Ich verfolge inzwischen seit rund vier Jahrzehnten den Automarkt. Zu den Konstanten des Geschäfts gehört die Annahme, dass dem Elektroauto die Zukunft gehört. Die dazugehörige Forschung verläuft in Wellen. Aktuell zeigen Fahrzeuge wie der kürzlich von mir gefahrene Golf GTE, wie nah und unauffällig die Zukunft ist. Vor 50 Jahren verfolgten die Entwickler einen anderen Ansatz. Sie sehen in Elektroautos wie dem Zagato Zele das perfekte Citymobil.
Ein typischer Vertreter der Elektro-Citymobil Gattung ist der 1967 präsentierte Carter Coaster 5001b. Die Reichweite des Fahrzeugs der Carter Engineering Company geben zeitgenössische Quellen mit 90 Kilometern an. Dazu loben sie, dass sich der 2,59 Meter lange und bis 60 Kilometer pro Stunde schnelle Kleinwagen mit britischem Haushaltsstrom (13 A) laden lasse. Noch 1970 plante Firmeninhaber Alistar Carter den Bau von 500 Exemplaren pro Tag. Carter, der die Idee des Elektroautos seit 1956 verfolgte, scheiterte.
Wesentlich mehr als zwei schlechte Bilder bei allcarindex.com sind von den hochtrabenden Plänen des Mister Carter nicht überliefert. Mit seinem Scheitern teilt der britische Kleinunternehmer das Schicksal vieler Tüftler und Bastler, die sich Ende der 1960er-Jahre am Elektroauto versuchten. Die meisten stammten übrigens aus Großbritannien. Dort – im Schatten des Niedergangs der eigene Autoindustrie – förderte das „UK Electricity Council“ als Zusammenschluss regionaler Stromversorger in diesen Jahren das E-Auto mit Fördermitteln.
Auch Profis forschten am elektrischen Citycar
Ford gehörte zu den Autobauern, die sich mit dem elektrischen Citymobil beschäftigten. In Großbritannien stellte Ford 1967 den Ford Comuta vor. Der Kleinwagen ist mit 2,03 Metern noch etwas kompakter als der Carter Coaster, bot dafür aber trotzdem bis zu vier Personen Platz. Das war nur möglich, weil Ford die Batterien des Kleinwagens zwischen Fahrzeugboden und Innenraum verstaute. Ganz neu ist diese heute beim Elektrostar Tesla gefeierte Bauweise also nicht.
Genauso wie Ford stellte auch Ghia einen elektrischen Kleinwagen vor. Der Karosseriebauer gehört damals Alejandro de Tomaso. Der ehemalige Rennfahrer benannte die Elektrostudie Ghia Rowan nach seinem Partner Rowan Industries, dem Unternehmen seines Schwiegervaters. De Tomaso dankte seinem Schwiegervater damit für die finanzielle Unterstützung bei der Übernahme von Ghia. Heute wirkt die Namensgebung fast ironisch, denn Rowan Industries war in der Erdölindustrie tätig. Ein Bild des Ghia Rowan gibt es beim Ford Oldtimer und Motorsport Club Cologne.
In den USA entstand bei AMC der American Motors Amitron. Bei dem 2,20 Meter langen Kleinwagen realisierte der US-Autobauer als Erster eine Rekuperationsbremse, um die Bremsenergie zu nutzen. Dazu verfügte der Amitron über ein Bündel aus Nickel-Cadmium-Akkumulatoren und Lithiumbatterien. Damit sollte eine Reichweite von 240 Kilometern möglich sein. Klingt 1967 alles nach Raketenwissenschaft und erreichte erst viele Jahre später die notwendige Serienreife.
Damit teil der Amerikaner das Schicksal mit dem Ford Berliner, von dem es bei flickr und im Blog von Uwe Dörnbrack Bilder gibt, den japanischen Elektrostudien DAIHATSU BCX und TOYOTA Town Spider oder Fiat X1/23 von 1972. Sie alle kammen nie über die Konzeptphase hinaus, touren einige Zeit über Automessen und sind dann schnell vergessen. Im Fall des Fiat City Car Prototypen war die Karosserie übrigens zunächst für einen konventionellen Antrieb vorgesehen. Als der E-Antrieb im Zuge der Ölkrise modern wurde, rüstete Fiat den X/13 auf Elektrotechnik um.
1972 zeigte Zagato den Zagato Zele
Die meisten Autofans denken beim Namen Zagato an aufregende Sportwagen und fesche Coupés. Weitestgehend unbekannt ist dagegen der Zagato Zele. Die Formgebung des Kleinwagens folgt – Zagato ist ein Designstudio – dem Geist ihrer Zeit. Das 1,95 Meter lange Fahrzeug verfügt über klare geometrische Formen. Unter der Kunststoffkarosserie steckt ein 4,8 PS starker Elektromotor von Magneti Marelli. Acht 12-Volt-Batterien liefern den notwendigen Strom. Viele Komponenten des Fahrwerks übernimmt Zagato vom Fiat 500. Die 10 Zoll großen Räder kennen Klassikfreunde vom Mini.
Beim Debüt 1972 hielten Presse und Publikum auch den Zele „nur“ für eine weitere Studie. Doch Zagato macht Ernst und bot den Zele ab 1974 tatsächlich zum Kauf an. Ab 1975 verkaufte die Elcar Corporation den Zele sogar in den USA. Grundlage der US-Fahrzeuge waren Bausätze, die Zagato lieferte und Elcar mit Batterien aus den USA bestückte. Wie auch beim Original in Italien war auch das Elcar zwei Versionen, die sich in der Reichweite unterscheiden, lieferbar. Unabhängig davon war der Zele ein simples Auto. Die Steuerung des Antriebs ist primitiv. Der Zagato Zele Fahrer kann zwischen drei Fahrstufen wählen. Die gewählte Fahrstufe entscheidet, ob das zweistufige Fahrpedal 24, 36 oder 48 Volt freigibt.
Das reicht alles nicht, um mit dem Zele eine Erfolgsgeschichte zu schreiben. Schon 1977 stellten Zagato und Elcar die Produktion ein. Der US-Partner stellte noch einen Prototyp mit vier Sitzen auf die Räder, dann war auch der Zagato Zele Geschichte. Heute heißt es, dass bei Zagato und Elcar rund 500 Exemplare des Zele entstanden seien. Genaue Quellen zu den Produktionszahlen fehlen, wie bei vielen letztlich gescheiterten Projekten. Schwer zu schätzen, wie viele Zele heute noch existieren. Immerhin stand kürzlich ein Zagato Zele auf der Techno Classica in Essen und inspirierte mich zu diesem Blogbeitrag.
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