2013 ist auch das Diesel-Jahr. Schließlich erhielt vor genau 120 Jahren der Ingenieur Rudolf Diesel das Patent für seinen Selbstzünder. Anlässlich dieses Jubiläums rollen wir hier im Auto-Blog für echte Auto-Natives in loser Folge die Geschichte des Diesel-Motors auf. Im ersten Teil der Serie stellten wir den Erfinder und sein Grundkonzept vor. In dieser Ausgabe schauen wir zurück, wie der Diesel-Pkw entstand.
Diesel-Motoren, wie Rudolf Diesel sie konstruierte, waren Stationärmotoren. Sie trieben in Fabriken oder Werkstätten andere Maschinen an. Schon 1903, da war der Diesel-Motor gerade einmal zehn Jahre alt, wurde der Motor als Schiffsmotor beweglich. Doch die großen und platzraubenden Einblasemaschinen, die damals noch zur Vorverdichtung der Luft benötigt wurden, verhinderten den Einsatz in kleineren Fahrzeugen. An einen Diesel-Pkw dachten damals selbst kühne Optimisten nicht.
Der Ingenieur Prosper L’Orange befreite 1908/09 den Diesel-Motor von den Einblasemaschinen. Mit der von dem in Beirut geborenen Ingenieur entwickelten Vorkammer und einer Einspritzpumpe wurde die Einblasemaschine überflüssig. Zeitgenossen sprachen jetzt von einem „kompressorlosen“ Diesel-Motor, der ab 1912 auch Lokomotiven antrieb. Kurze Zeit später stoppte der Erste Weltkrieg die Entwicklung des Diesel-Motors.
Mobilmachung im Ackerschlepper – der Benz-Sendling S6
Erst nach dem Schweigen der Waffen nahm die Entwicklung des Diesel-Motors wieder Fahrt auf. L’Orange verbesserte das Vorkammerprinzip und erfand noch im Jahr des Kriegsendes die Nadel-Einspritzdüse. Zwei Jahre später trieb der Leiter des Motorenversuchs von Benz & Cie. mit der Erfindung der stufenlos regelbaren Einspritzpumpe die Diesel-Entwicklung weiter. Damit war die Zeit endgültig reif für den mobilen Einsatz des Diesel-Motors.
Schon 1922 stellte der Münchener Motoren- und Traktorhersteller Sendling auf der Ausstellung der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft in Königsberg den dreirädrigen Benz-Sendling S6 vor. Der Ackerschlepper ging ein Jahr später als erstes Serienfahrzeug mit einem kompressorlosen Zweizylinder-Viertakt-Dieselmotor (25 PS/18KW) von Benz & Cie. in Serie. Der Dreiradschlepper war sofort ein großer Erfolg – trotz der Kippgefahr, die typisch für Fahrzeuge mit nur drei Rädern ist.
Der fast gleichzeitig entwickelte Vierrad-Dieselschlepper Benz-Sendling BK blieb ein Ladenhüter. Nach der Fusion mit Daimler wurde 1926 aus dem Benz-Sendling BK der Mercedes-Benz Typ OE. Auch wenn der OE in der Praxis durchgängig überzeugte, zum Erfolgsmodell reifte der Schlepper nicht. Der Absatz blieb weit hinter den Erwartungen zurück. Die Daimler-Benz AG zog sich daher 1933 für fast vierzig Jahre aus dem Geschäft mit landwirtschaftlichen Nutzfahrzeugen zurück.
Trotzdem beflügelten die Diesel der Trecker auch andere Einsatzzwecke!
MAN und die Daimler-Motoren-Gesellschaft nahmen parallel zu Benz & Cie. die Erprobung von Diesel-Motoren in Lkw-Fahrgestellen auf. Bereits zur Internationalen Automobil-Ausstellung 1924 in Berlin präsentierten alle drei Hersteller Lastwagen mit Diesel-Motoren. Das war ein wichtiger Zwischenschritt zum Diesel-PKW. Denn damit eroberte sich der Diesel-Motor nach dem Schiff und der Lokomotive auch das Automobil. Dabei überzeugte der Diesel-Motor sowohl im harten Einsatz in der Landwirtschaft als sich im Transportwesen mit seiner hohen Wirtschaftlichkeit.
Das für den Betrieb der Selbstzünder notwendige Rohöl war billiger als Benzin. Zudem ließ es sich zur Not auch aus Braunkohlenteer destillieren. Im wirtschaftlich schwachen Deutschland der 1920er-Jahre was das ein nicht zu übersehender Vorteil. Von Vorteil war auch der Umstand, dass der Diesel-Motor ohne empfindliche Teile wie Zündung oder Vergaser auskommt. Das vereinfachte die Wartung erheblich und reduzierte die Fehlerwahrscheinlichkeit. Trotzdem schien es lange weiter praktisch unvorstellbar, dass die Selbstzünder auch Pkw antreiben.
Doch der Schritt zum Diesel-Pkw kommt schnell!
Entwickler wie Franz Lang (1873 bis 1956) fingen an, über den Diesel-Pkw nachzudenken. Lang arbeitete schon 1898 als junger Mann bei der Maschinenfabrik Augsburg (später MAN) im Labor von Rudolf Diesel. Seitdem beschäftigte sich Lang mit Diesel-Motoren und lieferte wichtige Impulse bei der Entwicklung von Diesel-Einspritzpumpen. Mehr als 170 Patente meldete Franz Lang, der bis 1922 bei MAN arbeitete und anschließend nach kurzer Selbstständigkeit zu Bosch wechselte, im Laufe der Jahre an.
Bei Bosch rüstete Lang Mitte der 1920er-Jahre einen 2,1 Liter großen Vierzylinder-Ottomotor mit einem selbst konstruierten Zylinderkopf zum Diesel-Motor um. Der Motor stammte aus einem „Stoewer D3 Sportphaeton“. Dieser Motor diente zusammen mit seinem Spenderfahrzeug als Versuchsträger für die Entwicklung der ersten Diesel-Einspritzpumpe von Bosch. Mehr als 36.000 Kilometer legten Lang und seine Kollegen innerhalb von drei Jahren mit dem Versuchsträger zurück. Der in Stettin ansässige Autohersteller Stoewer begleitete den Versuch.
Für Stoewer war der Diesel-Pkw keine Alternative
Doch Stoewer war Hersteller hochwertiger und sportlicher Luxuswagen, konkurrierte mit Horch und Mercedes. Ein Diesel-Motor passte nicht ins Konzept des Autobauers. Daher zeigte Stoewer kein Interesse, einen Diesel-Pkw ins Sortiment aufzunehmen. Da half auch nicht, dass Lang und seine Mitarbeiter gerade bewiesen hatten, dass der Diesel-Pkw funktioniert. Auch der Citroën Rosalie mit einem Motor des englischen Dieselpioniers Sir Harry Ricardo kam 1933 nicht über den Status eines Prototypen hinaus.
Allerdings bot Citroën ab 1935 einen Lieferwagen auf Basis des Rosalie an, der optional mit einem Diesel-Motor bestellt werden konnte. Mercedes-Benz hatte zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als 10.000 Lastwagen mit Diesel-Antrieb verkauft. Das ermutigte die Stuttgarter ebenfalls über einen Diesel im Pkw nachzudenken. Bei Daimler-Benz begann die Entwicklung des Diesel-Pkw wie bei Citroën im Jahr 1933. Zunächst forschte Daimler-Benz mit Drei- und Sechszylinder-Motoren, die von den eigenen Lkw-Motoren abgeleitet waren.
Der Diesel-Pkw debütiert im Olympiajahr 1936
Doch Schwingungsprobleme bei den umgebauten Lkw-Motoren führten dazu, dass sich Daimler-Benz schließlich für den Bau eines 2,6 Liter großen Vierzylindermotors entscheidet. Es entsteht ein moderner Motor, ausgerüstet mit einer Vierstempel-Einspritzpumpe von Bosch, hängenden Ventilen und einer fünffach gelagerten Kurbelwelle, der 45 PS/33kw bei 3.000 U/min leistet. Damit hat Daimler-Benz alles zusammen, um seinen ersten Diesel-Pkw anzubieten.
Nach der Vorstellung auf der IAA 1936 wurde der Mercedes-Benz Typ 260 D sofort der Liebling des Taxigewerbes. Denn auch im Pkw überzeugte der Diesel-Motor mit seiner hohen Wirtschaftlichkeit. Für 100 Kilometer benötigt der Diesel rund 9,5 Liter Kraftstoff – der technisch eng verwandte Typ 200 schluckt auf derselben Distanz 13 Liter Benzin. Bis zum kriegsbedingten Ende der Produktion 1940 verkaufte Mercedes-Benz seine Diesel-Pkw fast ausschließlich an Taxi-Fahrer.
Zeitgleich mit Daimler-Benz stellte übrigens auch Hanomag einen Serien-Diesel-Pkw vor. Doch der Hanomag Rekord Diesel Typ D 19 A mit Vierzylinder-Dieselmotor (1910 cm³ Hubraum, 35PS/26 kW Leistung) war nicht sofort lieferbar. So erschloss Mercedes-Benz den Markt zunächst weitestgehend alleine. Mehr als 20 Jahre nach dem Tod seines Erfinders war der Diesel-Motor Mitte der 1930er-Jahre damit auch im Pkw angekommen.