von Tom Schwede am 05.05.2025

Ferrari 408 4RM – Enzo Ferraris Rallye-Traum?

Stellen Sie sich vor, Ferrari wäre in den 1980er-Jahren mit einem Allradmonster in der Rallye-WM angetreten – Peugeot, Lancia und Audi hätten einen roten Teufel als Gegner gehabt! Doch dazu kam es nicht. Erst 1987 entstanden vom Ferrari 408 4RM, Ferraris erstem Sportwagen mit vier angetriebenen Rädern, zwei Prototypen. Da war die Gruppe B längst Geschichte.

Prototp Ferrari 408 4RM

Zwei Protoytypen des Ferrari 408 4RM entstanden. Dieser rote 408 4RM war das erste Exemplar (Foto: Ferrari S.p.A.).

Nach dem Zweiten Weltkrieg begann der Rennstallbesitzer Enzo Ferrari mit dem Bau eigener Autos. Er sah darin eine Möglichkeit, den Rennbetrieb zu finanzieren. Einige seiner Kunden setzten die Sportwagen von Ferrari bei den damals beliebten Fernfahrten wie Lüttich–Rom–Lüttich oder dem Großen Straßenpreis von Argentinien ein. Diese Fernfahrten gelten als Vorläufer des heutigen Rallye-Sports. Denn ursprünglich waren Rallyes Zuverlässigkeits- oder Orientierungsfahrten, bei denen Navigation und Fahrzeughaltbarkeit im Vordergrund standen. Zum Ablauf gehörten Gleichmäßigkeitsprüfungen und vorgegebene Schnittgeschwindigkeiten.

Ferrari und Rallye? Eine vergessene Liebesgeschichte!

In den 1950er-Jahren ersetzten die ersten Rallyes die Gleichmäßigkeitsprüfungen durch auf Bestzeit zu fahrende Abschnitte. Zu ihnen gehörten die Alpenfahrt, die Rallye Monte Carlo und die finnische 1000-Seen-Rallye – wobei ihre Prüfungen noch nicht vollständig abgesperrt waren. Das wurde erst in den 1960er-Jahren zum Standard. Als Vorreiter gilt hier die RAC Rally, der das Absperren auch deshalb leicht fiel, weil die heutige Rallye Großbritannien ihre Sonderprüfungen traditionell auf privatem Grund durchführt. Im Vereinigten Königreich ist Motorsport auf öffentlichen Straßen verboten.

Seitenansicht des Ferrari 408 4RM

Seitenansicht des Ferrari 408 4RM – Die Projektleitung lag bei Mauro Forghieri (Foto: Ferrari S.p.A.).

Allrounder Olivier Gendebien fuhr 1956 bei der Rallye Lüttich–Rom–Lüttich – dem legendären Marathon de la Route – mit einem Ferrari 250 GT Europa auf den dritten Platz. Das Ergebnis war sicherlich ein Ausreißer, doch es zeigt, dass Ferrari auch bei Rallyes zum Einsatz kam. Auch wenn der Schwerpunkt des Sportprogramms in Maranello klar auf der Rundstrecke lag, war Ferrari bis in die 1960er-Jahre zudem im Bergrennsport aktiv. Erst in den späten 1970er-Jahren sollten Fahrer wie Jean-Claude Andruet und Antonio Zanini den Ferrari 308 GTB mit Erfolg in der Rallye-Europameisterschaft und in nationalen Meisterschaften einsetzen.

Ein Ferrari mit Allrad? Und das schon 1987?

Die Vorbereitung ihrer Ferrari 308 GTB für die damalige Gruppe 4 übernahm der Tuner Michelotto. Als die FISA zum 1. Januar 1982 die Gruppe B einführte, weckte dies auch das Interesse von Enzo Ferrari. Der Commendatore plante zunächst, den 308 weiterzuentwickeln. Doch die Analyse seiner Ingenieure ergab, dass es zu viele Änderungen erfordern würde, um den seit 1975 angebotenen Sportwagen auf das Niveau der Wettbewerber zu bringen. Denn das Gruppe-B-Reglement schränkte die Möglichkeiten der Veränderungen im Vergleich zum Vorgängerreglement ein. So reifte der Plan, zur Homologation in der Gruppe B ein neues Modell zu entwickeln.

Dabei entstand der Ferrari 288 GTO, den Ferrari 1984 auf dem Genfer Salon der Öffentlichkeit vorstellte. 272 Exemplare des 288 GTO entstanden in Rekordzeit – doch am Ende fehlte der entscheidende Schritt: die Homologation für die Gruppe B. Ferrari wusste, dass für Erfolg im Rallye-Sport längst Allradantrieb notwendig war. Auch das Evolutionsmodell Ferrari 288 GTO Evoluzione kam über den Prototypen-Status nicht hinaus. Trotzdem gingen in Maranello die Gedankenspiele, in den Rallye-Sport zurückzukehren, weiter. Das Projekt lief sogar noch, als die FISA 1986 die Gruppe B im Rallye-Sport zum Auslaufmodell erklärte.

Ferrari-Urgestein Mauro Forghieri war Projektleiter

Ferrari intern wurde das Projekt zum Forschungsprojekt umdeklariert, um neue Designideen für kommende Straßenmodelle zu erforschen. Im Juni 1987 war der erste Versuchsträger mit dem Namen Ferrari 408 4RM fertig. Entsprechend der damals etablierten Nomenklatur bei Ferrari stand „40“ in 408 für 4,0 Liter Hubraum. Die folgende „8“ beschrieb die Anzahl der Zylinder. Die Abkürzung „4RM“ stand für „4 Ruote Motrici“ (= „vier angetriebene Räder“). Das unterstrich, dass der 408 4RM der erste Ferrari mit Allradantrieb war. Ferrari setzte dabei auf ein selbst entwickeltes hydraulisches Allradantriebssystem.

Innenraum des Ferrari 408 4RM

Im Innenraum folgte der Ferrari 408 4RM dem Geist der Zeit und kam entsprechend spartanisch daher. Doch schon beim ersten Prototypen war der Innenraum komplett (Foto: Ferrari S.p.A.).

Es nutzte ein zentrales Differenzial, das mit einer hydraulischen Kupplung verbunden war. 29 Prozent des Drehmoments gingen an die Vorderräder, 71 Prozent an die Hinterräder. Bis etwa 1991 erprobte Ferrari dieses System, entschied sich jedoch gegen eine Serienfertigung. Erst 2011 debütierte mit dem Ferrari FF der erste Serien-Ferrari mit Allradantrieb. So blieb es beim 408 4RM bei zwei Testträgern. Der erste (Fahrgestellnummer 70183) verfügte über ein aus Edelstahl gefertigtes, geschweißtes Chassis. Darüber ruhte eine aus Verbundwerkstoffen gefertigte rote Karosserie.

Ferrari spielte mit dem 408 4RM Zukunft!

Für das zweite, im September 1988 fertiggestellte Exemplar mit der Fahrgestellnummer 78610 nutzte Ferrari ein Chassis aus verklebten Aluminiumprofilen. Die vordere Schottwand goss Ferrari aus Magnesium. Unabhängig davon verfügten beide Ferrari 408 4RM über Doppelquerlenker-Aufhängungen mit identischen Achsschenkeln und Querlenkern an allen vier Rädern. Hydraulische Zylinder ermöglichten eine Anpassung der Fahrzeughöhe. Mit der niedrigsten Fahrwerkseinstellung erreichte das Fahrzeug einen Luftwiderstandsbeiwert von 0,274. Eine Besonderheit waren auch die sich selbst aufblasenden Türdichtungen.

Den Antrieb übernahm ein 90°-V8-Motor (Ferrari Typ F117), der hinten und längs eingebaut war. Mit vier Litern Hubraum leistete der Motor 296 PS (221 kW) bei 6.250 Umdrehungen pro Minute (U/min). Das maximale Drehmoment lag bei 373 Nm, die bei 4.500 U/min anlagen. Je zwei obenliegende Nockenwellen pro Zylinderbank steuerten vier Ventile pro Zylinder. Mit seiner Trockensumpfschmierung unterstrich der Motor seinen sportlichen Anspruch. Eine Weber-Marelli-Kraftstoffeinspritzung übernahm die Gemischaufbereitung. Ferrari gab seinerzeit für den Prototypen eine Höchstgeschwindigkeit von 309 Kilometern pro Stunde an.

Warum gab es keinen Ferrari 408 4RM in der Serie?

Mauro Forghieri verließ Ferrari 1987 und wechselte zu Lamborghini Engineering. Damit verlor das Projekt seinen technischen Kopf. Der Tod von Enzo Ferrari im August 1988 kostete den 408 4RM zudem die Unterstützung der Geschäftsführung. Mehrheitseigner FIAT war im Rallye-Sport bereits mit Tochter Lancia erfolgreich. Und ein 5.000-mal gebautes Gruppe-A-Auto war für Ferrari, damals wirtschaftlich schwer angeschlagen, sowieso unvorstellbar. 1991 übernahm Luca di Montezemolo den Vorstandsvorsitz von Ferrari. Unter seiner Regie kehrte Ferrari an die Formel-1-Spitze zurück und stieg zur wirtschaftlich erfolgreichen Luxusmarke auf.

Der zweite Prototyp des Ferrari 408 4RM

Der zweite Prototyp hatte ein Chassis aus Aluminium. Doch dann brach Ferrari das Projekt ab. Denn die Zeit der Gruppe B war vorbei. Der Autobauer sah für einen Allrad-Ferrari keinen Markt (Foto: Ferrari S.p.A.).

Für einen Ferrari mit Allrad war da kein Platz. Zumal dieser das Gewicht eines Autos damals um rund 200 Kilogramm erhöht. Das paßte aus Sicht der damals Verantwortlichen nicht zur Marke. Insofern bleibt es reine Spekulation, was möglich gewesen wäre, wenn Ferrari den 408 4RM wirklich auf die Straße gebracht hätte. Für Erfolge in der Rallye-Weltmeisterschaft war der Zug mit dem Verbot der Gruppe B abgefahren. Hier kam der Sportwagen zu spät. Und trotzdem war er in vielen Details seiner Zeit weit voraus.


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