Vor ein paar Tagen fragte mich jemand, nach den ungewöhnlichsten Autos, die ich bisher auf der Rennstrecke gesehen habe. Der Iso Rivolta 300, den ich vor ein paar Jahren beim AvD Oldtimer Grand Prix am Nürburgring fahren sah, gehört mit Sicherheit dazu.
Denn das 1962 vorgestellte Coupé kannte ich bis dahin nur als luxuriösen Reisewagen. An Motorsport dachte ich zuvor bei diesem Auto nicht. Dabei hätte ich es mir denken können. Schließlich hatten der Unternehmer Renzo Rivolta und der ehemalige Ferrari-Ingenieur Giotto Bizzarrini offensichtlich einen Hang zu schnellen Autos. Der Iso Rivolta 300 war ihre erste Zusammenarbeit. Renzo Rivolta hatte mit Kühlgeräten, die er unter den Namen Isothermos verkaufte, viel Geld verdient. 1953 erweiterte Rivolta das Angebot der Firma um Motorräder und Motorroller. Aus Isothermos wurde Isomotos. Das bekannteste Produkt der Firma war zu dieser Zeit die Isetta, die unter anderem BMW in Lizenz fertigte. Das spülte viel Geld in die Kassen des Lizenzgebers.
Von der Isetta zum Rivolta
Giotto Bizzarrini hatte sein Handwerk bei Alfa Romeo gelernt. Nach einem Zwischenstopp bei Ferrari, der im Streit mit Enzo Ferrari endete, gründete Bizzarrini zusammen mit Carlo Chiti und einigen weiteren ehemaligen Ferrari-Mitarbeitern „Automobili Turismo e Sport“. Mit dem ATS 2500 wollten die ehemaligen Ferrari-Mitarbeiter ihrem bisherigen Chef Konkurrenz machen. Doch das Vorhaben misslang und Giotto Bizzarrini machte sich mit einem eigenen Konstruktionsbüro selbstständig. Zu den ersten Auftraggebern dieses jungen Unternehmens gehörte Renzo Rivolta. Zusammen mit dem Designer Giorgetto Giugiaro und dem Karosseriehersteller Bertone entwickelte Bizzarrini für Rivolta ein elegantes Coupé. Den Antrieb übernahm ein 5,4-l-V8-Motor von Chevrolet. Dessen Leistung von 300 SAE-PS sorgte dann nebenbei für den Namen des Wagens.
Auf den gleichen Motor vertrauten Giotto Bizzarrini kurze Zeit später auch beim Sportwagen Iso Grifo und dessen Ableger Bizzarrini GT 5300. Im Regal des US-Riesen fand der Ingenieur auch ein passendes 5-Gang-Getriebe. Auf Kundenwunsch war auch eine 4-Gang-Automatik von Borg-Warner verfügbar. Bei der Konstruktion des Fahrwerks des Iso Rivolta 300 trieb Bizzarrini einigen Aufwand. Die Vorderradaufhängung des Iso Rivolta 300 besteht aus doppelten, unterschiedlich langen Dreieckslenkern mit Querstabilisator. An der Hinterachse verfügt der Wagen über eine De-Dion-Achse mit Wattgestänge und doppelten Längslenkern. Die Dämpfung übernehmen Schraubenfedern und hydraulische Teleskopstoßdämpfer. Vier Scheibenbremsen übernehmen die Verzögerungsarbeit.
Ein Iso Rivolta 300 = sieben Käfer
Bei der Vorstellung kostete der Iso Rivolta 300 in Deutschland 35.500 DM. Damit war der Italiener GT deutlich teurer als der ihm ähnliche der BMW 3200 CS. Denn auch das bayrische Coupé entstand bei Bertone und verfügte über einen V8-Motor. Beide Fahrzeuge verfügen zudem an der C-Säule über den Hofmeister-Knick. Doch der Grundpreis des Bayern lag 1962 „nur“ bei 29.850 DM und damit deutlich unter dem Iso Rivolta. Denn ein VW Käfer 1200 Export kostete im selben Jahr 4.980 DM. Kein Wunder, dass der Iso Rivolta 300 ein Exot blieb. Karosseriebauer Bertone fertigte von 1962 bis 1970 nur 792 Exemplare.
Trotzdem gab es Motorsport-Einsätze des ISO. Egon Evertz und Bernd Degner traten mit ihm 1964 beim Großen Preis der Tourenwagen auf der Nordschleife des Nürburgrings an. Nach sechs Stunden Rennzeit kamen sie als Neunte mit zwei Runden Rückstand auf die Sieger Eugen Böhringer und Dieter Glemser im Mercedes 300 SE ins Ziel. 1968 trat das Team der Scuderia Sant’Ambroeus, das schon 1961 einen privaten Ferrari 156 in der Formel 1 einsetzte, mit dem Iso Rivolta 300 bei den 24 Stunden von Le Mans an. Doch nach einem Unfall im Training konnte der Iso am Rennen, das wegen der Studentenproteste erst im September stattfand, nicht teilnehmen.