Meinung und Kommentar

Gibt es noch Mut im BMW-Vierzylinder?

„BMW steht für Motorsport“ dies ist wohl selbst die Meinungen derer, die mit der Marke mit dem Propeller im Logo nur wenig anfangen können. Doch seit einigen Jahren ist der Premiumhersteller kräftig dabei, diesen Mythos zu zerstören. Es wirkt fast, als ob den Verantwortlichen im BMW-Vierzylinder, wie die BMW-Hauptverwaltung im Volksmund heißt, heute der Mut fehlt.

Das BMW Junior Team war eine mutige Entscheidung aus dem BMW-Vierzylinder
Marc Surer im BMW 320 des BMW Junior Teams (Foto: Tom Schwede)

Vor ein paar Jahren begeisterten die Münchener Motorsport-Fans in den USA und beim 24-Stunden-Rennen am Nürburgring mit dem wunderbaren BMW M3 GTR. Mit Schnitzer Motorsport (BMW Team Germany), dem RBM-Team von Bart Mampaey (BMW Team UK) und ROAL Motorsport (BMW Team Italy-Spain) schickten die Bayern gleich drei Werksteams in die Tourenwagen-Weltmeisterschaft. Dazu übernahm BMW zum 1. Januar 2006 die Mehrheit am Rennstall von Peter Sauber. Es war die Basis für das „BMW Sauber F1 Team“, das als Werksteam an der Formel-1-Weltmeisterschaft teilzunehmen.

Der Plan war, dass dieses Tochterunternehmen in geordneten Schritten an die Spitze vordringt. Die Ankündigungen des Unternehmens sahen dafür einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren vor. Doch nicht erst seit dem Ende des Sozialismus in Ost-Europa wissen aufmerksame Beobachter, dass das mit den „5-Jahres-Plänen“ immer so eine Sache ist. Die Verantwortlichen im BMW-Vierzylinder, wie die Hauptverwaltung in München im Volksmund heißt, planten trotzdem siegessicher. Auf dem Weg zur „Planerfüllung“ versuchten sie, die Prozesse des Großunternehmens in den Motorsport zu übertragen. Das war zunächst sogar erfolgreich.

Die Pläne aus dem BMW-Vierzylinder waren zunächst sogar erfolgreich!

Am 8. Juni 2008, knapp zwei Jahren nach der Übernahme fuhr Robert Kubica beim Grand Prix von Kanada in Montreal zum ersten Formel-1-Sieg. Wahrscheinlich entsprach dies der Planung der Strategen aus dem BMW-Vierzylinder. Doch schon ein halbes Jahr später lief das Projekt aus dem Ruder. Das Team stagnierte in der sportlichen Entwicklung. Es verlor die Spitze, zu der sich das Team eben noch auf Augenhöhe wähnte, aus den Augen. Dazu machte sich BMW im Fahrerlager keine Freunde. Denn BMW bestand mitten in einer globalen Wirtschaftskrise auf die Einführung der teuren Energie-Rückgewinnung „KERS“.

Im Sommer 2009 erkannten die Betriebswirte aus dem Controlling des Konzerns im BMW-Vierzylinder, dass auch der vermutlich beste Businessplan der Welt keinen Formel-1-Weltmeistertitel garantiert. Es passierte, was in Großunternehmen dann passiert. BMW stieg aus der Formel 1 und beendete das Projekt vorzeitig. Dies mag in der Welt der Betriebswirtschaft, die Verlustbringer konsequent abstößt, normal sein. Doch es ist nicht besonders sportlich. Und es ist ein Bruch mit der Tradition, die BMW kurz vorher noch mit Aktionen wie dem Nordschleifen-Ausflug Nick Heidfelds im Formel 1-Boliden erfolgreich bedient.

Die DTM meiden die Verantwortlichen aus dem BMW-Vierzylinder seit bald 20 Jahren!

Doch irgendwie bogen die Verantwortlichen im BMW-Vierzylinder anschließend falsch ab. Für den Einsatz in den USA entstand 2008 der BMW M3 ALMS, den BMW zunächst in der Klasse GT2-S Viertürer homologierte. Es erforderte lange Verhandlungen mit dem „Automobile Club de l’Ouest“, um den M3 ALMS für einen Auftritt in Le Mans tauglich zu machen. Im seriennahen Motorsport der Tourenwagen-Weltmeisterschaft kämpfen BMW-Piloten gegen Gegner von Chevrolet, Seat und Lada. Ohne die heutigen Gegner herabzuwürdigen, das sind nicht mehr Audi, AMG Mercedes, Jaguar oder Volvo, die in der ehemaligen Tourenwagen-EM oder der DTM der 1990er-Jahre gegen BMW antraten.

Auch die BMW M1 Procar Championship war eine mutige Idee, aus dem BMW-Vierzylinder (Foto: BMW)
Auch die BMW M1 Procar Championship war eine mutige Idee, aus dem BMW-Vierzylinder (Foto: BMW)

Und es ist auch kein Wettbewerb wie damals in der Deutschen Rennsport-Meisterschaft (DRM), als in der Gruppe 5 ab 1976 die Gegner Porsche, Ford oder Lancia hießen. Gerade die Jahre in der DRM prägten das Image von BMW positiv. Unvergessen, wie die Bayern 1977 vier jungen Männern ihre High-Tech-Rennwagen anvertrauten. Rennleiter Jochen Neerpasch setzte Manfred Winkelhock, Marc Surer, Eddie Cheever und Bruno Giacomelli in die nach dem Gruppe-5-Reglement aufgebauten BMW 320i. Die Nachwuchspiloten stießen sich in der bisweilen rauen DRM erfolgreich die Hörner ab. Kein Wunder, dass sich die Fans bis heute gern an das „BMW Junior Team“ erinnern.

Denn was die Herren auf der Strecke zeigten, gilt unter Kennern als absolutes Glanzlicht des Motorsports. Trotz oder wegen des manchmal übermotivierten Verhaltens der Protagonisten. Beeindruckend war auch, dass sich die Förderung nicht nur auf den Tourenwagen beschränkte. Alle vier Piloten bestritten mit Unterstützung von BMW und mit einigem Erfolg zusätzlich auch die Formel 2-Europameisterschaft. Cheever, den BMW damals im Formel-2-Team des Briten Ron Dennis unterbrachte, sicherte sich 1977 den zweite Platz der Europameisterschaft. Bruno Giacomelli landete auf Rang vier. Ein Jahr später sicherte sich der Italiener den Titel und verwies Surer auf den zweiten Platz. Cheever und Winkelhock belegten die Plätze vier und neun.

1979 gelang Marc Surer der Titelgewinn. Alle vier Junior-Piloten schafften es bis in die Formel 1. Schade, dass heute so ein Nachwuchsprogramm wie das „BMW Junior Team“ wohl nicht mehr funktionieren würde. Denn dafür lebten sich in den letzten drei Jahrzehnten der Sport mit Tourenwagen und Formel-Fahrzeugen einfach zu weit auseinander. Das gleiche Problem hätte die von BMW initiierte und heute längst genauso wie das Junior-Team legendäre „BMW M1 Procar Championship“. Da Marketing der Wettbewerber würde wohl nicht zulassen, dass die Mercedes-Piloten Michael Schumacher oder Nico Rosberg vor einem Grand Pri noch schnell in einem Rennen identischer BMW antreten.

Gibt es noch einen Funken Hoffnung im BMW-Vierzylinder?

All diese Episoden unterstreichen den Sportsgeist, der früher einmal im BMW-Vierzylinder zu Hause war. Der Rückzug aus der Formel unterstrich im vergangenen Winter, dass das alles Geschichte ist – zumal selbst der Ausstieg nicht reibungslos lief. Denn der Verkauf des Teams an einen Investor platzte. Um die Arbeitsplätze zu sichern, wagte Peter Sauber die eigenständige Rückkehr in die Königsklasse. Dort tritt das Team heute als „BMW Sauber Ferrari“ an. Die Zustimmung zu diesem Namen, der notwendig war, um Sauber den Zugriff aufs Preisgeld der Formel 1 zu sichern, war großzügig. Scheinbar gibt es doch noch etwas Mut im BMW-Vierzylinder.

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Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!