Mit dem Volvo XC40 Recharge P8 AWD Pure Electric bietet auch der schwedische Autobauer Volvo jetzt ein reines Elektroauto an. Für Petrolheads wie uns klingt das Stichwort Elektroauto immer noch nach Science-Fiction und Zukunftsmusik. Doch die Testfahrt, die Max Schwede für AutoNatives.de mit dem reinelektrischen XC40 unternahm, zeigt, dass die Gegenwart das Elektroauto längst einholen konnte.
Denn dieser elektrische Volvo ist ein deutlicher Beweis, dass das Elektroauto auf dem Sprung ist, die Nische zu verlassen. Vorbei sind die Zeiten, wo den Fahrer eines Elektroautos schon dank des äußeren Erscheinungsbild seines Autos die Aura des Weltverbesserers umwehte. Im Jahr 2021 ein Elektroauto zu fahren, ist nicht mehr automatisch mit der Botschaft moralischer Überlegenheit an die Nachbarn verbunden.
Volvo elektrifiziert ein bestehendes Modell
Damit unterscheidet sich der elektrische Volvo XC40 Recharge P8 AWD Pure Electric von Fahrzeugen wie dem BMW i3, den I.D.-Modellen von Volkswagen oder dem Mazda MX-30. Denn anders als die Wettbewerber elektrifiziert Volvo ein bestehendes Modell. So erkennen nur die, die ganz genau hinsehen, dass in diesem XC40 kein Verbrenner an Bord ist. Diese Autofreunde wissen, dass Volvo beim Elektro-SUV den Frontgrill im Vergleich zu den klassischen XC40 zu zwei Dritteln verkleidet. Ansonsten ist kein Unterschied sichtbar.
Möglich ist dies, weil Volvo und seine Mutter Geely bei der Entwicklung ihrer modularen CMA-Plattform (Compact Modular Architecture) von Anfang unterschiedliche Antriebe vorsahen. Nach dem Start der Baureihe mit klassischen Verbrennungsmotoren folgte zunächst ein Hybridmodell. Nun rundet der elektrische XC40 das Programm ab. Wobei der XC40 nicht das erste Elektromodell der Schweden ist, das auf der CMA-Plattform basiert. Denn schließlich nutzt auch der Polestar 2 die gleiche Grundlage.
Doch während der Polestar Kunden adressiert, die auch Elektro-Pionier Tesla anspricht, steht Volvo etwas weniger für Avantgarde. Obwohl der XC40 seit seinem Debüt vor gut vier Jahren als Luxus-SUV unter den kompakten Vertretern seiner Gattung gilt. Wem die SUV deutscher Bauart, ganz gleich ob aus Wolfsburg, Ingolstadt, München oder Stuttgart zu bieder oder gewöhnlich sind, der findet im XC40 die skandinavische Alternative. Fußball-Freunde erinnert das an den Vergleich von Robert Lewandowski und Zlatan Ibrahimović. Natürlich ist der Stürmer des FC Bayern erfolgreicher. Aber der Schwede ist definitiv unterhaltsamer!
Was treibt den Volvo XC40 Recharge P8 AWD Pure Electric an?
Den Antrieb des „Pure Electric“ übernehmen zwei je 150 kW leistende Elektromotoren. Dank ihnen verfügt der SUV über eine Systemleistung von 408 PS und ein Drehmoment von 660 Newtonmetern. Das klingt zunächst befremdlich, schließlich reden wir hier von einem vergleichsweise kompakten SUV. Und wir sprechen hier von Leistungsdaten, die definitiv an einen Sportwagen erinnern. Allerdings müssen die Motoren im elektrischen Volvo XC40 Recharge P8 AWD Pure Electric ein Leergewicht von mehr als 2,2 Tonnen bewegen.
Rund 300 Kilogramm entfallen auf die unterhalb der Fahrgäste verstauten Akkumodule. Sie verfügen über eine Kapazität von 78 kWh, von den 75 kWh nutzbar sind. Womit der XC40 Recharge Pure Electric im WLTP (Worldwide harmonized Light vehicles Test Procedure) eine Reichweite von bis zu 400 Kilometern erreicht. Das entspricht einem Verbrauch von 23,8 kWh/100 Kilometer. Wer sich mit dem Gasfuß beschränkt, kann mit einer Batterieladung sogar weiterkommen. Denn mit einem hohen Rekuperationsanteil, wie er allerdings nur im reinen Stadtverkehr möglich ist, sollen sogar mehr als 500 Kilometer drin sein.
Wie fährt sich der elektrische Volvo XC40 Recharge P8 AWD Pure Electric?
Es würde mich sehr reizen, die tatsächliche Reichweite auf dem Weg zur Uni in unserem Pendlertest auszuloten. Denn auf der Testfahrt, die ich bisher mit dem Volvo XC40 absolvieren konnte, war das nicht möglich. Der Anteil des Stadtverkehrs war zu gering, um die Reichweite tatsächlich zu deutlich verlängern. Doch der Reihe nach. Ich starte in der Innenstadt von Hamburg. Interessant, im elektrischen XC40 gibt es weder ein Zündschloss noch einen Startknopf. Mit dem Schlüssel in der Tasche betätige ich die Bremse und lege den Vorwärtsgang ein.
Sobald ich die Bremse löse, geht es vorwärts. „One Pedal Drive“ heißt das. Die Strecke führt mich westlich aus der Hansestadt hinaus. Ich passiere die vornehmen Elbvororte Othmarschen, Blankenese und Rissen. Hier lebt offensichtlich, wer es in Hamburg zu etwas gebracht hat. Auffällig wie viele Volvo in den teilweise geräumigen Einfahrten parken – auch wenn dabei bisher die größeren SUV XC60 und XC90 dominieren. Obwohl ich zunächst skeptisch war, nutze ich beim Fahren tatsächlich konsequent nur einen Fuß.
One Pedal Drive erfordert Gewöhnung
Der linke Fuß, der seit den ersten Runden im Kart eigentlich mein Bremsfuss ist, ruht währenddessen auf der Ablage im Fußraum. Das erfordert zwar etwas Gewöhnung, klappt dann aber ohne Probleme und funktioniert sogar bis zum Stillstand. Der Vorteil dieser Fahrweise ist, dass der Volvo die kinetische Energie über die Elektromotoren, die dann als Dynamo laufen, konsequent in elektrische Energie umwandelt. Beim klassischem Bremsen drücken die Bremsklötze auf die Bremsscheiben. Ihre Reibung wandelt die Bewegungsenergie in Wärme um.
Nach dem Verlassen der Großstadt führt die Strecke über die B 431 an der Elbe entlang. Die Straße ist ein typisches Kind der 1980er-Jahre. Die Verkehrsplaner taten alles, um einen möglichst flüssigen Verkehr zu erreichen. Die Streckenführung vermeidet konsequent Ortsdurchfahrten. Trotz eines guten Ausbauzustands liegt das zulässige Tempo immer wieder bei 80 Kilometern pro Stunde. Kurzum die Strecke kommt dem Fahrprofil des WLTP durchaus nahe. Denn ich rolle (Lateiner erkennen den Namen Volvo an dieser Stelle wieder) energiesparend durch den Südwesten Schleswig-Holsteins.
Auf der Strecke zeigt der Bordcomputer zeitweise einen Verbrauch von nur knapp 22 kWh pro 100 Kilometer an. Zur Realität der Stromrechnung gesellen sich an dieser Stelle jedoch noch Ladeverluste. Denn sie gehören zum Elektroauto wie zum Benziner die Verbrennungsgeräusche. Insofern dürfte mein tatsächlicher Verbrauch in der Nähe der Angaben des WLTP liegen. Ich verlasse die vorgesehene Route, um mir einen Platz zu suchen, wo ich der Kraft der Elektromotoren freien Lauf lassen kann.
Doch ich will wissen, wie sich 408 PS anfühlen!
Und tatsächlich finde ich tatsächlich eine Stelle, wo ich die Beschleunigung des elektrischen Volvo ungezügelt erleben kann. Die Messung mit dem Gyrosensor des Handys bestätigt, dass der Volvo XC40 Recharge P8 AWD Pure Electric den Sprint aus dem Stand auf ein Tempo von 100 Kilometern pro Stunde in knapp fünf Sekunden bewältigt. Die Messtabelle des Herstellers weist einen Wert von 4,9 Sekunden aus. Ich erreiche das Landstraßentempo laut meiner Messung schließlich in einer Zeit 5,07 Sekunden. Das passt … und macht jede Menge Spaß!
Kaum zu glauben, dass ich hier ein Auto bewege, das leer 2,2 Tonnen auf die Waage bringt. Wüsste ich es nicht besser, würde ich den Volvo für leichter halten. Zumal sich der SUV auch auf kurvigen Landstraßen oder in schnell gefahrenen Autobahnauffahrten vergleichsweise leichtfüßig anfühlt. Schon erstaunlich, was Elektronik und Digitalisierung, die in diesem Volvo auch die Lenkung und das Fahrwerk beeinflussen, bewirken. Auf dem Rückweg zum Ziel wähle ich die Autobahn und beschleunige den Volvo bis zur Höchstgeschwindigkeit.
Volvo begrenzt seine aktuellen Fahrzeuge auf ein maximales Tempo von 180 Kilometern pro Stunde. Ich fahre gern schneller – wenn es denn geht und wo dies noch gestattet ist. Das ist hier nicht lange der Fall. Zumal der dichte Verkehr, der zusammen mit mir der Metropole Hamburg entgegenstrebt, bald sowieso höhere Geschwindigkeiten verhindert. Selbst die Maximalgeschwindigkeit des XC40 liegt letztlich weit über dem, was hier ein gerade realistisches Reisetempo ist. Das macht den Verzicht des Autobauers fast schon zu einem theoretischen Gedankenmodell.
Mein Fazit zum Volvo XC40 Recharge P8 AWD Pure Electric:
Die Testfahrt mit dem elektrischen XC40 zeigt, dass die 408 PS der Elektromotoren nicht nur Show sind. Auch dank des gewaltigen Drehmoments von 660 Newtonmetern ist der Volvo spritzig und agil. Zumal auch die Auslegung des Fahrwerks mit dem Antrieb harmoniert. Und so bewahrheitet sich auch beim „Pure Electric“, dass Volvo vieles anders als andere Autobauer macht. Aber genau deshalb schwimmen die Schweden zurzeit auf einer wahren Erfolgswelle. Denn sie machen einfach vieles gut, wie der Volvo XC40 Recharge P8 AWD Pure Electric dokumentiert. Auch dieser Volvo glänzt mit einer sehr guten Verarbeitungsqualität und einem durchdachten Konzept. Zudem macht der Elektroantrieb einfach Spaß.
Technische Daten des getesteten Fahrzeugs
- Typ: Volvo XC40 Recharge P8 AWD Pure Electric
- Grundpreis: 62.000,00 Euro (3/2021)
- Motor: Zwei Permanentmagnet- Synchronmotoren mit jeweils 204 PS (150kW) Leistung bei 4.350 bis 13.900 Umdrehungen pro Minute, maximales Drehmoment 660 Newtonmeter (2 x 330 Nm) bei 0 bis 4.350 Umdrehungen pro Minute
- Batteriekapazität: 78 kWh maximale Speicherkapazität
- Ladesysteme: DC Gleichstrom 150 kW, DC Gleichstrom 50 kW, AC Dreiphasen-Wechselspannung und AC Einphasen-Wechselspannung
- Getriebe: 1-Gang-Automatik
- 0-100 km/h: 4,9 Sekunden
- Höchstgeschwindigkeit: 180 km/h
- Abgasnorm: Euro 6d
- Stromverbrauch: 23,8 bis 25,0 kWh/100 km – Herstellerangabe basierend auf dem WLTP
- Elektrische Reichweite: 400 bis 418 Kilometer – Herstellerangabe basierend auf dem WLTP
- Leergewicht: 2.188 Kilogramm
- Zulässiges Gesamtgewicht: 2.650 Kilogramm
Björn Oste
29. März 2021Ein schöner Bericht, danke! Interessant: 1-Gang „Getriebe“, warum gibt’s keine Mehrgang -Getriebe für Elektroautos?
Max Schwede
29. März 2021Hi Björn, das gibt es sogar, wenn der Hersteller bspw. bei höheren Geschwindigkeiten seinen E-Motor mit etwas niedriger Drehzahl laufen lassen will. Das ist aber in der Regel wegen des schon im Anlauf voll zur Verfügung stehenden Drehmoments nicht notwendig.
Viele Grüße
M.
Bernard Lay
13. April 2021Vielen Dank für den interessanten Bericht.
Viele Grüße
Bernard Lay