Rennsport-Geschichten

Formula Turbo Ford – Als Ford der Mut fehlte, die Formel 3 herauszufordern!

1984 kündigte Ford an, im kommenden Jahr die Formula Turbo Ford einzuführen. Reynard baute mit dem Reynard 84FTF einen Prototyp. Doch das Projekt kam über Testfahrten nicht hinaus. Ford verzichtete auf das angekündigte Debüt der neuen Fahrzeugklasse.

Heute sind Motoren, denen ein Turbo beim Atmen hilft, allgegenwärtig. In den 1980er-Jahren war das noch nicht absehbar. Denn die Vokabel „Turbo“ umwehte immer der Hauch des Verwegenen. Schließlich eroberte der Turbo vor vier Jahrzehnten nach Le Mans mit der Formel 1 auch die Königsklasse des Motorsports im Sturm. Im Training quetschen die Ingenieure bis zu 1.300 PS aus ihren 1,5 Liter großen F1-Triebwerken.

Der Turbo strahlte auf die Nachwuchsklassen ab!

Im Rennen standen bis zu 1.000 PS zur Verfügung. Ende der 1970er-Jahre saßen die Piloten noch in Rennwagen mit 500 PS leistenden Motoren. Bis 1986 verdoppelte sich dank der Turbos die Leistung der Fahrzeuge. Das vergrößerte jedoch den Abstand der Königsklasse zu den Nachwuchsserien. Denn in der Formel 2 und Formel 3 waren weiterhin nur Sauger und maximal zwei Liter Hubraum gestattet.

Formel Ford 1600 – Rennen in Hockenheim
Anfang der 1980er-Jahre galt die Formel Ford 1600 als große Nachwuchsklasse der Welt. Sie übernahm die Rolle von der Formel V, die ab 1983 in Europa keine Fortsetzung mehr fand. (Foto Ford / Archiv Fabian P. Wiedl)

Während die F2-Motoren dank freier Atmung bei rund 320 PS Leistung lagen, drosselte in der kleineren Klasse ein Luftbegrenzer die Leistung. Um die Kluft nach oben zu schießen, lief die Formel 2 Ende 1984 aus. Die Formel 3000 trat an ihre Stelle. In der neuen Fahrzeugklasse kamen Saugmotoren zum Einsatz, die zuvor in der Königsklasse zu Hause waren. Wobei die FISA die Drehzahl auf 9.000 U/min und die Leistung auf 450 PS begrenzte.

Auftritt Formula Turbo Ford – Formel Ford Turbo!

Im Schatten dieser Regeländerungen kündigte Ford im Juli 1984 die „Formula Turbo Ford“ an. Sie sollte bereits im nächsten Jahr ihr Renndebüt feiern. Mit der zusätzlichen Turbo-Klasse wollte Ford sein Nachwuchsprogramm nach oben abrunden. Denn Rennsport-Einsteiger konnten sich damals auf der „Leiter“ für höherer Aufgaben vorbereiten. Für Anfänger gab es die Formel Ford (1.6 Liter 78 kW/105 PS). Darüber rangierte die Formel Ford 2000 (100 kW/136 PS).

Reynard 84FTF für die Formula Turbo Ford
Reynard Motorsport baute mit dem Reynard 84FTF den Prototyp der Formula Turbo Ford. Doch der Bolide kam über Testfahrten nicht hinaus. Ford schrieb trotz der Ankündigung vom Juli 1984 die neue Serie doch nicht aus. (Foto: Ford / Archiv Fabian P. Wiedl)

In beiden Fahrzeugklassen kamen Ford-Motoren der Kent-Baureihe zum Einsatz. Ein enges Reglement sorgte dafür, dass in den Fahrzeugklassen Talent sichtbar wurde. Weshalb damals zahlreiche spätere Formel-1-Piloten durch die Schule der Formel Ford gingen. Doch der Sprung in die Formel 3 als nächste Fahrzeugklasse wurde im Laufe der Jahre immer teurer. Denn zwischen 1978 und 1984 verdoppelten sich die Kosten einer F3-Saison.

In der Formula Turbo Ford sollte der Pinto rennen!

Offensichtlich sah Ford eine Chance, mit der Formula Turbo Ford die Formel 3 unter Druck zu setzen. Wobei der Autobauer das offiziell stets bestritt. Doch der Blick auf die Technik der Formel Ford Turbo lässt keine andere Wertung zu. Denn dank eines auf 24 Millimeter beschränkten Lufteinlasses lagen die Formel 3-Motoren Mitte der 1980er-Jahre zwischen 160 PS und 170 PS Leistung. Die Formula Turbo Ford sollte ein aufgeladener Pinto-Motor mit 150 PS Leistung antreiben.

Das verwundert etwas, da Ford kurz nach der Ankündigung der Formel Turbo Ford auf dem Pariser Auto Salon den Ford Escort RS Turbo vorstellte. Denn im Turbo-Escort kommt ein 136 PS starkes Triebwerk der modernen Motorenbaureihe Ford CVH zum Einsatz. Trotzdem griff Ford für den Rennmotor der geplanten Formula Turbo Ford auf das ältere Pinto-Aggregat zurück.

Motor für die Formula Ford Turbo
In der Formula Turbo Ford wollte Ford einen aufgeladenen Motor der Pinto-Baureihe einsetzen. Die neue Turbo-Klasse sollte auch den Absatz des im Oktober 1984 in Paris präsentierten Escort RS Turbo, obwohl in dem nicht das gleiche Triebwerk zum Einsatz kam, fördern. (Foto: Ford / Archiv Fabian P. Wiedl)

Dabei betonte Ford, dass mit etwas mehr Ladedruck auch 190 PS Leistung möglich wären. Damit war die Formel Turbo Ford formal die größte Herausforderung der Formel 3 seit dem Ende der Formel Atlantic. Rennwagenbauer Reynard Motorsport stellte mit dem Reynard 84FTF einen passenden Prototyp auf die Räder. Ford verschickte mit der Ankündigung der neuen Klasse das Pressefoto, das auch wir in diesem Artikel einsetzen.

Ford zog zurück!

Nach der Ankündigung setzte, wie Zeitzeugen berichten, hinter den Kulissen ein Tauziehen ein. Ford warb um Piloten und Teams. Die Verantwortlichen der Formel 3 brachten sich politisch in Position. Offensichtlich mit Erfolg, denn am Ende verzichtete Ford auf die Einführung der Formel Turbo Ford. Der Prototyp Reynard 84FTF blieb ein Einzelstück. Ohne Turbo-Rennserie stellte kein anderer Rennwagen-Konstrukteur ein passendes Fahrzeug vor.

Die Firma von Adrian Reynard verkaufte das Chassis von den Fotos später als Formel Ford 2000-Fahrzeug. Wobei die Seitenkästen und der Lufteinlass, die der Prototyp auf dem offiziellen Foto trug, verloren gingen. Irgendwann galt das für das ganze Fahrzeug. Die Spuren verloren sich bis 2015 ein Brite das Chassis kaufte und über die ungewöhnliche Fahrgestellnummer stolperte. Denn sein Formel Ford 2000 trug eine Plakette mit der Chassis-Nummer 84SFTF – es war der Prototyp.

Anmerkung der Redaktion: Der Motor im Ford Escort RS Turbo entstammte der Motorenbaureihe CVH von Ford. Wir haben dies korrigiert.


Infos zum Titelbild dieses Beitrags:
Reynard Motorsport baute mit dem Reynard 84FTF den Prototyp der Formula Turbo Ford. Doch der Bolide kam über Testfahrten nicht hinaus. Ford schrieb trotz der Ankündigung vom Juli 1984 die neue Serie doch nicht aus. (Foto: Ford / Archiv Fabian P. Wiedl)

Foto: Ford / Archiv Fabian P. Wiedl

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Themen in diesem Artikel:

Fabian P. Wiedl interessiert sich seit Kindestagen für Motorsport und Automobile. Als Mitverfasser mehrerer Bücher, wovon insbesondere „Audi Typenkunde: Renn- und Rallyewagen von 1968 bis 2013“ zu erwähnen ist, greift Wiedl gern auf sein umfassendes Motorsport-Archiv zurück. Tom Schwede wuchs in einem ausgesprochen automobilen Umfeld auf. Dies war ein optimaler Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Seit 2010 moderiert Tom bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland sowie dem angrenzenden Ausland.

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