Mit der Rallye Paris Dakar begann das Motorsport-Jahr 1984 gleich mit einem Paukenschlag. Denn die 6. Ausgabe der Rallye von Paris nach Dakar im Senegal gewann im Januar 1984 René Metge und Dominique Lemoyne. Mit ihrem Porsche 911 Carrera 3.2 4×4 Paris Dakar zeigten sie, dass Porsche auch Allrad und Wüste beherrschen.
Die Beurteilung dessen, was Porsche bis in die 1990er-Jahre war, ist gar nicht so einfach. Natürlich baute die damalige Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG Sportwagen. Doch daneben waren die Stuttgarter immer als Konstruktionsbüro tätig. Besonders im Rüstungssektor war Porsche aktiv. In den 1950er-Jahren beteiligte sich der Autobauer an einer Ausschreibung der Bundeswehr, die einen Geländewagen suchte. Mit dem Porsche 597 Jagdwagen entstand dabei der erste Allrad-Porsche – lassen wir den Cisitalia Typ 360 mal außen vor. Rund 100 Exemplare des Geländewagens baute Porsche. 50 davon erprobte die Bundeswehr, die sich am Ende aber für den DKW Munga entschied.
Der Porsche-Ausflug in die Wüste war abwegig?
Stattdessen verdiente Porsche mit der Entwicklung des Kampfpanzers Leopard ab 1958 gutes Geld. Die Modelle 914 und 924 entstaden für Volkswagen. Anfang der 1980er-Jahre unterstützte Porsche den sowjetischen Staatsbetrieb Avto VAZ bei der Entwicklung des Lada Samara. Etwa zeitgleich konzipierte Porsche Vierzylindermotoren für den SEAT Ibiza. All das zeigt, wie breit die Stuttgarter damals aufgestellt waren. Trotzdem blieb Porsche in den Augen der Betrachter hauptsächlich ein Sportwagen-Hersteller. Seit 1982 fuhr der Porsche 956 in der Gruppe C auf der Langstrecke Kreise um die Konkurrenz.
Trotzdem war – Angesichts der Entwicklungsgeschichte der Stuttgarter – ein Ausflug in die Wüste nicht so abwegig, wie es scheint. Denn neben den Prototypen der Gruppe C kannte das Reglement der FISA seit Anfang 1982 auch Touren- und Sportwagen. Porsche war klar, dass der Autobauer nicht die Kapazitäten für einen Gruppe-A-Tourenwagen hatte. Denn von einem entsprechenden Sportgerät hätten innerhalb von zwölf Monaten 5.000 Exemplare entstehen müssen. Doch bei den Sportwagen der Gruppe B lag die Hürde der Homologation bei nur 200 Exemplaren. Das erschien machbar.
Porsche interessierte sich für die Gruppe B!
1983/84 fand die Gruppe B hauptsächlich bei Rallye-Wettbewerben Anwendung. In Le Mans gab es zwar 1983 für die Gruppe B erstmals eine eigene Klassenwertung. Doch dort fuhr Porsche fast ohne Konkurrenz. Sieben der acht Starter stammten aus Zuffenhausen. Schon 1984 später ließ der ACO die amerikanische IMSA GTX, das war im Prinzip die alte Gruppe 5, wieder zu. Trotzdem begann die Gruppe B das Interesse von Sportwagen-Bauern wie Porsche und Ferrari zu wecken. Denn sie sahen, wie Massenhersteller wie Lancia, Peugeot und Audi ihre Gruppe-B-Homologationsmodelle als teure Sonderserien anboten.
Porsche-Entwicklungsvorstand Helmuth Bott registrierte diese Entwicklung. Daher rannte Werksfahrer Jacky Ickx bei seinem Chef offene Türen ein, als der Belgier von der Rallye Paris-Dakar erzählte. Ickx, im Januar 1983 Sieger der Rallye Paris Dakar mit einem Mercedes G-Modell, überzeugte Porsche von einem Dakar-Programm. Ingenieur Bott sah im Allradantrieb eine Chance, um das „Leben“ des Porsche 911 zu verlängern. Denn Bott gehörte bei Porsche früh zu denen, die im Porsche 928 keinen Nachfolger des Klassikers mehr sahen. In der Dakar erkannte Bott die Chance, das Thema Allradantrieb im Porsche 911 zu beschleunigen.
Die Rallye Paris Dakar 1984 war eine Rallye der Rekorde!
Denn im eigenen Dienstwagen war Bott bereits seit Ende 1981 mit vier angetriebenen Rädern unterwegs. Dieser rote Porsche 911 SC mit zuschaltbarem Allradantrieb wurde nun zum Ausgangspunkt des Dakar-Projekts. Ein kleines Team rund um Rennleiter Peter Falk und Techniker Roland Kussmaul, beides ehemalige Rallye-Piloten, übernahm die Entwicklung. Die Erkenntnisse des offiziell 953 getauften Projekts führten zum 911 Carrera 3.2 4×4 Paris Dakar. Diesem brachte Porsche auf dem VW-Testgelände in Ehra-Lessien sowie in Algerien das Laufen bei.
Schon im April 1983 berichtete die Zeitschrift „auto, motor und sport“ über die Entwicklung eines Allradantriebs für den 911er. Damit brannte die Lunte, die schließlich drei Allrad-911 in die Wüste führen sollte. Denn tatsächlich entschied sich Porsche für einen Start bei der Rallye Paris Dakar. Dakar-Gründer Thierry Sabine stieß mit der 6. Ausgabe seiner Rallye gerade in eine neue Dimension vor. Die Strecke führte erstmals über 12.000 Kilometer und durch acht Länder. Neben Porsche nahm 1984 übrigens auch Opel die Herausforderung der Rallye Paris Dakar an. Die Rüsselsheimer schickten den Opel Manta 400 in die Wüste.
Von Paris ging es über 12.000 Kilometer in den Senegal!
Nach dem Start in Paris lag das erste Ziel in der Hafenstadt Séte an der französischen Mittelmeerküste. Von dort überquerten die Teilnehmer mit einer Fähre das Mittelmeer, um die Rallye in Algerien fortzusetzen. Anschließend ging es durch den Niger, Burkina Faso, die Elfenbeinküste, Guinea und Sierra Leone zum Zielort im westafrikanischen Senegal. Am 1. Januar 1984 nahmen 427 Teilnehmer an der Startlinie auf dem Place de la Concorde in Paris das Rennen auf. Unter diesen Teilnehmern waren tatsächlich auch drei Porsche 911 Carrera 3.2 4×4 Paris Dakar.
Ickx, wie im Vorjahr mit Claude Brasseur unterwegs, sowie das Duo René Metge und Dominique Lemoyne fuhren um den Gesamtsieg. Einen weiteren 330 PS starken Sportwagen schickte Porsche mit Roland Kussmaul und Erich Lerner als rollendes Service-Fahrzeug auf die Reise. Mit dem „Trick“ reine Service-Fahrzeuge zu verbieten, trieb Dakar-Gründer Thierry Sabine seine Starterzahlen hoch. Dafür schuf der Franzose mit der Lkw-Wertung eine eigene Klasse, in der die Mehrzahl der Service-Fahrzeuge antraten. Den Kussmaul-911 sah Porsche als schnelles Eingreiffahrzeug.
Porsche 911 Carrera 3.2 4×4 Paris Dakar im Detail!
Was sich im Rennen noch als hilfreich erweisen sollte. Der Allradantrieb des 911 teilte die Kraft des Motors im Verhältnis 31:69 Prozent zwischen Vorder- und Hinterachse auf. Als Unterstützung setzte Porsche auf ein manuell sperrbares Mitteldifferenzial. Dazu verfügte der Porsche 911 Carrera 3.2 4×4 Paris Dakar über Federwege von 270 Millimetern. Die Dämpfung übernahmen Doppelstoßdämpfer an der Vorderachse sowie verstärkte Federn an der Hinterachse. Ein Überroll-Käfig gab der Karosserie zusätzlichen Halt.
Um Gewicht zu sparen, fertigte Porsche Türen, Dach, Stoßstangen und alle Scheiben, mit Ausnahme der Windschutzscheibe, des Porsche 911 Carrera 3.2 4×4 Paris Dakar aus Polycarbonat-Kunststoff. Unter der Fronthaube platzierten die Techniker einen 120 Liter Tank. Hinter den Fahrersitzen zog ein 150 Liter fassender Zusatztank in den 911 ein. So gerüstet zeigten die 911 den klassischen Geländewagen der Konkurrenz von Anfang an, dass mit ihnen zu rechnen sei. Während René Metge am Ende klar gewann, fiel Jacky Ickx jedoch nach einem Kabelbrand weit zurück.
Die Aufholjagd von Jacky Ickx!
Doch die Porsche-Mechaniker hielten das Auto von Ickx im Rennen. Nach einer Notreparatur in der Wüste erreichten Ickx und Beifahrer Claude Brasseur trotz des Brands das Etappenziel. Dort erneuerten die Mechaniker, die mit drei MAN gl an der Rallye teilnahmen, die Elektrik des Autos. Ickx fiel dadurch auf Platz 139 zurück. Doch in den verbleibenden 14 Tagen fuhr der Belgier den Porsche 911 Carrera 3.2 4×4 Paris Dakar noch auf Platz sechs. Roland Kussmaul brachte seinen 911 – nach zwei Überschlägen – als 26. Ins Ziel.
Porsche bewies mit dem Erfolg, dass der Porsche 911 auch in der Wüste eine gute Figur macht. Vorjahressieger Mercedes-Benz gewann mit Pierre Laleu, Daniel Durche und Patrick Venturini übrigens 1984 die Lkw-Klasse. Gaston Rahier siegte für BMW bei den Motorrädern. Damit begann das Motorsportjahr 1984 aus deutscher Sicht überzeugend. Denn bei der härtesten Langstrecken-Rallye der Welt gewannen im Januar 1984 drei deutsche Marken. Trotzdem war der Sieg des Porsche 911 Carrera 3.2 4×4 Paris Dakar eine Überraschung.