Fahrberichte: Volkswagen

Test Passat GTE – Unter Strom

Lange wurden die deutschen Hersteller belächelt, weil sie keine Hybrid-Fahrzeuge anboten. Inzwischen ist das anders. Nach dem Golf stellt Volkswagen jetzt mit dem Passat GTE einen weiteren Plug-in-Hybrid vor. Im Herbst startet der Verkauf. Ich hatte bereits jetzt die Gelegenheit, mit dem Passat GTE auf Probefahrt zu gehen.

Lange haben die europäischen Hersteller den Markt der Plug-In-Hybrid-Fahrzeuge (PHEV) japanischen Hersteller wie Toyota überlassen. Doch inzwischen hat die alte Welt aufgeholt. Schließich gehen Marktbeobachter davon aus, dass sich bis 2018 der Absatz von Hybrid-Fahrzeugen auf fast 900.000 Exemplare pro Jahr vervierfacht.

Bis 2022 erwarten die Marktbeobachter sogar einen Absatz von 3,3 Millionen PHEV pro Jahr. Kein Wunder, dass Volkswagen – Europas Nummer 1 – jetzt auch elektrisch Gas gibt. Ein Jahr nach dem Golf GTE verfügt jetzt auch der Passat GTE über die Kraft der zwei Herzen. Wobei der Passat, anders als der Golf, als Limousine und als Kombi elektrifiziert verfügbar ist.

Wie wirkt der Passat GTE auf mich?

Der Passat GTE ist definitiv kein Auto für Leute, die ihre Freunde und Nachbarn zur Elektromobilität bekehrten wollen. Denn der elektrifizierte Passat ist ein unauffälliges Auto. An der Fahrzeugfront verfügt der hybride Passat über einen leicht geänderten Kühlergrill. Dazu gibt es die „GTE“ Schriftzüge. Fast schon auffällig sind die blauen Bremszangen des GTE. Von außen ist der GTE kaum von seinen „normalen“ Brüdern zu unterscheiden.

Für den Einen oder den Anderen wird das ein Vorteil sein. Denn ich höre immer wieder, dass Auto-Freunde zwar Elektromobilität gut finden. Gleichzeitig aber nicht mit einem Auto unterwegs sein wollen, dessen Karosserie – nennen wir es an dieser Stelle zurückhaltend – gewöhnungsbedürftig ist. Insofern hat der Passat GTE gute Anlagen, um kommerziell erfolgreich zu sein.

Wie ist der Passat GTE motorisiert?

Die Systemleistung des Passat GTE gibt Volkswagen mit 218 PS und 400 Newtonmetern Drehmoment an. Dazu teilen sich ein 1,4 Liter großer Ottomotor und ein Elektromotor den Motorraum des Passat GTE. Der Elektromotor bildet dabei eine Einheit mit dem 6-Gang-Doppelkuppungsgetriebe. 115 PS leistet das Aggregat. Mit einem maximalen Drehmoment von 330 Newtonmetern ist der Elektromotor zudem der Drehmomentmeister im Antriebsstrang dieses Plug-In-Hybrid.

Mit der Position des Elektromotors im Getriebe erreichen die Techniker sehr effizient zwei Dinge. Sind Vortrieb und Beschleunigung gefragt, treibt das Aggregat das Fahrzeug an. In Phasen, wo weniger Vortrieb gefragt ist, kann die permanentmagneterregte Synchronmaschine an dieser Position besonders gut Bewegungsenergie in Strom umwandeln, um die Batterie zu laden. Das erfolgt im Normalfall beim Verzögern. Rekuperation nennen die Techniker das. Es kann aber auch erfolgen, wenn der Verbrennungsmotor den Antrieb übernimmt. So lässt sich Batterie auf der Autobahn oder Landstraße laden, um später bei der Einfahrt in eine Stadt gezielt emissionsfrei zu fahren.

Um Platz für den zusätzlichen Elektromotor zu schaffen, hat VW seinen bekannten 1,4 Liter großen Vierzylinder (Baureihe EA211) um fast sechs Zentimeter nach links gerückt. 166 PS leistet der Direkteinspritzer mit Turboaufladung. Dazu stemmt der Verbrenner ein maximales Drehmoment von 250 Newtonmetern auf seine Kurbelwelle. Solange noch Benzin an Bord ist, lässt sich der Passat GTE also wie seine „normalen“ Brüder mit der Kraft der Verbrennung bewegen.

Wie fährt sich der Passat GTE?

Bei Bedarf völlig elektrisch. Nach Möglichkeit fährt der Passat nach dem Starten des Fahrzeugs immer mithilfe des Elektromotors los. E-Mode nennt Volkswagen das. Dahinter steckt der Gedanke, dass das Anfahren meist in der Stadt erfolgt. Volkswagen will daher mit dem E-Mode zur Reduzierung der lokalen Emissionen in dem Lebensraum beitragen, in dem inzwischen die Mehrzahl der Menschen leben.

Den dafür notwendigen Strom bespeichert der Passat in einer im hinteren Fahrzeugboden verbauten Lithium-Ionen-Hochvoltbatterie. 8,7 kWh Elektroenergie stehen zur Verfügung. Das reicht laut VW für bis zu 50 Kilometer reinelektrischen Betrieb. Die Aufladung der Batterie ist wahlweise mit Haushaltsstrom (230 Volt Wechselstrom – Ladezeit 4:15 Stunden) oder mit 360 Volt Drehstrom (Ladezeit 2:30 Stunden) möglich.

Die Batterie führt dazu, dass der Hybrid-Passat leer nach der aktuellen EU-Norm, die einen 75 Kilogramm schweren Fahrer an Bord vorsieht, 1.735 Kilogramm. Mit mir am Steuer bringt der Passat GTE also mindestens 1.775 Kilogramm auf die Waage. Doch dank des üppigen Drehmoments des Elektromotors, das bereits bei geringer Drehzahl vollständig zur Verfügung steht, setzt sich der GTE trotzdem zügig in Bewegung.

GTI + „Formel E“ gleich GTE

Den Sprint aus dem Stand auf das Landstraßentempo von 100 Kilometern pro Stunde bewältigt der Passat in 7,4 Sekunden. Tempo 60 sind sogar schon nach 4,9 Sekunden erreicht. Wer will, kann die Beschleunigung bis zur Höchstgeschwindigkeit von 225 Kilometern pro Stunde fortsetzen. Doch der wahre Reiz des Passat GTE liegt natürlich im elektrischen Antrieb. Im Stadtverkehr macht der Passat als Elektrofahrzeug eine ausgesprochen gute Figur.

Beim Ampelsprint lässt der Passat GTE dank des Drehmoments des Elektromotors sogar regelmäßig konventionell angetriebene Verkehrsteilnehmer deutlich hinter sich. Das macht extrem Spaß und rechtfertigt – in Anlehnung an den legendären GTI – die Buchstaben „GT“ im Namen. Allerdings gehen die regelmäßigen Sprints, zu denen ich mich bei der Testfahrt hinreißen lasse, zulasten der Reichweite. Statt 50 Kilometern schaffe ich „nur“ knapp 46 Kilometer, dann steht die Reichweitenanzeige des Elektroantriebs auf null.

46 Kilometer elektrisch sind ein respektables Ergebnis

Denn schließlich bin ich im Test teilweise auch mit der Geschwindigkeit von 120 Kilometern pro Stunde im Strom der anderen Verkehrsteilnehmer auf der Autobahn mitgeschwommen. Zu den Merkmalen der Elektromobilität gehört, dass das im Prinzip (fast) ohne Motorgeräusch passiert. Und ganz anders, als wir es bisher von Verbrennungsmotoren gewöhnt sind, klingt die Maschine selbst bei höheren Geschwindigkeiten nie angestrengt. Das erinnert an die langen Getriebeübersetzungen der früheren Formel E Modelle von Volkswagen, ist aber spritziger als die Energiesparmodelle der 1980er-Jahre.

Wie sitze ich im Passat GTE?

Der Passat gehört der Mittelklasse an. Insofern gibt es – auch bei meiner Körperlänge von mehr als zwei Metern – beim Sitzen keine Probleme. Ich kann den Sitz ausreichend weit nach hinten stellen, um meine langen Beine zu verstauen. Auch das Lenkrad lässt sich weit genug nach herausziehen, damit ich die Arme beim Fahren anwinkeln kann. Interessant ist, wie weit ich den Komfortsitz des Passat nach unten verstellen kann. Ich habe lange nicht mehr in einem Auto gesessen, indem ich das verstellbare Lenkrad nicht auf der obersten Position einstellen musste, um bequem sitzen zu können.

Was hat mir gefallen?

Der Passat GTE ist – zumindest technologisch – das Spitzenmodell der Passat-Baureihe. Entsprechend gut stattet Volkswagen seinen Plug-in-Hybrid aus. An Bord sind LED-Scheinwerfer, ein Infotainmentsystem „Composition Media“ die Müdigkeitserkennung, Komfortsitze, die Multikollisionsbremse, ein Umfeldbeobachtungssystem inklusive City-Notbremsfunktion und ein Regensensor.

Zur Serienausstattung gehört vieles, das bei anderen Passat-Modellen extra zu ordern ist. Dazu hat mir gefallen, wie problemlos sich der Passat im Elektromodus in den Alltag integriert. Ich bin daher wirklich gespannt, wie die Kunden den ersten Plug-in-Hybrid von Volkswagen in der Mittelklasse annehmen. Der Verkaufsstart in Deutschland ist im Herbst. Als Limousine hat der Hybrid-Passat einen Grundpreis von 44.250 Euro. Für den Kombi Passat Variant GTE werden mindestens 45.250 Euro fällig.

Was hat mir nicht gefallen?

Ich durfte den Passat GTE an einem extrem sonnigen Tag testen. Die starke Sonneneinstrahlung führte dazu, dass sich der silberne Träger des Armaturenbretts extrem in den Seitenscheiben spiegelte. Dadurch war es teilweise nur schwer möglich, im Seitenspiegel andere Fahrzeuge zu erkennen.

Zudem verfügt der Passat GTE in den zahlreichen Fahrmodi über unterschiedliche Lenkungskennlinien. Die Stärke der Lenkunterstützung variiert, setzt zu unterschiedlichen Zeitpunkten ein. Ich habe – typisch Autotester – die unterschiedlichen Kennlinien und Einstellungen ausprobiert. Richtig gefallen hat mir keine der angebotenen Kennlinien. Aber das ist sicherlich auch eine Geschmacksfrage, die jeder Autofahrer anders für sich beantwortet.

Bilder vom Passat GTE

Den Passat GTE bietet Volkswagen als Kombi und als Limousine an. Beide konnte ich auf meiner Probefahrt testen.

Fazit zum Passat GTE

Der Passat GTE ist ein gelungener Plug-in-Hybrid. Die Tatsache, dass der Passat sich kaum von seinen „normalen“ Brüdern unterscheidet, macht ihn für viele Auto-Fans besonders interessant. Denn nicht jeder Hybrid-Fahrer ist ein Missionar, der sein Umfeld von den Vorzügen der Elektromobilität überzeugen will. Insofern ist der Passat GTE der Plug-in-Hybrid für stille Genießer.

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Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!