsklasse antreten, gab Subaru bekannt. Eine Woche später, beim Rennen in Silverstone trat Coloni nochmal mit dem Subaru MM 3512 an. Auf dem Rennwagen und in der Box fehlte jedoch jeder Hinweis auf Subaru.

Für seinen neuen V12 fand Carlo Chiti keine Kunden

In Deutschland trat Coloni – nur 14 Tage später – wieder mit dem bewährten Cosworth-Triebwerk an. Der Erfolg? Bescheiden, wobei Erfolg ja immer relativ ist. Denn nach der Pleite von Onyx reduzierte sich das Feld der Vorqualifikation auf sieben Fahrzeuge. Denn Ligier, zuvor in die Vorqualifikation „abgestiegen“, erbte die festen Trainingsplätze des Teams von Mike Earle und Greg Field. So kämpften fortan nur noch sieben Autos, um vier Plätze im Training. Diese Hürde konnte Bertrand Gachot viermal meistern. Der inzwischen „uralte“ Rennwagen war – vom Subaru MM 3512 befreit – mit seinem „Originalmotor“ tatsächlich schneller als zuvor. Als nach Onyx auch Life und EuroBrun das Handtuch warfen, war beim Saisonfinale in Japan erstmals keine mehr Vorqualifikation notwendig. Doch selbst jetzt gelang Gachot nicht, sich für das Rennen zu qualifizieren.

Carlo Chiti betonte nach der Pleite mit dem Subaru MM 3512 stets, dass er den ursprünglich von Subaru beauftragten V12 in seinem Motorenstudio fertigstellte. Eindeutlich belegen lässt sich das nicht. Tests des Motors in einem Rennwagen sind nicht überliefert. Einen Kunden für den neuen Motor fand der ebenso großartige wie eigenwillige Techniker nicht. Chiti starb 1994 in Mailand. Das macht den Subaru MM 3512 zum unglücklichen Abschluss einer langen Technikerkarriere. Immerhin fand der Motor, als Motori Modern und mit Turboladern bestückt, im Powerboot-Sport eine neue Heimat. 1999 erwarb Christian von Koenigsegg die Rechte an dem Triebwerk und nutzte es – auf vier Liter aufgebohrt – im Koenigsegg CC Concept. Trotz des peinlichen Auftritts in der Formel 1 war der Subaru MM 3512 übrigens nicht das schlechteste Formel-1-Triebwerk des Jahres.

Lesen Sie morgen im dritten Teil unserer „Serie: Wie die Formel 1 die Turbos 1988 abschaffte“ wie 1990 sich Franco Rocchi in der Formel 1 seinen guten Ruf ruinierte.


Infos zum Titelbild dieses Beitrags:
Der Subaru MM 3512 in der Werkstatt von Spezialmotorer Motorsport. (Foto: Micke Svens)

Foto: Micke Svens

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Ein Beitrag von:

Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!

Ein Kommentar

  1. Holger
    25. Dezember 2013

    Koenigsegg hat damals einige der Motoren gekauft aber dann nicht eingesetzt.

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