Auto Union Typ 52 – der Schnellsportwagen
Die Audi Tradition bringt den Auto Union Typ 52 auf die Straße! Die Pläne für den Schnellsportwagen entstanden ab 1933 – jetzt vollendete Audi sie.
Heute ist Grand Prix-Technik auf der Straße gar nicht mehr so selten. Mercedes bietet mit ihrem Mercedes-AMG One zurzeit Formel 1-Technik der Saison 2015 für die Straße an. Auch der Rodin FZERO oder Red Bulls RB17 sollen dicht an den Autos der Königsklasse sein. Doch die Idee, Grand Prix-Technik auf der Straße zu bewegen, ist nicht neu. Den die Audi Tradition zeigt an diesem Wochenende in Goodwood mit dem Auto Union Typ 52 wie das schon vor 90 Jahren aussehen sollte.
Marius Müller-Westernhagen sang in seinem Lied „Mit 18“ einst „… ich möcht zurück auf die Straße … “. Das Lied war ein wehmütiger Rückblick eines Älteren auf seine Jugend. Und es ist nicht ganz klar, wie real der Rückblick ist. Denn, das wissen wir alle, Teile der Erinnerung verschieben sich immer. Menschen sehnen sich offenbar danach, wie es früher einmal war. Oder, wie es hätte sein können! Der Auto Union Typ 52 ist genau das. Denn mit dem Typ 52 plante Ferdinand Porsche eine straßentaugliche Version der Auto-Union-Rennsportwagen, die in seinem Konstruktionsbüro entstanden. Doch in den 1930er-Jahren kam es dazu nicht. Jetzt – mit 90 Jahren Abstand – realisierte die Audi Tradition den Sportwagen.
Bekannt ist der Typ 52 schon seit Ende der 1980er-Jahre. Im Juli 1989 widmete die „Motor Klassik“ dem nicht realisierten Supersportwagen vier Seiten. Autor Hermann Ries wertete Zeichnungen, Grafiken und Daten zu dem geplanten Projekt aus, die das Porsche Archiv besitzt. Schon damals beschäftigte Ries die Frage, ob bei Porsche vielleicht doch ein Prototyp des Supersportwagens entstand. Im seinem Artikel „Der Stoff, aus dem die Träume sind“ kam Ries jedoch zu dem Schluss, dass das nicht der Fall war. 2017 brachte Thomas Roschmann in seiner Reihe „autocult“ ein Modell im Maßstab 1:43 des Typ 52 auf den Markt.
Die Auto Union will Grand Prix fahren – Ferdinand Porsche baut das passende Auto und träumt von einem Schnellsportwagen!
Ab 1934 galt in der Grand Prix-Europameisterschaft die 750-Kilogramm-Formel. Das war, anders als wir das heute kennen, das Maximalgewicht. Schwerer durfte kein Rennwagen sein. So wollten die Regelhüter der CSI im Automobil-Weltverband die Leistung der Fahrzeuge eindämmen. Ihr Ziel oder besser ihre Hoffnung war, dass mit dem Limit des Gesamtgewichts das zuvor beobachtete Größenwachstum der Motoren ein Ende hat. Das neue Reglement interessierte die Verantwortlichen der Auto Union im Chemnitz. Die Holding entstand 1932 als Mutter für die vier zuvor unabhängigen Autobauer Audi, DKW, Horch und Wanderer. Die Sächsische Landesbank war Kreditgeber der vier Autobauer und drängte auf einen Zusammenschluss. Die vier Ringe, die wir heute als Logo von Audi kennen, entstanden als Symbol der Vereinigung.
Ein Serienmodell trug diese Ringe vor dem Zweiten Weltkrieg übrigens nie. Der Auto Union Typ 52 hätte das ändern sollen. Wobei diese Geschichte ihren Anfang in Stuttgart nahm. Dort entwarf Ferdinand Porsche schon 1932 – kaum waren die Regeln publiziert – mit seinem P-Wagen vorausschauend das passende Auto für die 750-kg-Formel. Porsche setzte darauf, dass die Neugestaltung der Regeln den Grand Prix-Sport für neue Autobauer interessant machen würde. Und so kam es, als sich die Auto Union zu einem Engagement in der Grand Prix-Europameisterschaft entschied, war Porsche zur Stelle und bot seine Konstruktion an. 1933 erwarb der sächsische Autobauer die Rechte am P-Wagen. Aus diesem wurde der Auto Union Typ A – laut Porsche-interner Nomenklatur „Typ 22“.
Die Silberpfeile der Auto Union waren sofort erfolgreich!
Bereits 1934 fuhr Hans Stuck mit dem Rennwagen zum Sieg beim Großen Preis von Deutschland auf dem Nürburgring. Schon zuvor sicherte sich Stuck mit dem Auto Union auf der Berliner AVUS mehrere Weltrekorde. In der Schweiz und in Ungarn gewann Stuck mit dem Auto Union auch zwei nicht zur Europameisterschaft zählende Grand Prix. Beim Großen Preis von Italien lagen zeitweise drei Auto Union in Front. Doch technische Defekte und Kinderkrankheiten verhinderten den ganz großen Erfolg. Im Unterschied zu seinen Kontrahenten setzte Ferdinand Porsche bei seinem Grand Prix-Rennwagen auf ein Mittelmotorkonzept und einen Piloten, der vor dem Motor sitzt.
Mit dem Typ C, dem weiterentwickelten Rennwagen, holte Bernd Rosemeyer 1936 die Europameisterschaft nach Chemnitz. Dazu gewann die Auto Union mit ihren Rennsportwagen mehrere Bergmeisterschaften und drei deutsche Meisterschaften – immer im Wettstreit mit den Kontrahenten von Mercedes-Benz. Im Schatten dieser Erfolge begann Ferdinand Porsche mit seinen Mitarbeitern zu überlegen, eine straßentaugliche Version von den Rennsportwagen abzuleiten. In den erhaltenen Konzeptunterlagen nannten die Entwickler diese Idee „Schnellsportwagen“. Porsche sah Potenzial, so ein Auto an Kunden zu verkaufen.
Aus der Idee wurde der Auto Union Typ 52!
Die Einsätzung so einen Supersportwagen verkaufen zu können, war visionär. Wobei die Entwickler – auch das war Ferdinand Porsche – neben einer Straßenversion auch an Einsätze bei Langstreckenrennen wie in Le Mans oder den damals beliebten Fernfahrten und Straßenrennen dachten. Das Projekt bekam als „Typ 52“ eine interne Projektnummer. Interessant ist, dass bereits 1933 – also vor dem Rennsportdebüt des Typ 22 – im Porsche Konstruktionsbüro erste Designskizzen für den Schnellsportwagen entstanden. Die Verantwortlichen skizzierten einen Versuchswagen, entschieden sich jedoch – davon gehen die Archivare und Historiker heute aus – schließlich gegen den Bau dieses Prototypen. 1935 schloss Porsche die Akten des Projekts. Hermann Ries kam 1989 zu dem Schluß, dass Porsche sich nicht verzetteln wollte.
Das ist gut möglich. Denn nach dem erfolgreichen Debütjahr 1934 fuhren die Auto Union ein Jahr später den Mercedes-Benz meist hinterher. Angesichts der hohen Kosten stieg der Druck auf Porsche, auf der Rennstrecke zu liefern. Die Einstellung des Typ 52 half, die Kräfte zu bündeln. Was schließlich mit dem Erfolg in der Europameisterschaft 1936 auch gelang. So kam der Auto Union Typ 52 als enger Verwandter der Grand Prix-Rennwagen in den 1930er-Jahren nicht auf die Straße. Das Chassis des Auto Union Typ 52 legten die Techniker als Leiterrahmen mit Mittelmotor aus. Den Antrieb sollte der Motor aus dem Typ 22 übernehmen. Wobei die Techniker planten, die Verdichtung des 16-Zylindermotors zu reduzieren. So sollten die Kunden des Auto Union Typ 52 normales Benzin tanken können.
Das Ziel waren 200 PS Leistung und 436 Newtonmeter Drehmoment!
Zudem wollten die Entwickler die Übersetzung des Roots-Kompressors verringern. Auch das sollte helfen, den Motor „alltagstauglich“ zu machen. In den Planspielen der Entwickler schöpfte der Motor im Auto Union Typ 52 aus 4,4 Litern Hubraum bei 3.650 Umdrehungen pro Minute rund 200 PS Leistung. Beim maximalen Drehmoment peilten die Entwickler 436 Newtonmetern bei moderaten 2.250 Umdrehungen pro Minute an. Das Ziel war ein standfester Motor, der den Auto Union Typ 52 auf solide 200 Kilometer pro Stunde treiben kann. Das mag heute – 90 Jahre später – nicht sonderlich beeindrucken. Aber 1934/35 wäre der Schnellsportwagen Auto Union Typ 52 eines der stärksten und schnellsten Autos mit Straßenzulassung gewesen.
Über die Jahrzehnte geriet das Projekt in Vergessenheit – von Ausnahmen wie dem Artikel in der „Motor Klassik“ und dem Modellauto aus dem Hause „autocult“ abgesehen. Irgendwann „stolperten“ die Experten der Audi Tradition wohl auch in ihren Archiven über den Schnellsportwagen. Und bald entstand die Idee, den bauen wir! Das erinnert an den Lotus 66 – wo wir bereits die Frage aufwarfen, ob die Realisierung einer verworfenen Fahrzeugidee als Neukonstruktion oder als Restomod gilt. Zusammen mit den Spezialisten von Crosthwaite & Gardiner realisierte die Audi Tradition ihren Schnellsportwagen. Bei Crosthwaite & Gardiner im Südengland entstanden bereits die gefeierten Nachbauten der Auto Union Grand Prix-Rennwagen. An diesem Wochenende debütiert der Auto Union Typ 52 beim Goodwood Festival of Speed.
Der Schnellsportwagen entstand in mehrjähriger Bauzeit!
Alle Bauteile sind „custom made“ – sie entstanden in Handarbeit speziell für dieses Modell. Mit über fünf Metern Länge ist der Auto Union Typ 52 eine imposante Erscheinung. Damit übertragt der realisierte Schnellsportwagen die ursprünglichen Pläne um fast 70 Zentimeter. Es zeigte sich im Laufe der Entwicklung, dass die Pläne von 1934 nicht komplett umzusetzen waren. Die lang gestreckte Silhouette lässt erkennen, diesen Wagen trimmten seine Entwickler bereits vor 90 Jahren auf bestmögliche Aerodynamik und maximale Performance. Im Unterschied zu seinen Grand Prix-Geschwistern verfügt der Auto Union Typ 52 über Scheinwerfer und ein Dach über dem Kopf der Insassen. Diese können an Bord sogar Gepäck verstauen.
Bis zu drei Passagiere finden im Auto Union Typ 52 Platz. Wer jetzt an den McLaren F1 denkt, der liegt nicht falsch. Denn wie bei dem Briten sitzt auch im Auto Union Typ 52 der Fahrer in der Mitte. Die Beifahrersitze sind seitlich leicht versetzt dahinter angeordnet. Beim Leergewicht des Schnellsportwagens peilten die Entwickler 1934 genau 1.300 Kilogramm an. Mit drei Passagieren, 70 Kilogramm Gepäck und den notwendigen Betriebs- und Schmierstoffen an Bord, gingen sie von einem Gesamtgewicht von 1.750 Kilogramm aus. Bei der Realisierung jetzt bestätigten sich diese Zahlen nicht ganz.
Die Realisierung des Auto Union Typ 52 war eine Herausforderung!
Denn das Leergewicht des realisierten Auto Union Typ 52 liegt bei 1.450 Kilogramm. Das geht unter anderem darauf zurück, dass sich die Audi Tradition für den Einsatz des sechs Liter großen Motors aus dem Auto Union Typ C von 1936 entschied. Die Gründe sind einfach, dieses 520 PS starke Triebwerk war verfügbar. Die Audi Tradition plant, den Motor zwischen seinen Neubauten der Rennsportwagen und des Typs 52 rotieren zu lassen. Zudem waren nicht alle Unterlagen zu den Plänen der Auto Union und von Ferdinand Porsche erhalten. Denn die Auto Union AG in Chemnitz wurde nach dem Zweiten Weltkrieg aufgelöst. Damit gingen auch die Akten zum Projekt Schnellsportwagen größtenteils verloren.
Auch Zeitzeugen, die vor 90 Jahren in die Entwicklung eingebunden waren, gibt es nicht mehr. Insofern war das Projekt für Timo Witt, Leiter der historischen Fahrzeugsammlung von Audi und die Spezialisten bei der Audi Tradition sowie bei Crosthwaite & Gardiner eine große Herausforderung. Immer wieder waren Detailfragen zugunsten der ein oder anderen technischen Lösung zu entscheiden. So fanden sich in den erhaltenen Unterlagen beispielsweise keine Angaben zur Außenlackierung. Das Team entschied sich für Cellulose Silver (Silber seidenmatt).
Witt, der vor seiner Tätigkeit bei der Audi Tradition als Ingenieur im Le Mans-Programm von Audi tätig war, sagt zur Entwicklung im Rückblick: „Auch in den 1930er Jahren – dies eine Erkenntnis aus unserem intensiven Austausch – hätten die Entwickler im Verlauf der Erprobung vermutlich noch das ein oder andere Detail technisch nachjustiert. Und so mussten wir beispielsweise den Radstand des jetzt gebauten Auto Union Typ 52 länger machen als in den ursprünglichen Planungsunterlagen, weil das im Package mit den anderen Komponenten wie etwa Vorderachsaufhängung, Aggregat, Lenkung oder Getriebe technisch nicht anders umsetzbar war. Dagegen haben wir uns bei der Innenausstattung an den Auto Union Grand-Prix-Rennwagen orientiert und gleichzeitig Farben und Stoffe zeitgenössisch interpretiert.“
Technische Daten Auto Union Typ 52
Motor | 16-Zylinder-Mittelmotor mit Kompressor | 16-Zylinder-Mittelmotor mit Kompressor |
Hubraum | 6.005 ccm(analog Auto Union Typ C 1936) | 4.358 ccm(hubraumgleich wie Auto Union Typ A 1934) |
Leistung | 520 PS (382 kW) bei 4.500 U/min | 200 PS (147 kW) bei 3.650 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | k.A. | konzeptionell ausgelegt auf 200 km/h |
Kraftstoff | 50% Methanol, 40% Super Unleaded, 10% Toluene | Normalbenzin |
Abmessungen (L/H/B) | 5.390 / 1.780 / 1.660 mm | 4.700 / circa 1.800 / circe 1.400 mm (Quelle Hermann Ries, Motor Klassik) |
Radstand | 3.315 mm | 3.000 mm |
Leergewicht | 1.450 kg | 1.300 kg |
AuÃenfarbe | Cellulose Silver | – |
Baujahr | 2023 | – |
Gesamtstückzahl | Unikat | – |