Rennsport-Geschichten

Er konnte auch Sport: Volvo 240 Turbo

Bei meinen Veranstaltungs-Moderationen treffe ich manchmal auch auf Besitzer historischer Volvo 240. Sie reizt an ihrem alten Schweden das Solide und Unzerstörbare. Denn dem Schwedenpanzer eilt der Ruf eines unfassbar robusten Alltagsautos voraus.

Zudem gilt der ab 1974 gebaute Volvo 240 als sehr sicheres Auto. Schließlich hielt das amerikanischen Versicherungsinstitut IIHS (Insurance Institute for Highway Safety) den Volvo 240 selbst 1991 noch für das sicherste Fahrzeug auf dem amerikanischen Markt. 17 Jahre nach dem der Schwede auf den Markt kam.

Das ist nur eine Seite des Volvo 240

Denn besonders in den 1980er-Jahren war der Volvo 240 auch ein veritables Sportgerät. Vor 30 Jahren gewann Volvo mit dem „Fliegendem Ziegelstein“ sowohl die Tourenwagen-Europameisterschaft als auch die Deutsche Produktionswagen-Meisterschaft (DRM). Aus dieser Meisterschaft ging nur ein Jahr später die DTM hervor, weshalb Volvo-Pilot Per Stureson und der Volvo 240 Turbo heute als ehemalige DTM-Champions gelten.

Den Erfolg möglich machte die Neugestaltung der internationalen Motorsport-Regelwerke. Zur Saison 1982 schaffte die FIA das System mit bis zu acht Gruppen zur Einteilung von Rennfahrzeugen ab. Stattdessen gab es nur noch die Gruppen A, B und C – mit vergleichsweise klaren Homologationsvorschriften.

Für die Einstufung als Renntourenwagen der Gruppe A mussten die Hersteller fortan mindestens 5.000 Exemplare eines Fahrzeugs pro Jahr bauen. Zudem gab verlangte das Reglement, dass das Fahrzeug über mindestens vier Sitze verfügt. Diese Hürden übersprang der 1981 eingeführte Volvo 240 Turbo locker.

Schnittzeichnung des Volvo 240 Turbo
Schnittzeichnung des Volvo 240 Turbo (Foto: Volvo)

Schon 1983 setzte das private schwedische TL-Racing-AB-Team den 240 Turbo in der Tourenwagen-Europameisterschaft ein. Doch die Volvo-Verantwortlichen entdeckten im Reglement die Möglichkeit der 10-Prozent-Evolution. Eigentlich wollte die FIA damit den Herstellern die Möglichkeit geben, dass die Rennfahrzeuge der Weiterentwicklung der Modelljahre folgten.

Als einer der ersten Hersteller baute Volvo 500 spezielle Evolutionsmodelle. Später folgten alle Hersteller diesem Ansatz. Der Volvo 240 Turbo Evolution verfügte über einen größeren Turbolader, über ein modifiziertes Motorkontrollsystem und über eine Wassereinspritzung. Die Leistung des im Serientrimm des Grundmodells 154 PS starken 2,1 Liter großen Vierzylinders stieg damit im Rennbetrieb auf rund 330 PS an.

Volvo 240 Turbo: Von Anfang an erfolgreich

Das Konzept des Volvo 240 Turbo ging sofort auf. In der Deutschen Produktionswagen-Meisterschaft siegte Per Stureson schon beim ersten Start. 35 Sekunden betrug der Vorsprung, den der Schwede auf dem Flugplatzkurs von Mainz-Finthen im Mai 1984 herausfahren konnte. Wonach sich die Konkurrenz verwundert die Augen rieb.

Denn vor dem Start hatten die Wettbewerber den kantigen Volvo eher belächelt. Doch mit Spitzengeschwindigkeiten weit jenseits der Marke von 250 km/h ließ der Volvo auch die damaligen Stars der Szene hinter sich. Weder der Rover 3.500 V8 noch der BMW 635 Csi konnten das Tempo den Schweden mitgehen.

In der Tourenwagen-Europameisterschaft (ETC) dauerte es etwas länger, bis Volvo zum Erfolg fuhr. Dort war 1984 der Jaguar XJ-S von Tom Walkinshaw Racing das Maß der Dinge.Von den ersten zehn Saisonrennen gewann Jaguar immerhin acht. Zweimal war BMW mit dem BMW 635 erfolgreich.

Doch beim elften Saisonlauf im belgischen Zolder, wo ich erst kürzlich den Kampf der Zwerge moderierte, schlug die Stunde von Volvo. Die Schweden Ulf Granberg und Robert L. Kvist sicherten sich den ersten Gesamtsieg in der ETC für den Volvo 240 Turbo. Und über den Winter 1984/85 rüstete Volvo nochmals auf.

Einsatz durch Rudi Eggenberger

In der Europameisterschaft übernahm jetzt das Team Eggenberger den Einsatz der Rennfahrzeuge. Das machte sich an vielen Details bemerkbar, denn das Schweizer Team galt zu seiner Zeit als genauso innovativ wie trickreich. Die Türen, die Motorhaube und der Kofferraumdeckel wurden im Vergleich zum Serienfahrzeug aus dünnerem Metall hergestellt.

An der Hinterachse fanden die Entwickler weitere sechs Kilogramm. Beim Bremsen nutzte der Rennwagen Vier-Kolben-Bremssattel und innen belüftete Bremsscheiben. Dazu gab es 1985 erstmals Zylinderköpfe aus Aluminium. Gleichzeitg vertraute Volvo jetzt auf geschmiedete Kolben, speziell überarbeitete Pleuel und Kurbelwellen.

Ein Einspritzsystem vom Typ Bosch K-Jetronic übernahm die Gemischaufbereitung. Und der Garrett Turbolader lud den Vierzylinder mit einem Ladedruck von bis zu 1,5 bar auf. Die Boxenstopps beflügelte eine Schnelltankanlage, die 120 Liter Benzin in nur 20 Sekunden in die Tanks presste.

Gianfranco Brancatelli aus Italien und Thomas Lindström aus Schweden (Foto: Volvo)
Gianfranco Brancatelli aus Italien und Thomas Lindström aus Schweden (Foto: Volvo)

Unter der Nennung des Volvo Dealer Team Europe schickte Eggenberger die Piloten Gianfranco Brancatelli aus Italien und Thomas Lindström aus Schweden in Rennen. Sie gewannen sechs der 14 Rennen. Damit sicherten sich Brancatelli und Lindström am Ende des Jahres überlegen den Titel des Europameisters.

Im Feld war übrigens auch Hermann Tilke unterwegs. Der heute weltweit erfolgreiche Rennstreckenbauer aus Aachen sicherte sich am Steuer seines Toyota Corolla GT AE86 1985 gleich mehrere Klassensiege.

Und wie in Europa war der Volvo 240 Turbo 1985 auch in der Deutschen Produktionswagen-Meisterschaft (DRM) erfolgreich. Mit einem Sieg und fünf Podiumsplätzen sicherte sich Per Stureson am Ende des Jahres den Fahrertitel.

Doch am Rennsporthimmel zogen schon dunkle Wolken auf. Ford sicherte sich die Dienste des Eggenberger-Teams. Die Schweizer brachten ab 1986 dem Ford Sierra Cosworth das Rennen bei. Das belgische RAS-Team übernahm stattdessen 1986 den Volvo-Werkseinsatz.

Alles hat ein Ende

Durchaus mit Erfolg. Denn erneut siegte Volvo auf der Strecke bei fünf Rennen. Doch wegen einer zu freizügigen Auslegung des Kraftstoff-Reglements verlor Volvo die Siege von Anderstorp (Schweden) und Zeltweg (Österreich) am grünen Tisch. Woraufhin sich das Werk Ende 1986 aus dem Motorsport zurückzog.

Trotz des eher unrühmlichen Endes gilt der Volvo 240 Turbo bis heute als der erfolgreichste Volvo-Motorsportler. Und wer Glück hat, der kann den Volvo 240 Turbo bis heute im Rallycross oder im historischen Motorsport bewundern.

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Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!