Roadtrip

Mythos GTI – unterwegs mit den GTI von gestern und heute …

1976 veränderte der VW Golf GTI unseren Blick auf die Kompaktklasse. Denn 110 PS und ein Leergewicht von 810 Kilogramm sorgten vor 42 Jahren für eine Sternstunde des Automobils. In kurzer Zeit eroberte der GTI die Herzen der Sportfahrer. Heute bietet Volkswagen in drei Baureihen GTI-Modelle an. Bei den GTI Performance Days auf dem Ascari Race Ressort in der Nähe von Málaga war ich dem Mythos GTI auf der Spur.

Als Volkswagen den GTI vorstellte, war ich noch Grundschüler. Selbst ein Auto zu lenken, das lag noch gut zehn Jahre vor mir. Trotzdem stürze ich mich damals auf alle verfügbaren Autozeitschriften. Deshalb kenne ich noch heute die Attribute eines echten GTI. Ein roter Streifen fasst den Kühlergrill des GTI ein. Dazu zieren den echten GTI ein großer Frontspoiler, schwarze Streifen an der Seite und die schwarze Einfassung der Heckklappe.

Mit diesen Besonderheiten hob Volkswagen den heißen Golf deutlich von seinen zahmen Brüdern, wie sie in den Fahrschulen meines Großvaters zum Einsatz kamen, ab. Deshalb wusste ich sofort, dass das ein GTI ist, als ich auf dem Schulweg erstmals am Sport-Golf vorbei lief. Zum Glück wohnte ein Volkswagen-Händler in der Nachbarschaft. traf. Dessen Ehefrau hatte offensichtlich den VW Käfer Cabrio durch einen VW Golf GTI ersetzt.

Ich drückte mir die Nase an der Scheibe platt, um einen Blick auf den Tacho zu werfen. Unter der wie ein Torpedo auslaufenden Abdeckung aus Plexiglas lachte mich eine bis 220 reichende Skala an. Auch wenn der Golf GTI tatsächlich „nur“ 182 Kilometer pro Stunde schnell war, war das eine Kampfansage. Denn die VW Golf in der Fahrschule meines Großvaters hatten 50 PS und waren maximal 145 Kilometer pro Stunde schnell.

Bilder vom VW Golf GTI der ersten Generation

Dann erblickte ich die „Schottenmuster“ auf den Sitzen. Ich wusste natürlich längst, dass Volkswagen dieses Muster in den Ausstattungslisten als „Sitzmuster Clark“ führte. Mich beeindruckte tief, dass die Wolfsburger dieses Stoffmuster nach dem wohl besten Rennfahrer aller Zeiten benannten. Das war mutig, denn Jim Clark paßte in meiner Gedankenwelt ungefähr so in ein Auto aus Wolfsburg wie ein Formel-1-Rennwagen in den Straßen meiner Heimatstadt Kiel.

Als einige Zeit später mein autoverrückter Onkel seinem italienischen Sportwagen einen VW Golf GTI als Stadtflitzer zur Seite stellte, war es endgültig um mich geschehen. Jetzt war ich GTI-Fan. Trotzdem dauerte es mehr als 40 Jahre, bis ich jetzt endlich selbst einen Golf GTI der ersten Generation fahren durfte. Denn als ich 1987 endlich selbst Autos lenken durfte, da war ein GTI für mich noch unerreichbar.

Doch immerhin startete ich in mein Autoleben mit einem santosgrünen VW Golf der ersten Generation. Mit 60 PS verfügte der acht Jahre alte Golf „nur“ über knapp die Hälfte der Leistung des sportlichen Bruders. Doch der GTI blieb mein Ziel. Und zwei Jahre später konnte ich mir tatsächlich selbst einen GTI leisten. Der war drei Jahre alt und gehörte schon zur zweiten Golf-Generation.

2018 konnte ich endlich den VW Golf GTI I fahren!

Volkswagen lud mich kürzlich zu den GTI Performance Days auf dem Ascari Race Ressort ein. Der Circuito Ascari ist ein Abenteuerspielplatz für Petrolheads. Ein niederländischer Ölunternehmer stampfte die Anlage in der Nähe von Málaga aus dem Boden. Herzstück des Race Ressort ist die 5,425 Kilometer lange Strecke. Daneben gibt es in Andalusien ein Fahrsicherheitszentrum mit künstlicher Wasserwand und Kreisbahn sowie mehrere Geländestrecken.

Tom und 40 Jahre GTI-Geschichte
Tom und 40 Jahre GTI-Geschichte (Foto: Uli Sonntag)

Den Weg vom Flughafen in Málaga zur Strecke lege ich mit einem aktuellen VW Golf GTI Performance zurück. Den 245 PS starken Golf konnte ich bereits vor gut einem Jahr ausführlich testen. Auf der Fahrt ziehe ich die ersten Vergleiche mit den im Kopf gespeicherten Erinnerungen an die frühen GTI. Statt auf zwei Rundinstrumente und ein paar Leuchtdioden blicke ich auf ein zehn Zoll breites virtuelles Cockpit.

Auf diesem Digitaldisplay zeigt der Golf von heute nicht nur Uhrzeit und Geschwindigkeit, sondern auch die Drehzahl und die Infos des Navigationssystems an. Alles zusammen ist das sichtbare Ergebnis von mehr als 30 Jahren Digitalisierung im Auto. Die Anfahrt ist die perfekte Ouvertüre für die kommenden Begegnungen mit den klassischen GTI. Nach gut einer Stunde erreiche ich die Rennstrecke in den Bergen.

Ich starte im VW Golf GTI 16V von 1991!

Volkswagen hat neben den aktuellen Modellen alle Generationen des Golf GTI mit nach Andalusien gebracht. Nicht nur als Ausstellungstücke übrigens, denn alle „alten“ GTI sind fahrbereit. Wer will, der kann mit ihnen den Mythos GTI nachvollziehen. Als Moderator von Oldtimer-Treffen und Streckensprecher im historischen Motorsport ist klar, dass ich das Angebot sofort nutze.

Direkt nach der Ankunft schnappe ich mir den Golf GTI der zweiten Generation, um das Umland der Rennstrecke zu erkunden. Der GTI aus dem Bestand von VW Classic ist mit Baujahr 1991 etwas jünger als mein ehemaliger 1986er-GTI. Deshalb sitzen seine Außenspiegel bereits an der A-Säule. Zudem trägt er die großen Stoßstangen und das VW-Emblem auf der Heckschürze, die zur Modellpflege von 1987 gehörten.

Unter der Motorhaube atmet der quer eingebaute Vierzylinder durch vier Ventile pro Zylinder. Im Auspufftrakt des Saugmotors reinigt ein Katalysator die Abgase. Das Ergebnis sind freundliche 129 PS Leistung und ein maximales Drehmoment von 168 Newtonmetern. Heute klingt das nicht mehr so beeindruckend, wie das vor fast 30 Jahren war. Ich bin der Erste, der sich heute für den Klassiker begeistert. Deshalb fahre ich den Motor zunächst behutsam warm.

Bilder vom VW Golf GTI 16V von 1991

Das gibt mir die Gelegenheit meine Erinnerungen aufzufrischen. Mir fallen die schmalen Säulen und die großzügige Verglasung auf, die das Dach des Golf tragen. Zusammen mit der tiefen Schulterlinie sorgt das für eine gute Rundumsicht. Das Fahren mit dem Klassiker erinnert, zumindest was die Aussicht betrifft, an das Reisen mit einem Panoramawagen der Eisenbahn. Vielleicht ist auch das ein Teil des Reizes, der heute an Oldtimern oder Youngtimern fasziniert.

Im Umland des Askari Race Resort entdecke ich den Puerto del Viento („Windpass”). Der Paß liegt 1061 Meter hoch und lockt Radfahrer aus aller Welt an. Als ich den Golf zum Fotostopp parke, passiert eine Gruppe britischer Rennradfahrer im fortgeschrittenen Alter die Anhöhe. Einige der Radfahrer stoppen, um den Golf GTI 16V zu bestaunen. Sie suchen das Gespräch. Zwei Radfahrer erzählen, dass sie früher auch im GTI unterwegs waren.

Als die Gruppe ihre Pause auf der Anhöhe beendet, rolle auch ich wieder zurück ins Tal. Auf dem Weg hinab kommen mir keine weiteren Radfahrer entgegen. Deshalb drehe ich unten sofort um und starte einen zweiten Ansturm. Der GTI der zweiten Generation nimmt die Herausforderung des Aufstiegs erstaunlich leichtfüssig. Als Sportfahrer achte ich darauf, dass die Drehzahl nicht unter 3.000 Umdrehungen pro Minute sinkt.

Gleichzeitig mute ich dem VW Golf GTI 16V auch nicht wesentlich mehr als 4.000 Umdrehungen zu. Entsprechend oft muss ich im Getriebe rühren. Dessen Präzision hat im Laufe der Zeit etwas gelitten. Doch die von meinem Großvater gelernte Technik, Getriebeproblemen mit Zwischengas und Zwischenkuppeln zu begegnen, hilft mir, das Problem zu bewältigen. Jeder Meter, den ich mit dem 16V unterwegs bin, ist ein Genuss.

Der up! GTI ist ein Slalom-Künstler!

Nach gut zwei Stunden in den Bergen kehre ich mit vielen Glückshormonen im Blut zum Ausgangspunkt zurück. Dort stelle ich mich mit dem VW up! GTI im Handling-Parcours auf das kommende Treffen mit dem ersten GTI ein. Beim Slalom folgt das kleinste Mitglied der GTI-Familie willig meinen Lenkbefehlen und setzt Richtungswechsel zügig um. Dadurch wedelt der Kleinen zügig durch die Phylonen.

Angenehm, dass sich der Grenzbereich dabei deutlich spürbar ankündigt. Anders als andere sportliche Vertreter der Kleinwagen-Zunft bricht der up! GTI nicht schon beim Gedanken an einen Lastwechsel plötzlich und unvermittelt mit dem Heck aus. Kein Wunder, dass Top Gear den VW up! GTI bei der Wahl zum„Performance Car of the Year“ lobend erwähnte. Nach dem Ausflug in die Gegenwart bin ich gut gerüstet, um mich dem Klassiker zu stellen.

Nach diesem „Anlauf“ schnappe ich mir den Ur-GTI!

Schon beim Einsteigen wird deutlich, dass ich mit dem Fahrzeugwechsel mehr als 40 Jahre in der Entwicklung des Autos zurückspringe. Denn eben im VW up! GTI brachte ich meinen mehr als zwei Meter langen Körper ohne Probleme hinter dem Lenkrad unter. Obwohl der klassische Golf etwas größer als sein moderner Enkel ist, gelingt das im Golf I nicht so gut. Meine Sitzposition im klassischen Vertreter der GTI-Gilde ist weit weg von komfortabel.

Zum Fortschritt des Autos gehört das Sitzen. Im Golf GTI der ersten Generation bringe ich meinen langen Körper nur mit Mühe unter.
Zum Fortschritt des Autos gehört das Sitzen. Im Golf GTI der ersten Generation bringe ich meinen langen Körper nur mit Mühe unter. (Foto: Uli Sonntag)

Doch egal, denn endlich liegt das Lenkrad mit seinen drei Speichen aus Metall und dem „Spucknapf“ in der Mitte in meinen Händen. Davon habe ich schon vor gut 40 Jahren, als ich staunend an der Seitenscheibe stand, geträumt. Für heutige Verhältnisse stehen die Lenksäule und das Lenkrad eigentlich etwas zu tief. Ich starte den Motor. Der Ur-GTI benötigt anders als sein Urenkel up! GTI keinen Sound-Generator, um kernig zu klingen.

Ich verlasse das Gelände der Rennstrecke und fahre auf die Landstraße. Wie schon im Golf GTI der zweiten Generation fallen mir die schmalen Säulen auf, die die Frontscheibe umrahmen. Vier Gänge stehen im Testwagen zur Verfügung. Der fünfte Gang war Ende der 1970er-Jahre auch im Spitzenmodell GTI ein Extra, das die Kunden als Option ordern konnten. Ich kehre zum Puerto del Viento zurück und nehme Anlauf.

Auf der Straße hinauf zum „Windpass“ folgt der Klassiker leichtfüßig dem Straßenverlauf. Die 110 PS unter der Motorhaube bewegen – selbst mit mir am Lenkrad – deutlich weniger als eine Tonne. Und das geht durchaus zügig. Objektiv kommt der etwa gleich große aktuelle VW Polo GTI natürlich besser den Berg hinauf. Doch Dynamik ist immer auch ein subjektives Empfinden. Mit jedem Meter im Original wird mir klar, warum der GTI 1976 wie eine Bombe einschlug. Denn der erste GTI ist Fahrspaß pur!

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Themen in diesem Artikel:

Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!