9. Januar 1977: Als Jody Scheckter und Walter Wolf Racing den Großen Preis von Argentinien gewannen

Ein Konstrukteur, der gleich bei seinem Grand Prix-Debüt gewinnen kann, ist in der modernen Formel 1 fast nicht mehr vorstellbar. An vielen Stellen heißt es, dass Walter Wolf Racing dieses Kunststück am 9. Januar 1977 gelang. Denn beim Großen Preis von Argentinien im Januar 1977 trat das Team des austro-kanadischen Öl-Millionärs Walter Wolf erstmals mit einem eigenen Chassis an und gewann prompt das Rennen. Doch ganz neu war das Team eigentlich nicht.

Jody Scheckter im Wolf WR1 beim Großen Preis von Belgien 1977
Jody Scheckter im Wolf WR1 beim Großen Preis von Belgien 1977. Der Süfarikaner, der an diesem Tag im Chassis #3 saß, fiel nach 62 Runden mit einem Defekt am Motor aus. Ähnlich wie Tyrrell in seiner Anfangszeit zählte auch Wolf seine Chassis hoch. Deshalb taucht das dritte Chassis des Modells WR1 in den Startlisten heute oft als WR3 auf. (Foto: Archiv AutoNatives.de)

Die Szene war im Januar 1977 beeindruckt. Praktisch aus dem Nichts fuhr Jody Scheckter beim Großen Preis von Argentinien 1977 zum Sieg. Im Verlauf des Jahres gewann der Südafrikaner zudem die Rennen in Monaco und Kanada. Dazu holte der Scheckter noch sechs weitere Podestplätze. Das reichte, um am Ende der Saison hinter Weltmeister Niki Lauda auf den zweiten Platz der WM-Wertung zu fahren. Erst 32 Jahre später gelang Brawn GP als ebenfalls „neuem Team“ etwas Ähnliches.

Wobei das mit dem neuen Team in beiden Fällen so eine Sache ist. Schließlich ging Brawn GP aus den Resten des Honda-Werksteams hervor. Der japanische Autobauer verlor auf dem Höhepunkt der Finanzkrise 2008 die Lust am teuren Formel 1-Auftritt. In Zuge eines Management-Buy-Outs übernahm Ross Brawn das Team. Dank eines noch von Honda ausgetüftelten Aerodynamik-Tricks dominierte Brawn GP die erste Saisonhälfte 2009 und fuhr anschließend zum Titel.

Walter Wolf Racing war 1977 kein ganz neues Team!

Die Geschichte von Walter Wolf Racing weist tatsächlich Parallelen zur Geschichte von Brawn GP dazu auf. Denn im Dezember 1975 übernahm Walter Wolf die Mehrheit an Frank Williams Racing Cars. Dessen Gründer, dem 2021 verstorbenen Frank Williams, ging das Geld aus. Wolf war der Retter in der Not, der einen weiteren Betrieb des Teams ermöglichte. Schon zuvor erwarb der in Österreich geborene Wolf die Rechte am Hesketh 308C. Mit Verkauf sicherte Hesketh-Teammanager Bubbles Horsley – zumindest vorübergehend – den Fortbestand dieses Teams.

Denn von Lord Alexander Hesketh kam kein Geld mehr. Der britische Adelige verstand inzwischen, dass die Formel 1 ein Brandbeschleuniger auf dem Weg, das eigene Erbe zu verprassen, war und zog den Stecker. Walter Wolf plante, mit dem Hesketh 308C und einem eigenen Team in der Formel 1 anzutreten. Dazu lies Wolf den Rennwagen bei Giampaolo Dallara überarbeiten. Dallara, vor der Selbständigkeit F1-Konstrukteur bei De Tomaso, stellte Walter Wolf im Oktober 1975 Frank Williams vor. Denn Frank Williams Racing Cars stand nach dem Verlust wichtiger Sponsoren (mal wieder) vor dem Aus.

Wolf griff zu und fand damit eine Abkürzung auf dem Weg zum eigenen F1-Team. Frank Williams blieb als angestellter Manager an Bord. Aus dem Hesketh 308C wurde der Williams FW05, den das Team in der Saison 1976 einsetzte. Die ersten drei Rennen des Jahres bestritt das Team noch unter dem Namen Frank Williams Racing Cars. Doch ab dem Großen Preis von Spanien stand in den Meldelisten Walter Wolf Racing auf.


Damit ist die Legende vom Sieg im ersten Rennen zerstört!

Als Nummer eins trat seit Saisonbeginn Jacky Ickx für das Team an. Der achtfache Grand-Prix-Sieger verlor Mitte 1975 sein Cockpit bei Lotus. Für Ickx war das Cockpit bei Williams / Wolf zu dieser Zeit der letzte Strohhalm, um seine Formel 1-Karriere fortzusetzen. Trotzdem war der Belgier finanziell eine Hausnummer, die für Frank Williams zuvor unerreichbar war. Nur die Übernahme durch Wolf ermöglichte, einen Piloten dieses Kalibers in den „Williams“ zu setzen.

Neben dem Auto von Ickx setzte das Team ein zweites Fahrzeug ein. Hier saßen nacheinander Renzo Zorzi, Michel Leclerc, Warwick Brown und Hans Binder im Cockpit. Das erinnert, trotz der Übernahme durch Walter Wolf, an die bei Frank Williams Racing Cars übliche Praxis: Wer zahlt, der fährt.

Podium beim GP der Niederlande 1977
Jody Scheckter (links) wird in den Niederlanden für Wolf Zweiter. (Foto Nationaal Archief, CC3.0)

Der Williams FW05 war im Kern zwei Jahre alt. Patrick Head, der für Williams und Dallara die Überarbeitung des Fahrzeugs übernahm, hielt den Rennwagen für eine Fehlkonstruktion. In einem Interview sagte der spätere Technikchef bei Williams, der Hesketh 308C beziehungsweise Williams FW05 brachte ihm bei, wie ein Rennwagen nicht zu konstruieren sei. Und tatsächlich, selbst Jacky Ickx hatte Schwierigkeiten mit dem Auto die Hürde der Qualifikation zu meistern.

Das Team ersetzte den Belgier ab Saisonmitte durch Arturo Merzario. Doch auch dem Italiener gelangen keine besseren Ergebnisse. Wenn der Fisch nicht schwimmen kann, dann ist es – zumindest in der Formel 1 – eben doch die Badehose. Insgesamt blieb Walter Wolf Racing im Debütjahr jedoch hinter den Erwartungen des Teambesitzers zurück. Der galt in der Motorsport-Szene bald als genauso exzentrisch wie großspurig. Denn der Kanadier zeigte seinen Wohlstand gern, reiste wahlweise mit einem Porsche 935 K3 oder Lamborghini Countach im Fahrerlager an.

Bei Bedarf schwebte Wolf auch mit dem eigenen Hubschrauber ein oder flog zwischendurch mit diesem zum Essen. Als Spleen galt, dass Hubschrauber und Sportwagen stets ein zum Rennwagen passendes Lackkleid trugen. Damit war immer klar, wer hier die Strecke besuchte. Mit diesem Auftreten machte sich Walter Wolf in der Formel 1 nicht nur Freunde. Nach den Enttäuschungen der Saison 1976 kam es im Winter zum Bruch. Walter Wolf sah in Frank Williams den Grund für den ausbleibenden Erfolg. Frank Williams litt unter den Allüren des Chefs und kündigte.

Walter Wolf zahlte den Briten, dem noch eine Minderheit des Teams gehörte aus. Mit diesem Geld gründete Frank Williams das heute noch bestehende Team Williams. Die Aufgabe des Teamchefs bei Walter Wolf Racing übernahm der Brite Peter Warr. Zudem konstruierte Dr. Harvey Postlethwaite mit dem Wolf WR1 den ersten eigenen Rennwagen für Walter Wolf Racing. Wobei interessanterweise bereits der Hesketh 308C eine Konstruktion des britischen Konstrukteurs war.

Die neue Strategie ging auf!

Walter Wolf Racing konzentrierte sich mit dem neuen Rennwagen auf einen Piloten. Die Wahl fiel auf Grand Prix-Sieger Jody Scheckter, der sich den Vertrag fürstlich bezahlen lies. Wobei Scheckter froh war, dem Experiment P34 bei Tyrrell den Rücken kehren zu können. Schon beim Debüt im neuen Team gewann der Südafrikaner mit dem Wolf WR1 am 9. Januar 1977 den Grand Prix von Argentinien. Es war der Auftakt zu einer – wenn auch kurzen – Erfolgsserie. Denn Scheckter gewann im Verlauf des Jahres auch in Monaco und Kanada.

Dazu holte der ehemalige Tyrrell-Pilot noch sechs weitere Podestplätze. Am Saisonende war Scheckter hinter Niki Lauda im Ferrari tatsächlich Vize-Weltmeister. Entsprechend optimistisch kündigte Walter Wolf für die Saison 1978 den Kampf um den Titel an. Doch gegen den Lotus 78, der den Ground Effect in der Formel 1 einführte, war der WR1, mit dem Team auch ins zweite Jahr ging, chancenlos. Wolf reagierte und stellte bereits Anfang Juni mit dem Wolf WR5 ebenfalls ein Wing-Car vor. Doch das Einzelstück wies ein problematisches Handling auf.

Trotzdem gelang es Scheckter in Deutschland auf den zweiten Platz zu fahren. Innerhalb weniger Wochen stellte Postlethwaite mit dem WR6 eine modifizierte Version des WR5 auf die Räder. Doch auch damit gelang dem Team nicht, zum Sieg zu fahren. Jody Scheckter sammelte 24 Punkte und beendete die Saison als WM-Fünfter.

Walter Wolf und Jody Scheckter in Monza 1978
1978 ist das Team chancenlos. Walter Wolf (2. von Links) und sein Pilot begutachten den WR6 in Monza. (Foto: giussano CC2.0)

Der Südafrikaner zog deshalb nach zwei Jahren bei Wolf zu Ferrari weiter. Sein ehemaliges Team verpflichtete als Ersatz James Hunt. Doch auch der inzwischen vorgestellte WR7 war unzuverlässig und nicht schnell genug. Ex-Weltmeister Hunt warf nach sieben Rennen mit nur einer Zielankunft das Handtuch und erklärte den Rücktritt vom aktiven Sport. Das Cockpit bei Wolf übernahm Keke Rosberg. Doch der Finne mühte sich redlich, fiel jedoch siebenmal aus. Nur in Frankreich sah Rosberg im Wolf die Zielflagge. Und ausgerechnet beim Rennen in Canada, der Heimat des Teambesitzers, verpasste Keke Rosberg im Wolf die Qualifikation.

Walter Wolf verlor die Lust am Rennsport!

Ende 1979 verkaufte Walter Wolf die die Werkstatt und das Inventar des Teams an Emerson und Wilson Fittipaldi. Damit fand das Copersucar Team der Brasilianer eine Heimat in Großbritannien.Und Walter Wolf Racing war nach nur vier Jahren Geschichte. Den Sieg des Teams in Argentinien bezeichnen heute viele als Sieg eines Teams, das bereits beim ersten Rennen zum Erfolg fuhr. Wer die ganze Geschichte betrachtet, der kommt zum Ergebnis, dass das eine Legende ist. Denn ein echter Neueinsteiger war Walter Wolf Racing im Januar 1977 nicht. Das „Debüt“ war ein Neustart unter neuer Leitung, mit neuem Personal und einem neuen Auto.

Ursprünglich erschien dieser Artikel im Januar 2017. Wir haben ihm im Januar 2022 aktualisiert.


Infos zum Titelbild dieses Beitrags:
Jody Scheckter im Wolf WR1 beim Großen Preis von Belgien 1977. Der Süfarikaner, der an diesem Tag im Chassis #3 saß, fiel nach 62 Runden mit einem Defekt am Motor aus. Ähnlich wie Tyrrell in seiner Anfangszeit zählte auch Wolf seine Chassis hoch. Deshalb taucht das dritte Chassis des Modells WR1 in den Starterlisten heute oft als WR3 auf.

Foto: Archiv AutoNatives.de

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Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!

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