Es passierte am ... Geschichten zum Auto

17. Juni 1970 – die British Leyland Motor Corporation stellt den Range Rover vor

Vor 50 Jahren galt in Bezug auf Geländewagen eine einfache Regel. Ihr Komfort war die Insassen über Stock und Stein zum Ziel bringen. Der am 17. Juni 1970 vorgestellte Range Rover brach mit diesem Grundsatz. Mit dem Ur-Range etablierte die British Leyland Motor Corporation (BLMC) den Luxus- Geländewagen.

Offensichtlich entstand das Bedürfnis, mit dem Auto auch unwägbares Gelände zu erkunden, bereits in den Anfangstagen des Automobils. Denn schon 1827 gab es in Großbritannien Dampfwagen mit vier angetriebenen Rädern. Nach der Erfindung des mobilen Verbrennungsmotors folgten bald Versuche, auch im Auto alle vier Räder anzutreiben. Doch richtig Fahrt nahm der Allradantrieb erst im Zweiten Weltkrieg auf. Für die Truppen der US-Armee entstand 1940 bei American Bantam ein kleiner Geländewagen. Als Jeep – gefertigt in den Fabriken von Willys Overload und Ford – half dieser bei der Befreiung Europas.

Etwa zeitgleich entstand mit Unterstützung des Konstruktionsbüros von Ferdinand Porsche bei Steyr-Daimler-Puch der Steyr 1500 A mit Allradantrieb. Steyr leitete von diesem Fahrzeug mit 3,5 Liter V8-Motor das „Kommandeurskabriolett“ ab. Desses Karosserie stammte von der Gläser-Karosserie GmbH aus Dresden. Im Testartikel nannte die Zeitschrift „Motor und Sport“ aus dem Vogel Verlag Pössneck dieses Auto 1942 den „Steyr-Geländewagen“. Heute gilt dieser Artikel als erste Verwendung der Bezeichnung „Geländewagen“. Die Technik des Steyr 1500 A begründete die Allrad-Tradition in Graz. Womit das G-Modell von Mercedes ein Nachfolger des Kommandeurskabrioletts ist.

Auch nach dem Zweiten Weltkrieg bleiben Geländewagen raue Gesellen!

Als die Waffen schwiegen bot Willys Overload eine zivile Version seines Geländewagens an. Im amerikanischen Farmer sah der Autobauer aus Ohio sogar so viele mögliche Kunden, dass er seine klassische Pkw-Produktion gar nicht wieder aufnahm. Parallel dazu entstand in Großbritannien der Land Rover. Der kernige Geselle aus Solihull trug bald wesentlich zum wirtschaftlichen Erfolg von Rover bei. In Japan entstand der Toyota Land Cruiser.

Alles Autos, deren Komfort in der Erfüllung des Ziels bestand, seine Insassen fast an jedes Ziel zu bringen. Und dafür war jedes Mittel recht. Standard bei diesen Fahrzeugen waren Blattfedern und Starrachsen. Das schränkte naturgemäß den Fahrkomfort ein. Anfang 1965 erwarb Rover die Rechte an einem V8 von Buick. Die amerikanische GM-Tochter gab diesen Motor auf, weil er bei den eigenen Kunden nicht ankam. In der Klasse „Senior Compact Cars“ dominieren in den USA damals die günstigeren Sechszylinder.

Der Aluminiummotor war zu teuer für diese Klasse. Zudem hatten die frühen Exemplare des Buick 215 thermische Probleme. Rover löst diese Probleme und verfügt damit über ein echtes Schmuckstück. Denn der – jetzt – britische V8 läuft seidenweich und verfügt über eine souveräne gleichmäßige Kraftentfaltung. Das trifft, da sind sich die Techniker bei Rover sicher, den Geschmack komfortorientierter Kunden. Gleichzeitig registrieren sie, dass im Nachtleben von London immer häufiger Land Rover zum Einsatz kommen.

1 + 1 macht Range Rover!

Am 17. Juni 1970 präsentiert die British Leyland Motor Corporation (BLMC) den Range Rover. Denn Rover ging drei Jahre zuvor in der Leyland Motor Corporation auf. 1968 fusionierte Leyland mit der British Motor Corporation (BMC) zur BLMC. Rover war damit „nur“ noch eine Marke des riesigen Konglomerats BLMC. Wobei diese Marken arbeiteten in den kommenden Jahren nie harmonisch zusammen. Teilweise arbeiteten sie sogar gegeneinander. Das Ergebnis war, dass nur noch eine Verstaatlichung den Konzern Mitte der 1970er-Jahre vor der Insolvenz retteten konnte.

Trotzdem entstand 1970 mit dem Range Rover der erste Vertreter einer neuen Fahrzeuggattung. Im Chaos von BLMC gehört der Range Rover zu den wenigen Lichtblicken! Denn das Entwickler-Trio um Gordon Bashford, Charles Spencer King und David Bache setzte mit dem Range Rover neue Maßstäbe. Statt auf Blattfedern setzen sie bei der Federung ihres neuen Fahrzeugs auf Schraubenfedern. Da sie aber wie beim Land Rover dauerhaft alle vier Räder antrieben, eröffneten sie Geländewagenfahrern ein völlig neues Fahrgefühl.

Der Range Rover fuhr sich wie ein Auto!

Über die Technik stülpten sie eine ikonische Karosserie. Ihr Design präsentierte sich fast schon minimalistisch und wohlproportioniert. Es war zugleich ausdrucksstark und markant. Denn es sorgte für eine unverwechselbare Silhouette des Fahrzeugs. Klare Linien, der Einsatz von viel Glas und die deutliche Gürtellinie ließen das Autodach optisch über den Insassen „schweben“. Gleichzeitig wirkt der Range Rover trotz seiner Größe schlank und elegant.

Damit folgte der Range Rover dem Trend der Zeit! Denn Ende der 1960er-Jahre war das Autodesign im Umbruch. Mit großem Tempo verabschiedeten sich praktisch fast alle Hersteller von der bauchigen Rundlichkeit, die zuvor Standard war. Sie gilt im Rückblick als untrügliches Zeichen eines Autos der 1950er- und frühen 1960er-Jahre. Doch inzwischen galten die Pontonform und die darauf aufbauende Trapezform als veraltet. Die Wölbungen der Karosserien wichen Ende der 1960er-Jahre einer neuen Gradlinigkeit.

Scharfe Schnitte und klare Kanten waren das neue Maß der Dinge. Der Range Rover folge diesem Muster perfekt! Wobei zahlreiche Details dafür sorgen, dass der Geländegänger auch eigene Meilensteine setzt. Runde Scheinwerfer, ein horizontal geteilte Heckklappe, die hintere Schiebefenster und die großen senkrechten Türöffner machten den Briten zur Ikone. Das funktionierte sofort. Denn zahlungskräftige Kunden fuhren sofort auf den Range Rover ab und machten ihn zu ihrem täglichen Begleiter.

4,47 Meter Länge sowie die Breite und Höhe von 1,78 Metern sorgten in Verbindung mit einer guten Raumausnutzung für viel Platz. Das gefiel den Kunden. Zudem konnte sich auch ein Range Rover-Besitzer sicher sein, dass fast nichts seinen Briten stoppen konnte. Schon 1972 vollendete ein Range Rover als erstes Auto überhaupt eine Transamerika-Expedition über knapp 29 000 Kilometer von Alaska bis Feuerland – was zwei Jahre später allerdings auch ein Golf schaffte.

Wobei der Range Rover auf seiner Tour auch das Darien-Hindernis überwand. In dieser bergigen und sumpfigen Region gab es damals keine Straßen. VW umschiffte das Gebiet. Neun Jahre nach der Premiere gewann ein Range Rover die Erstausgabe der Rallye Paris-Dakar. In den kommenden Jahren pflegte Rover seinen Range Rover kontinuierlich weiter. Erst 1994 präsentiert der Autobauer einen Nachfolger. Zwei Jahre später läuft die Produktion des Urmodell aus. Auch das war wohl ein Zeichen dafür, wie weit der erste Range Rover seiner Zeit voraus war.

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Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!

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