Über die Frage, wie das optimale Elektroauto aussieht, lässt sich trefflich streiten. Ich glaube, dass der Ansatz ein „normales“ Auto nachträglich zu elektrifizieren nicht der richtige Weg ist. Wer ein für den Verbrennungsmotor konstruiertes Auto nachträglich unter Spannung setzt, erzeugt bei mir gar keine Spannung.
Der Straßentest dokumentiert das jeden Tag, VW bedient eine relativ konservative Klientel. Neuerdings gehört zum Angebot der Wolfsburger auch ein rein elektrisch angetriebener Golf. e-Golf, das klingt progressiv. Ist es aber nicht. Denn der e-Golf bedient Kunden, die zwar bei der Antriebswahl von der eigenen Vernunft getrieben werden, nicht aber auch noch bei der Form Experimente eingehen wollen. Einige halten das für eine geniale Strategie. Doch macht der e-Golf so Sinn?
Kunden, die auch beim Elektroauto eher auf eine Evolution setzten, gibt es gewiss. Das wird die Marktforschung von Europas Nummer 1 gewiss ermittelt haben. Möglicherweise wird der e-Golf – zumindest kurzfristig – sogar ein wirtschaftlicher Erfolg – trotz des Charmes der 1990er-Jahre. Fahrzeuge wie der nachträglich elektrifizierte e-Golf sind in meinen Augen technologisch eher eine verpasste Chance. Besser als e-Golf oder e-Up! zeigen BMW i3 oder Toyota i-Road, was ein modernes Elektroauto ausmacht.
Kohlefaser statt Stahl – ein Motto, das aus dem Motorsport stammt.
Um die Reichweite zu maximieren, setzten beide auf sehr konsequenten Leichtbau. Das erinnert an den Motorsport. Ende der 1970er-Jahre galt Aluminium als der bevorzugte Werkstoff, um die Fahrgestelle von Rennwagen zu konstruieren. John Barnard setzte beim Bau eines Rennwagens für Project 4, das Formel-2-Team von Ron Dennis, als Erster auf den Werkstoff aus dem Flugzeugbau.
Dennis und Project 4 brachten die Pläne in die Hochzeit, die im Prinzip eine Übernahme war, mit McLaren ein. Als MP4/1 sorgte die Konstruktion in der Formel 1 für Aufsehen. Der am Anfang als Plastikrenner verspottete Rennwagen hatte es in sich. Denn der neue Werkstoff ermöglichte es, die Form der Rennwagen zu verändern. Als John Barnard 1983 die sog. „Flaschenhalsform“ einführte, legte der Brite die Messlatte höher. 1984 bis 1986 gewann McLaren damit dreimal in Folge den WM-Titel.
Auch beim modernen Elektroauto lässt sich etwas Ähnliches erwarten.
Die Form konventioneller Autos ist davon geprägt, einen – vergleichsweise – großen Verbrennungsmotor unterzubringen. Im Massenmarkt hat sich der Frontmotor mit Frontantrieb durchgesetzt. Er ist wirtschaftlich zu fertigen und verfügt über gutmütige Fahrzeugenschaften. Der Rest des Autos ist darauf ausgelegt, die Passagiere zu transportieren. Auch wenn sich Stahl heute großartig in Form bringen lässt, für ein Elektroauto ist das nicht die zwingende Formgebung.
Radnarbenmotoren, wie sie schon Ferdinand Porsche einsetzte, integrieren sich in die Felgen. Bei den ersten Elektroautos der Neuzeit wanderten die Batterieeinheiten in das frei gewordene Abteil. Doch die Umnutzung des „zweiten Kofferraums“ sorgte wegen des hohen Batteriegewichts für eine sehr ungünstige Gewichtsverteilung. Kein Wunder, dass sich diese Unterbringung nicht als Königsweg erwies.
Dank moderner Verbundwerkstoffe wandern die Akkus bei „richtigen“ Elektroautos inzwischen bevorzugt in die Karosserie oder in den Fahrzeugboden. Das hat den Vorteil, das nebenbei auch der Schwerpunkt der Fahrzeuge abgesenkt wird. Ein nicht zu vernachlässigender Vorteil, wie Mercedes-Benz beim Drama um den Elchtest der ersten A-Klasse erfahren musste. Und nebenbei alles Gründe, die den e-Golf trotz des Antriebs altbacken wirken lassen. Obwohl auch bei VW die Akkus zum Teil in den Wagenboden wandern. Doch die Antriebseinheit sitzt im Motorraum. Mit der Folge, dass ein e-Golf sogar Antriebswellen hat.
Dabei vermag der Elektrische aus Wolfsburg durchaus Glanzpunkte zu setzen.
Die Aerodynamik (cw=0,281) ist gut. Der Rollwiderstand ist optimiert. Auch die Ausstattung weiß in Details zu überzeugen. Weil Motorwärme zum Beheizen der Frontscheibe fehlt, verfügt der e-Golf serienmäßig über eine elektrisch beheizte Frontscheibe. Das hätten sich auch Käfer-Fahrer schon aus Wolfsburg gewünscht. Bei 34.900 Euro beginnt die Preisliste für den e-Golf. Ein stolzer Preis, wie auch Jens Stratmann findet.
Im Preis enthalten ist eine Batterie-Garantie, die die Besitzer 8 Jahre oder 160.000 Kilometer schützt, wenn die Energiespeicher vorzeitig defekt sind. Mit dem passenden Stromvertrag lässt sich ein e-Golf mit Energiekosten von 3,28 Euro pro 100 Kilometer betreiben. Rein elektrisch angetriebene ist dieser Volkswagen über 15 Prozent sparsamer als der beste direkte Wettbewerber in Stahlbauweise – auf diese konstruktive „Einschränkung“ weist VW sogar im Pressematerial hin. Je nach Streckenprofil, Fahrweise und Zuladung verspricht Volkswagen eine Reichweite zwischen 130 und 190 Kilometern.
Die Reichweite ist Punkt, der viele Autofahrer, obwohl sie selten lange Strecken fahren, vom Kauf von Elektrofahrzeugen zurückschrecken lässt. VW hat das offensichtlich erkannt und wartet dazu mit einem echten Trumpf auf. Denn Kunden des e-Golf können in den ersten drei Jahren nach dem Fahrzeugkauf sehr günstig ein Ersatzfahrzeug für längere Strecken mieten. Bis zu 30 Tage im Jahr ist das Angebot kostenfrei, vorausgesetzt auch die Ersatzstrecke ist nicht zu lang. Wird mit dem Alternativfahrzeug mehr gefahren, gibt es eine gestaffelte Anzahl von Freikilometern.
Gerade dieses Angebot zeigt, dass die Wolfsburger erkannt haben, was Kunden eines Elektroautos sich als Ergänzung wünschen. Warum Europas Nummer 1 beim e-Golf trotzdem die technische Innovationsfreude fehlt, ist schwer nachvollziehbar. Für Sebastian Bauer setzt VW auf Evolution statt Revolution. Dabei zeigen Studien und Konzeptfahrzeuge wie der XL-1, dass die Wolfsburger es auch technisch besser könnten. Insofern bleibt offen, ob der e-Golf tatsächlich nur eine verpasste Gelegenheit oder doch die Ruhe vor dem Sturm ist.
Michael
17. März 2014Du weißt doch, der Deutsche hat es nicht so mit der Revolution. Da passt der Golf schon. Auch als e. Vieleicht steht das e sogar für Evolution. Aber Spaß beiseite, ein i3 ist das bessere Auto. Viel konsequenter und nicht so ein Kompromiss. Dafür aber auch auffällig wie ein Schalke-Trickot in Dortmund. Das will nicht jeder!
Alessio
17. März 2014Da kann ich meinem Vorredner nur beipflichten, zumal sich über das Design des i3 auch streiten lässt. Nicht das meiner meinung nach das Design eines Golf gelungen erscheint, aber gerade durch seine konservative Art und die Fähigkeit „in der Masse unterzutauchen“ wird er meiner Meinung nach mehr Kunden ansprechen.
Nicht jeder Mensch der auf Innovation und Zukunft steht will in einem „Space-Shuttle“ durch die Gegend kutschieren das „ICH FAHRE ELEKTRO!“ herausschreit.
Gerade der Deutsche als doch recht nüchterner Konsument könnte genau auf diese Art von Understatement die der VW bietet abfahren.
So kann eine Revolution ganz schnell nach hinten losgehen wenn der Markt noch nicht bereit dafür ist.
A propos Revolution, schade das man so wenig über den Mazda 2 mit Wankel-Motor als Range-Extender hört. Sowas nenne ich wirklich Revolution..alles andere, war schon da!
Georg
17. März 2014Der Vergleichmit der Formel 1 ist interessant. So habe ich das noch nicht gesehen. Gewicht runter, ohne Einschränkungen bei der Sicherheit, das geht vermutlich nicht mit Stahl und einem so konventionellen Auto.