„Fernsehen macht blöd, aber auch unglaublich viel Spaß!“, so lautete einst das Motto der Fernsehsatire „Walulis sieht fern“. Ihr Macher Philipp Walulis erhielt dafür 2012 den Grimme-Preis in der Kategorie Unterhaltung. Der richtige TV-Genuss kann tatsächlich lebenslang prägen. Bei mir sind John Steed und Emma Peel aus der Fernsehserie „The Avengers“ dafür verantwortlich, welche britischen Autos ich heute mag.
Der NDR wiederholte „Mit Schirm, Charme und Melone“, wie die Serie in Deutschland hieß, Ende der 1970er-Jahre Samstags in seinem dritten Programm. Und in dieser Zeit verfiel ich britischen Autos. Ursprünglich entstanden sind die 161 Folgen bereits von 1961 bis 1969. Auftraggeber war das kommerzielle britische Independent Television (ITV). Als ich die Welt dieser Serie für mich entdeckte, waren also selbst die jüngsten Folgen schon mindestens 10 Jahre alt.
Mir war das nicht wichtig!
Auch die meist dünne Handlung der Serien-Folgen lässt wiederholte sich irgendwie regelmäßig. Denn der Plot lässt sich in der Regel einfach zusammenfassen: Ein exzentrisches Genie will mit diabolischen Plänen nicht weniger als die Weltherrschaft erobern. Das (wechselnde) Agententeam der Serie durchkreuzt diese Pläne natürlich. Ernst nehmen konnte und sollte diese Geschichten wohl niemand. Denn mit absurden Science-Fiction-Elementen sorgten die Macher der Serie für die notwendige Selbstironie, die die Serie bis heute Kult sein lässt, wie andere Blogbeiträge zeigen.
Zur Popularität der Serie trug auch bei, dass sie – wahrscheinlich kalkuliert – regelmäßig für Skandale sorgte. Die Folge „Die Nacht der Sünder“ (im Original „A Touch Of Brimstone“) in der Diana Rigg in der Figur der Emma Peel als Queen of Sin in einem aufreizenden Domina-Kostüm auftrat, wurde in Deutschland erst 1998 ausgestrahlt und lief dann versteckt im Nachtprogramm! Dank des Usenet verpasste ich das damals nicht und wunderte mich, dass diese Folge 20 Jahr zuvor ein Skandal war und uns solange verheimlicht werden musste.
Diana Rigg ersetzte ab der vierten Staffel Honor Blackmann, die ihre Karriere als „Pussy Galore“ im Kino-Klassiker „James Bond 007 – Goldfinger“ fortsetzte. Rigg verkörperte in ihrer Rolle bei den Rächern eine für die Zeit ungewöhnlich selbstbewusste Frau. Mit Judo-Kenntnissen verteidigte sich Rigg alias Emma Peel in der Serie regelmäßig im Nahkampf. „Man Appeal“, wie Riggs Rolle bald genannt wurde, trieb die Serie weltweit zum Erfolg. Emma Peel und ihr vom britischen Schauspieler Patrick Macnee gespielter Serien-Partner John Steed stiegen zur bis heute beachteten Mode-Ikone auf.
Wer war Emma Peel?
Diana Rigg spielte die Figur der Emma Peel von 1965 bis 1967, in der 4. und 5. Staffel der Serie „The Avengers“. In Deutschland hieß die Serie „Mit Schirm, Charme und Melone“. Im Kino-Remake von 1998 spielte Uma Thurman die Rolle der Emma Peel.
Die Rolle der Emma Peel war als selbstbewusste junge Frau angelegt. Umso mehr überrascht, wie Emma Peel die Serie zu Beginn der 6. Staffel verlässt. Denn es hatte sich herausstellt, dass der todgeglaubte Mann von Emma Peel noch lebt.
Ich achtete damals auf die Autos!
Dazu trug auch – und da fing mein Interesse an – der Lotus Elan S3 bei, den Emma Peel in der Serie bewegte. Auch der Bentley aus dem 1930er-Jahren, den ihr Partner John Steed in der Serie regelmäßig bewegte, gefiel mir. Als Diana Rigg die Serie 1968 verlies, um in dem deutlich unterschätzten Bond-Film „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ (übrigens auch wegen der Auto-Szenen ein Tipp) ebenfalls Bond-Girl zu werden, trat die von Linda Thorson gespielte Tara King an ihre Stelle.
Auch die Autos von Tara King gefielen mir, denn wechselte regelmäßig zwischen einem Maroon AC 428 Convertible und einem Lotus Europa. In einer Folge war Tara ausnahmsweise auch einen roten Lotus Elan S2 unterwegs. Doch trotz dieser Autos und einer bemerkenswerten Entwicklung der Figur – von der Anfängerin zur gestandenen Agentin – konnte „Tschingbumm-Tara“ nie an den Erfolg von Emma Peel anknüpfen. Besonders in den USA riß das Konzept der Serie niemanden mehr vom Hocker. Weshalb die Verantwortlichen die Serie 1969 einstellten.
Die Wiederbelegung der Serie funktionierte nicht
Trotzdem gab es 1976 nochmal einen Neustart. Diesmal stellten die Verantwortlichen dem gereiften John Speed das dynamische Agentenpaar Purdey und Mike Gambit zur Seite. Die von Joanna Lumley gespielte Purdey nahm deutliche Anleihen bei Emma Peel. Doch selbst dies rettete die Serie nicht. Da half auch nicht, dass der von Gareth Hunt, in Großbritannien später in Werbespots „Mr. Nescafe“, gespielte Schusswaffenexperte Mike Gambit als für zusätzliche Action-Elemente sorgte.
Die „The New Avengers“ genannte Nachfolgeserie lief 1977 nach nur zwei Staffeln aus. Schade, denn auch diese Serie befriedigte meinen jugendlichen Autogeschmack. Als ich jetzt bei YouTube nach Folgen der Serie suche, wirkt die Serie lange wie ein XXL-Werbesport für British Leyland. Denn alle Hauptdarsteller saßen regelmäßig in Produkten von der Insel. John Speed nutzte nun in der Regel einen Range Rover, fuhr aber auch mal einen Jaguar XJ 5.3C oder einen Rover 3500 SD1.
Mike Gambit hatte einen roten Jaguar XJ-S. Seine Kollegin Purdey bewegte konsequent gelbe Fahrzeuge. Zunächst einen MG B, dann einen Triumph TR7 und in einer Folge auch mal eine gelbe Yamaha DT250 Enduro. Übrigens nicht der einzige Japaner in der Serie, denn kurz vor dem Ende kaufte sich Toyota in die Produktion ein. Purdey fuhr nun einen Toyota Corolla (e70) und John Steed einen grünen Toyota Landcruiser. Was interessanterweise nicht frei von Ironie ist.
Denn deutlicher lässt sich das Ende von gleich zwei Ikonen nicht symbolisieren. Wie die Fernsehserie „The Avengers“ büßte auch Großbritanniens Autoindustrie spätestens Ende der 1970er-Jahre weltweit seine Bedeutung als Trendsetter ein. Der ehemalige Exportweltmeister der Autoindustrie verlor seine Märkte an Autobauer aus dem lange rückständigen Kaiserreich Japan. Denn wo einst Land Rover, Triumph und Jaguar für Autokultur standen, eroberten nun zunehmend „billige“ Landcruiser und Corollas die Märkte. Trotzdem blieb ich britischen Autos bis heute treu.
Was wäre John Steed und Emma Peel dazu wohl eingefallen?
John Steed: Zum Glück muss man ja nicht jeden Trend hinterherlaufen, Mrs. Peel.
Emma Peel: Ja, Mister Steed, muss man nicht!
Den Bond-Film „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ mit Diana Rigg gibt es unter anderem bei Amazon (Werbung).