Ich mag das Internet. Denn das Netz der Netze ermöglicht mir immer wieder den Zugang zu Quellen, die ich sonst nie entdeckt hätte. Die Fotos des Mercedes-Benz 450 SLC AMG in Le Mans sind ein gutes Beispiel dafür.
Vor gut sechs Wochen schrieb ich hier im Blog über den Mercedes-Benz 450 SLC AMG, der 1980 auf der Nordschleife den Großen Preis der Tourenwagen gewann. Damals trat der noch unabhängige Tuner AMG von Zeit zu Zeit in der Tourenwagen-Europameisterschaft an. Wobei AMG seinen Rennwagen für die Tourenwagen-Europameisterschaft nach den Regeln der Gruppe 2 vorbereitete. Doch die Aufmerksamkeit, die sich AMG mit dem Engagement in der Tourenwagen-Europameisterschaft sicherte, war begrenzt. Getreu dem Motto „win on Sunday, sell on Monday“ wollte AMG im Motorsport natürlich für seine überarbeiteten Mercedes-Modelle werben.
Le Mans versprach dem Mercedes-Benz 450 SLC AMG Exklusivität, die die Tourenwagen-EM nicht bieten konnte!
Gleiches galt für den Berliner Spirituosen-Hersteller Mampe, der als Hauptsponsor auf dem Auto warb. Mampe stand damals vor allem für Magenbitter. Doch zum Sortiment der Berliner gehörte auch der „Lufthansa Cocktail“. Den gab es zunächst nur an Bord der Lufthansa-Maschinen. Und das Fliegen umgab damals noch der Hauch von Jetset und Exklusivität. Für die, die vor Corona mit Billigfliegern wie Ryanair oder easyJet die Welt entdeckten, ist das heute nur schwer nachvollziehbar. Vor 50 Jahren war das Fliegen so exklusiv, dass Kunden sich mit dem „Lufthansa Cocktail“ diese Exklusivität nach Hause holen konnten.
Exklusiv war auch das Comeback von Mercedes im internationalen Rundstrecken-Sport. Auch wenn es sich bei dem Einsatz von AMG nicht um einen Werkseinsatz handelte. Es ist nicht anzunehmen, dass AMG mit dem Mercedes-Benz 450 SLC AMG in Le Mans ohne Zustimmung des Werks antrat. Insofern passte der Sponsor „Lufthansa Cocktail“ gut zum ambitionierten Rennwagen. Auch wenn das Umfeld der Tourenwagen-EM vielleicht nicht ganz den gewünschten Glanz garantierte, den der Sponsor suchte. Diesen Glanz versprachen aber die 24 Stunden von Le Mans. Dabei störte auch nicht, dass das Rennen in Frankreich 1978 zu keiner Meisterschaft zählte. Zudem passte der 450 SLC AMG eigentlich in Le Mans überhaupt nicht ins Reglement.
Der Mercedes-Benz 450 SLC AMG in Le Mans war kein Gruppe-5-Bolide auf der Höhe der Zeit!
Denn wer in Le Mans gewinnen wollte, der benötigte in der zweiten Hälfte der 1970er-Jahre einen Sportprototypen. Dahinter kämpften GT-Sportwagen der Gruppe 4 und „Special Production Cars“ der Gruppe 5 sowie IMSA-Boliden um die Plätze. So blieb AMG mangels passender Homologation im Sommer 1978 nur der Start als „Special Production Car“. Dort rannten Rennwagen wie der Porsche 935/77 oder BMW 320 Turbo. Und tatsächlich zeigen die Bilder aus Le Mans am Mercedes-Benz 450 SLC AMG den Hinweis „Grp. 5“ auf der Startnummer. Die Wettbewerber in dieser Klasse bauten auf Gitterrohr-Rahmen.
Im Vergleich dazu handelte es sich beim 450 SLC auch in Le Mans immer noch um ein seriennahes Fahrzeug. Denn die A.M.G. Motorenbau GmbH, wie es in den offiziellen Nennunterlagen hieß, trat in Le Mans tatsächlich mit dem umgebauten EM-Rennwagen an. Unter der Motorhaube steckte ein auf fünf Liter vergrößerter Versuchsmotor. Diesen Motor homologierte die Daimler Benz AG in der Gruppe 4 erst ein gutes Jahr später. In der offiziellen FIA-Datenbank gibt es die Homologationsunterlagen. Zudem spendierte AMG dem SLC in Le Mans noch das hauseigene Schaltgetriebe. In der Tourenwagen-EM musste der AMG mit der von Daimler-Benz homologierten Wandler- Automatik antreten.
4:26,100 Rundenzeit reichte nicht für den Sprung ins Starterfeld
Angesicht dieser geringen Modifikation verwundert nicht, dass das Rennen für den Mercedes-Benz 450 SLC AMG schon nach dem Training beendet war. Der Mercedes benötigte 4:26,100 Minuten, um den Circuit des 24 Heures zu umrunden. Damit verpassten Hans Heyer und Clemens Schickentanz den Sprung ins Feld der 55 Starter. Auch die Hoffnung, als Reservestarter das Rennen doch noch aufnehmen zu können, zerschlug sich. Denn alle qualifizierten Gruppe-5-Boliden traten zum Rennen an. Das Ganze entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Denn das damalige Reglement des Le Mans Veranstalters ACO sah für alle Fahrzeugklassen ein festes Kontingent an Startplätzen vor.
Und so trat im Rennen ein Porsche 911 Carrera RSR an, der im Training zwei Sekunden langsamer als der AMG war. Doch der Porsche rannte in der Klasse der GT-Fahrzeuge bis drei Liter, während der schnellere AMG die Qualifikation verpasste. Losgelöst davon zeigen die Bilder, wie sehr sich der Motorsport in den letzten 42 Jahren veränderte. Denn AMG schraubte damals hinter einem bescheidenen Lkw. Das Team teilte sich die Parzelle im Fahrerlager mit einem Sportwagen-Team aus der Schweiz. Eine lockere Absperrkette sollte Zuschauer abhalten. Trotzdem standen jede Menge Gäste zwischen den Rennwagen herum, während die Mechaniker an den Autos arbeiteten.