Auto-Erinnerungen

50 Jahre BMW-Vierzylinder als BMW Hauptverwaltung

Mitte der 1980er-Jahre verbrachte ich einige Sommer bei meiner Tante und meinem Onkel in Starnberg. Neben dem Surfen auf dem Starnberger See interessierte mich in München damals besonders das BMW Museum. Denn im Foyer der Salatschüssel stand damals der Brabham-BMW von Nelson Piquet. Inzwischen feierte der Museumsbau zusammen mit der BMW Hauptverwaltung seinen 50. Geburtstag.

50 Jahre BMW Vierzylinder
Vor 50 Jahren bezogen die Mitarbeiter von BMW ihre neue Hauptverwaltung. Das Bild dürfte nur wenige Jahre jünger sein. Es zeigt nebenbei, wie farbenfroh unsere Autos in den 1970er-Jahren waren. (Foto: BMW)

Das Gebäudeensemble der BMW Hauptverwaltung am Münchener Olympiapark ist damit im automobilen Sinne längst ein Oldtimer. Trotzdem gehört es lange noch nicht zum alten Eisen. Dazu trug nicht nur eine umfangreiche Sanierung zu Beginn des neuen Jahrtausends, sondern vor allem der richtungsweisende Entwurf des Architekten Karl Schwanzer (1918-1975) bei. Denn der Österreicher schuf mit dem BMW Hochhaus eines der schönsten Beispiele moderner Architektur in Deutschland. BMW feierte das Gebäude zur Einweihung selbstbewußt als Bürohaus der Neuen Klasse. Diese Bezeichnung spielte auf das Modell an, mit dem der Autobauer ein gutes Jahrzehnt zuvor aus der Krise fuhr und das damit den Neubau erst ermöglichte.

Die „Neue Klasse“ leitete den Wiederaufstieg ein – die neue BMW Hauptverwaltung unterstrich diesen!

Im Rückblick ist die BMW Hauptverwaltung sogar noch zeitloser als die von Giovanni Michelotti gestaltete Baureihe von BMW. Denn die Gestaltung des Hochhauses und seiner Nebengebäude wirkt auch auch mehr als fünf Jahrzehnte nach seiner Planung noch modern. Mit dem Bau unterstrich BMW eindrucksvoll den zurückliegenden schnellen Aufstieg des Unternehmens. Denn Ende der 1950er-Jahre schrieb BMW regelmäßig tief rote Zahlen. Der Markt für Luxusautos wie den BMW 503 war klein. Das Interesse an Motorrädern, mit denen das Unternehmen zuvor gutes Geld verdiente, nahm stetig ab. 1959 rettete nur ein Kapitalschnitt das Unternehmen und öffnete es für einen neuen Investor. Dessen Geld setzte BMW intelligent ein.

Zunächst entstand der tragende Mittelteil des Gebäudes.
Zunächst entstand der tragende Mittelteil des Gebäudes. Um diesen herum entstanden später de vier Elemente mit den eigentlichen Büros. (Foto: BMW)

Mit der „Neuen Klasse“ gelang ab 1961 der Durchbruch in der automobilen Mittelklasse. Ab 1966 setzte der „Null-Zwei“ diese Entwicklung fort. Diese Erfolge machten eine Erweiterung der Verwaltung unumgänglich. Der Vorstand entschied sich für einen Neubau. Als Ort für das neue Verwaltungsgebäude wählten sie einen Parkplatz am Haupteingang des BMW Werks aus. Für den Standort sprach auch die Nähe zum gerade entstehenden Olympiapark. Denn 1972 würde die Welt nach München blicken. Das sollte die Architekten vor zusätzliche Herausforderungen stellten und sorgte beim Bau der BMW Hauptverwaltung für einen erheblichen Termindruck.

1968 startete BMW einen Architekturwettbewerb, 1970 begann der Bau und 1973 war der Einzug!

Denn in der Ausschreibung für den Architekturwettbewerb, den BMW im April 1968 initiierte, hieß es: „… aus Gründen der Werbewirksamkeit sei auf eine großzügige, optisch eindrucksvolle Fassadengestaltung zu achten …“. Der Entwurf der neuen BMW Hauptverwaltung sollte sich zudem ausdrücklich in die bauliche Umgebung einpassen. Das war anspruchsvoll, denn diese bestand neben Wohngebieten, dem BMW Werk und wichtigen Verkehrsknotenpunkten eben auch aus den damals noch zukünftigen Olympiabauten. Dessen von Günter Behnisch gestaltete Zeltdach-Architektur war zukunftsweisend und stand für den Aufbruch in die Moderne. Im Innenraum verlangte BMW ein variables Raumkonzept, um auf sich auf Veränderungen einstellen zu können.

Die Büro-Etagen des BMW Vierzylinders hängten die Techniker von unten ran und zogen sie anschließend nach oben.
Die Büro-Etagen des BMW Vierzylinders hängten die Techniker von unten ran und zogen sie anschließend nach oben. (Foto: BMW)

Zwei der acht eingereichten Entwürfe kamen in die Endausscheidung. BMW Vertriebschef Paul Hahnemann machte sich für den technisch gewagten Entwurf von Karl Schwanzer stark. Offensichtlich erkannte Chef-Verkäufer Hahnemann das Potenzial des Entwurfs als architektonisches Wahrzeichen für BMW sowie den Standort München. Mit Erfolg, im Dezember 1968 erteilte BMW den Auftrag zum Bau der Firmenzentrale an Schwanzer. Bestandteil des Auftrags war auch der Bau eines Museums, das nicht Bestandteil der ursprünglichen Planung war. Mit dem heute als Saltatschüssel bezeichneten Museumsbau direkt neben der neuen BMW Hauptverwaltung sollte ein zusätzliches Aushängeschild für die Marke BMW entstehen.

Das Hochhaus wuchs scheinbar von unten nach oben!

Zunächst entstanden das Fundament und der Hochhauskern. Dieser wuchs innerhalb von vier Monaten auf die Höhe von fast 100 Metern empor. Dann folgte das mächtige Trägerkreuz auf der Turmspitze. Gleichzeitig begannen die Bauarbeiter am Boden mit dem Rohbau der Büroetagen. Diese bestehen aus einem mit einem japanischen Aluguss-Verfahren hergestellten Fassadenelementen. Diese hängten die Techniker anschließend mit Spannseilen aus Stahl an das Trägerkreuz. Anschließend schob eine Hydraulik die Büroetagen mit rund vier Metern pro Woche langsam nach oben. Sobald unten Platz war, hängten die Ingenieure ein weiteres Stockwerk von unten dran. Von außen betrachtet, wuchsen die vier zylinderförmigen Segmente des Gebäudes quasi nach und nach aus dem Boden.

So das die  Arbeitswelt der BMW Hauptverwaltung in den 1970erJahren aus.
So das die Arbeitswelt der BMW Hauptverwaltung in den 1970erJahren aus. (Foto: BMW)

Der Innenausbau der Etagen erfolgte auf dem Weg nach oben. Im Dezember 1971 feierte BMW das Richtfest. Äußerlich fertiggestellt war das Gebäude kurz vor der Olympiade 1972 in München. So gab das Gebäude während der Spiele die gewünschte gute Figur ab. Anfang 1973 zogen die Mitarbeiter mit einer großen Einweihungsfeier in die bald vom Volksmund „Vierzylinder“ getaufte neue BMW Hauptverwaltung ein. Zwei Jahre später war das Hochhaus die Kulisse für den Science Fiction-Klassiker „Rollerball“. Es war übrigens eine mutige Entscheidung von BMW, Hauptverwaltung und Museum in dieser negativen Utopie einem weltbeherrschenden Megakonzernen zur Verfügung zu stellen.

Seit 1999 stehen Hochhaus und Museum unter Denkmalschutz!

Nach einer umfangreichen Sanierung (2004 bis 2006) erfüllt das Gebäude bis heute die Ansprüche des Unternehmens. Während der Sanierung bekam das Gebäude 2.304 neue Fenster. Zudem paßte BMW die Brandschutzmaßnahmen an und überarbeitete das Gebäude energetisch. Im Frühjahr 2013 zeichnete eine internationale Expertenkommission die BMW Hauptverwaltung als eine der fünfzehn weltweit spektakulärsten Firmenzentralen aus. Das dokumentiert eindrucksvoller, wie richtungsweisend der Entwurf von Karl Schwanzer war. Denn die weiteren ausgezeichneten Gebäude waren in der Regel deutlich jünger. Auch den 50. Geburtstag feierte BMW in diesem Jahr groß.


Infos zum Titelbild dieses Beitrags:
Die Büro-Etagen des BMW Vierzylinders hängten die Techniker von unten ran und zogen sie anschließend nach oben.

Foto: BMW

AutoNatives.de ist auch bei Facebook. Wir freuen uns über ein Like.







Themen in diesem Artikel:

Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!

Write A Comment