Rennsport-Geschichten

1976 – Foto vom Training zum Grand Prix of Long Beach

Kürzlich erwarb Tom dieses Dia vom Grand Prix of Long Beach. Es entstand 1976 während des Trainings zum Großen Preis der USA West in Long Beach. Inzwischen gehört das Motiv zu meinen absoluten Lieblingsmotiven. Denn es zeigt eindrucksvoll, wie sich die Formel 1 in den letzten 45 Jahren veränderte.

1976 war ich noch Grundschüler. Doch schon damals faszinierte mich der Motorsport. Ich verfolgte alle Rennen über die ich damals Informationen fand. Das war gar nicht so einfach, denn das Informationsangebot war dünn. Ab und an zeigten ARD und ZDF ein paar Bilder. Manchmal berichtete auch das dänische Fernsehen, das wir im Norden Kiels bei guter Witterung empfangen konnten, über Motorsport.

Motorsport-News verbreiteten sich nicht in Echtzeit!

So blieben mir damals vor allem die Berichte in den Autozeitschriften, um den Motorsport aus der norddeutschen Provinz heraus zu verfolgen. Deshalb erfuhr ich oft erst im Laufe der Woche, wer am zurückliegenden Sonntag ein Rennen gewinnen konnte. Heute ist es kein Problem, über das Internet ein Rennen vom anderen Ende der Welt live zu verfolgen. Damals war das undenkbar. Wir lebten in einer völlig anderen Welt.

Szene aus dem Training zum Kürzlich erwarb ich dieses Dia vom Grand Prix of Long Beach 1976
Diese Foto entstand beim Training Grand Prix of Long Beach 1976 – ich finde, dass das Bild eindrucksvoll zeigt, wie sich die Formel 1 in den letzten 45 Jahren veränderte. Foto: AutoNatives.de

Das Internet hieß noch Arpanet. Es verband 1976, als das Foto im Training zu Grand Prix of Long Beach entstand, noch weniger als 100 – meist militärisch genutzte – Computer. Mit ihnen arbeiteten Wissenschaftler und Militärs an einem fehlertoleranten Kommunikationsnetz, das auch nach einem atomaren Erstschlag der Sowjets noch Nachrichten transportieren kann, um den Gegenschlag zu koordinieren.

Im Schatten dessen begann sich die Formel 1 zu professionalisieren. Ab den 1970er-Jahren gewannen die Teams zunehmend an Einfluss. Brabham-Boss Bernie Ecclestone brachte das notwendige Selbstvertrauen mit, um den Kampf mit den Veranstaltern der Rennen und der Sportkommission CSI des Welt-Automobilverbands aufzunehmen. Denn Ecclestone war klar, die Teams sorgen dafür, dass sich die Räder drehen. Also sollten sie seiner Meinung nach auch das größte Stück vom Kuchen bekommen.

Ohne Teams – keine Show!

Zudem expandierte die Königsklasse des Motorsports seit ein paar Jahren. Bis weit in die 1960er-Jahre war eine WM-Saison überschaubar. Erst 1967 fanden erstmals mehr als zehn WM-Rennen in einer Saison statt. Ein Jahr später standen sogar zwölf Rennen im WM-Kalender. In den kommenden Jahren schwankte die Anzahl der WM-Läufe noch. Doch der Trend zeigte nach oben. 1976 standen bereits 16 Läufe auf dem Programm.

Neu im Kalender war auch der Grand Prix of Long Beach. Die Literatur kennt dieses Rennen heute meist als „Großer Preis der USA West“. Doch vor Ort bewarb Veranstalter Chris Pook, ein in Long Beach lebender britischer Geschäftsmann, das Rennen als Grand Prix of Long Beach. Die Hafenstadt Long Beach gehört zum Großraum Los Angeles. Mit der Durchführung eines Autorennens wollte die Stadt für sich werben.

Im September 1975 fand die erste Ausgabe des Grand Prix of Long Beach statt. Die Formel 5000 trat auf dem 3,251 Kilometer langen Rundkurs an. Brian Redman gewann das Rennen mit einem Lola-Chevrolet. Zur Kulisse der Rennstrecke gehörten von Anfang an zahlreiche Schiffe wie die dauerhaft in Long Beach ankernde RMS Queen Mary. Der ehemalige Ozeanliner ist seit seinem letzten Anlegen 1967 ein schwimmendes Hotel und Museum.

1976 trat die Formel 1 beim Grand Prix of Long Beach an!

Kein Wunder, dass angesichts der Kulisse der Grand Prix of Long Beach sofort den Spitzname „American Monaco“ bekam. Genau ein halbes Jahr nach der Formel 5000 trat die Königsklasse des Motorsports in den Straßen von Long Beach an. Die CSI akzeptierte die Bewerbung von Long Beach und vergab den dritten Saisonlauf 1976 nach Kalifornien. Wo zunächst die Überraschung groß war. Denn die Formel 1 war auf dieser Strecke langsamer als die Formel 5000 sechs Monate zuvor.

Lola T332 der Formel 5000
Mario Andretti in einem von Vel’s Parnelli Jones Racing eingesetzten Lola T332-Chevrolet (Foto: Webster – Archiv Fabian P. Wiedl)

Beim Rennen der US-Serie umrundete Mario Andretti mit einem von Vel’s Parnelli Jones Racing eingesetzten Lola T332-Chevrolet den Kurs in einer Zeit von 1:21,297 Minuten. Schnellster Formel-1-Pilot war Clay Regazzoni. Der Ferrari-Pilot benötigte in Long Beach für eine Runde 1:23,099 Minuten. Da wusste natürlich noch niemand, dass der Schweizer vier Jahre später an gleicher Stelle einen fürchterlichen Unfall erleiden sollte.

Während der Trainingsläufe entstand auch das Bild, das mich heute so begeistert. Es zeigt, wie Emerson Fittipaldi seinen Copersucar FD04 im Training auf der Strecke parkt. Der Weltmeister der Jahre 1972 und 1974 trat damals im eigenen Team an. Zusammen mit seinem Bruder Wilson betrieb Emerson Fittipaldi bereits ab 1975 Fittipaldi Automotive. Das brasilianische Unternehmen Copersucar sponserte das Projekt.

Der Traum vom eigenen Auto!

Die Fittipaldi-Brüder lebten den Traum, ein brasilianisches Auto in der WM an den Start zu bringen. Zunächst saß Wilson Fittipaldi im Cockpit. Mitbesitzer Emerson verdiente sein Geld noch bei McLaren. Erst ein Jahr später saß der Ex-Weltmeister im eigenen Cockpit, blieb bei den WM-Rennen in Brasilien und Südafrika jedoch ohne Punkte. Das Team nutzte die drei Wochen Pause vor dem Rennen in Kalifornien, um das Auto weiterzuentwickeln.

Deshalb trat Fittipaldi auch beim zwischenzeitlich noch ausgetragenen Race of Champions, damals ein Formel-1-Rennen ohne WM-Status, in Brands Hatch nicht an. Beim Rennen an der US-Westküste gab es dann im Training, wie unser Bild zeigt, ein Problem. Fittipaldi parkte seinen Rennwagen ausgangs der dritten Kurve. Sie trug damals den Namen Penthouse, die Passage war später auch unter dem Namen „Les Esses du Clos“ bekannt.

Emerson Fittipaldi verlies seinen Rennwagen. Von hinten nähert sich schon ein Toyota Hilux. Mit dem Bergungsfahrzeug wollen die Helfer denn gestrandeten Rennwagen gleich aus der Gefahrenzone ziehen. Hinter dem Pickup setzt Ronnie Peterson in einem March 761 gerade zum Überholen an. Am Heck des Schweden klebt John Watson. Der Nordire steuert einen Penske PC3 – alles wäre für weitere Geschichten gut!

Was wäre bei einem Feuer passiert?

Doch das heben wir uns für das nächste Mal auf. Heute – im Rückblick – schockiert, dass der Hilux während des Trainings auf die Strecke geht. Denn gelbe Flaggen, die vor der Gefahr warnen, oder weiße Flaggen, die auf das Bergungsfahrzeug hinweisen, sind nicht zu erkennen. Der Helfer auf der Ladefläche trägt ein T-Shirt. Immerhin schützt er seine Hände mit Lederhandschuhen. Einer seiner Kollegen im Hilux trägt scheinbar einen Trainingsanzug.

Harald Ertl im Hesketh 308B beim 1976 Race of Champions in Brands Hatch
Harald Ertl im Hesketh 308B beim 1976 Race of Champions in Brands Hatch. Zwei Wochen später in Kalifornien verpasste Ertl mit seinem Hesketh den Sprung ins Rennen.

Ich mag mir nicht ausmalen, wie diese Crew einem brennenden Auto entgegengetreten wäre. Und Feuer war damals eine ganz reale Gefahr. Denn die Autos waren vergleichsweise zerbrechlich. Dafür gingen sie mit bis zu 200 Litern Kraftstoff ins Rennen. Kein Wunder, dass 1976 nicht alle Piloten von der Strecke in Long Beach begeistert waren. Zumindest Jacques Laffite und Patrick Depailler drückten offen ihr Missfallen über die neue Strecke des Grand Prix of Long Beach aus.

Im Rennen lief es besser!

Doch am Renntag waren zumindest die, die sich für den Grand Prix of Long Beach qualifizieren konnten, natürlich am Start. Unter denen, denen nicht der Sprung ins Starterfeld gelang, war auch Harald Ertl mit seinem Hesketh. Emerson Fittipaldi qualifizierte sich trotz des Problems im Training als 16., während sein Teamkollege Info Hoffmann an der Qualifikationshürde scheiterte. Das Rennen beendete Fittipaldi als Sechster, sicherte damit dem eigenen Wagen den ersten WM-Punkt.

Die Formel 1 kehrte in den kommenden Jahren noch siebenmal zum Grand Prix of Long Beach zurück. 1980 versagten am Ensign von Clay Regazzoni in Long Beach die Bremsen. Der Schweizer krachte in eine Betonmauer und war fortan querschnittsgelähmt. 1983 trat die Formel 1 letztmals zum Grand Prix of Long Beach an. In den folgenden Jahren übernahm die CART-Serie das Rennen. Heute rennt die IndyCar Serie in Long Beach, will in diesem Jahr sogar ihr Saisonfinale beim immer noch Grand Prix of Long Beach genannten Rennen austragen.


Infos zum Titelbild dieses Beitrags:
Diese Foto entstand beim Training Grand Prix of Long Beach 1976 – ich finde, dass das Bild eindrucksvoll zeigt, wie sich die Formel 1 in den letzten 45 Jahren veränderte. Foto: AutoNatives.de

Foto: AutoNatives.de

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Themen in diesem Artikel:

Fabian P. Wiedl interessiert sich seit Kindestagen für Motorsport und Automobile. Als Mitverfasser mehrerer Bücher, wovon insbesondere „Audi Typenkunde: Renn- und Rallyewagen von 1968 bis 2013“ zu erwähnen ist, greift Wiedl gern auf sein umfassendes Motorsport-Archiv zurück. Tom Schwede wuchs in einem ausgesprochen automobilen Umfeld auf. Dies war ein optimaler Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Seit 2010 moderiert Tom bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland sowie dem angrenzenden Ausland.

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