Auto-Erinnerungen

Unterwegs im Horch 930 V Cabrio – Vorbereitung auf die Classic Days Schloß Dyck 2018

Kürzlich war ich mit einem Horch 930 V Cabrio der Audi Tradition bei der Donau Classic unterwegs. Die fast 400 Kilometer im historischen Luxusmobil waren eine perfekte Vorbereitung für die Classic Days Schloß Dyck an diesem Wochenende. Denn während ich dort wieder den Rundkurs moderieren darf, würdigt die Audi Tradition dort den 150. Geburtstag von August Horch.

Seit Kindertagen interessieren mich Autos und ihre Technik. Zunächst waren meine Traumautos zeitgenössische Sportwagen. Als Grundschüler Ende der 1970er-Jahre kannte ich die technischen Daten aller aktuellen Sportwagen von Porsche, Ferrari und Co. auswendig. „Porsche 911 Turbo 3.0 Typ 930, 0 auf 100 … 5,5 Sekunden“. In jeder Pause spielten meine Klassenkameraden und ich damals auf dem Schulhof Auto-Quartett. Diese Prägung wirkt bis heute nach.

Je näher der eigene Führerschein rückte, um so mehr faszinierten mich klassische Automobile. Wobei ich immer ein Faible für Exoten hatte. Wer begeisterte sich Ende der 1980er-Jahre sonst noch für das viertürige Coupé Rover P5 oder einen Triumph Spitfire? Die Begeisterung ging so weit, dass ich den Roadster damals für eine – viel zu kurze Zeit – im Alltag bewegte. Irgendwann blieb ich am Austin Mini hängen, der seit dem in unserer Garage steht.

Mich faszinieren die Entwicklungssprünge der Autos

Doch je älter ich werde, um so mehr liebäugle ich inzwischen mit einem Vorkriegsklassiker. Je mehr ich mich mit den Autos der 1920er und 1930er-Jahre beschäftigte, um so mehr faszinieren mich viele der damals umgesetzten technischen Lösungen. Spannend finde ich, mit welchen gigantischen Schritten sich das Auto damals entwickelte. Ein Auto aus den 1910er-Jahren wirkt noch wie eine motorisierte Kutsche. Denn am Vorabend des Ersten Weltkriegs waren filigrane Achskonstruktionen, dünne Räder und Sperrholz-Karosserien der Standard.

Nur 20 Jahre später sah das Auto völlig anders. Jetzt gibt es aus Stahl gefertigte Karosserien. Daneben machen die Fahrwerke einen großen Sprung, denn sie müssen die zunehmende Leistung bewältigen. Galten eben noch 35 PS aus 3,5 Liter Hubraum als obere Mittelklasse, finden die Motorenbauer in immer kürzeren Abständen Mittel und Wege, um ihren Motoren mehr Leistung zu entlocken. In den 1930er-Jahren gibt es selbst in der oberen Mittelklasse fast schon 100 PS Leistung. 

Bisher war das mit dem Vorkriegsauto eine unerfüllte Liebe. Seit Karla und ich dieses Blog vor elf Jahren gründeten, waren wir mit rund 200 unterschiedlichen Autos unterwegs. Die Mehrzahl davon natürlich Neuwagen, die sich bei uns im Blog in den Tests und Fahrberichte wiederfinden. Doch ab und an durften wir auch mal mit einem Klassiker unterwegs sein. Ich erinnere mich gerne an den Start im VW Golf GTI bei der Köln Historic.

Und auch die Fahrt im Opel Rekord Cabrio oder der Start bei der Creme 21 im Opel Diplomat V8 waren letztlich Ausfahrten mit modernen Autos. Denn obwohl sich das Auto natürlich bis in die Gegenwart weiterentwickelte, im Vergleich zu einem Auto aus den 1930er-Jahren waren die Genannten ja fast noch „Neuwagen“. Um so mehr freute mich, dass die Audi Tradition mir kürzlich die Gelegenheit gab, im Horch 930 V Cabrio von 1939 unterwegs zu sein.

Horch 930 V – Oberklasse aus Zwickau!

Hinter der Marke Horch stand damals die Auto Union. Die Auto Union entstand im Sommer 1932 auf Betreiben der Sächsischen Staatsbank. Sie führte Audi, Horch, DKW und die Autosparte der Wanderer Werke unter einem Dach zusammen. Alle vier Marken waren in Sachsen zu Hause. Audi und Horch in Zwickau, DKW und Wanderer in Chemnitz. Mit dem Zusammenschuss wollte staatliche Bank in der Weltwirtschaftskrise das Überleben der sächsischen Autoindustrie sichern.

Trotz des Zusammenschlusses blieben die vier Marken weitestgehend eigenständig. Für die Auto Union entstand das Logo mit vier ineinander verschlungenen Ringen, das heute jeden Audi ziert. Um Überschneidungen zu vermeiden, ordnete die Auto Union jeder Marke ein eigenes Marktsegment zu. DKW stand für Motorräder und Kleinwagen, Wanderer für Autos der Mittelklasse, Audi für Autos der gehobenen Mittelklasse und Horch für Luxusautos.

Horch unterstrich diesen Anspruch mit einem V12, den das Unternehmen schon kurz vor der Übernahme durch die Auto Union auf dem Pariser Autosalon 1931 der Weltöffentlichkeit vorstellte. Von diesem Zwölfzylinder leitete Horch einen kleineren Achtzylinder ab. Wie der V12 von Horch, hat auch der V8-Motor einen Bankwinkel von 66 Grad. Zwischen den beiden Zylinderbänken liegt eine zentrale Nockenwelle, die über Kipphebel die Ventile betätigt.

Das Cabrio Horch 930 V bot Horch ab 1937 an. Es war die „verkürzte“ Variante des bereits seit 1933 angebotenen Horch 830 – der Buchstabe V in der Typenbezeichnung steht für „Verkürzt“. Wobei das mit mit dem Kürzen so eine Sache ist. Denn das sportliche Cabrio ist 4,92 Meter lang und 1,79 Meter breit. Der 3,8 Liter große V8 verfügt über eine Leistung von 92 PS. Das reicht, um den Horch auf eine Spitzengeschwindigkeit von rund 130 Kilometern pro Stunde zu beschleunigen.

Die Laufruhe des V8 begeistert auch mit 80 Jahren noch!

Ich war mit dem gut 400 Kilometer unterwegs. Ruhig und unaufgeregt verrichtete der Motor seinen Dienst, schurrte in allen Situationen wie das sprichwörtliche Kätzchen. Selbst Steigungen oder Lastwechsel brachten den Motor nicht aus der Ruhe. Der Motor glänzte mit kräftigem Durchzug und verlor nie die Contenance. Dank der Kraft des V8 zog es den rund zwei Tonnen schweren Horch ziemlich locker auch steile Hügel hinauf.

Wobei der Fahrer – natürlich – darauf achten muss, den richtigen Gang einzulegen. Der Horch 930 verfügt über ein Viergang-Getriebe. Ab 1938 waren, wie bei diesem Exemplar der Audi Tradition, alle vier Gänge synchronisiert. Vorher fehlte dem ersten Gang dieses Komfortfeature. Mit dem geänderten Getriebe zog auch ein Ferngang für die Autobahn, der über einem zusätzlichen Schalthebel zu aktivieren ist, in den Horch ein.

Doch den zweiten Schalthebel ignorierten wir bei der Donau Classic. Autobahnen gehörten nicht zur Streckenführung. Wenn die Drehzahl stimmt, dann geht das Schalten erstaunlich leicht von der Hand. Allerdings haben die Synchro-Ringe im Getriebe des Horch im Laufe der Zeit doch etwas gelitten. Deshalb erfordern Gangwechsel immer etwas Konzentration. Und zur Not hilft immer noch die gute alte Technik mit Zwischengas und Zwischenkuppeln.

Der Horch überrascht auch beim Fahrkomfort!

Vor der Fahrt fragte ich mich, wie komfortabel das Reisen mit dem Oldtimer wohl sein wird. Schon nach wenigen Metern war klar, dass das Fahren erstaunlich „modern“ ist. Der Horch ist gut gefedert, Stöße dringen allenfalls gedämpft in den Innenraum vor. Dank des langen Radstands von mehr als 3,10 Metern steckt der Horch auch Bodenwellen oder Kopfsteinpflaster wirklich gut weg. Das hätte ich so nicht erwartet.

Trotzdem wird die Fahrt mit der Zeit anstrengend. Wobei allerdings weniger das Fahrwerk als vielmehr die Sitze für „Probleme“ sorgen. Denn deren Sitzfläche ist für mich einen Tick zu kurz. Zudem sinke ich etwas zu tief in die Sessel ein. Irgendwann drücken die Rohre, die die Sitzbezüge halten, in die Beine. Das wird mit zunehmender Fahrtzeit anstrengend und ist nebenbei auch ein Fingerzeig dafür, wo den Entwicklern große Sprünge gelangen.

Als ich nach zwei Tagen mit dem Horch 930 V meine Eindrücke sortiere, bin ich überrascht. Natürlich ist der 80 Jahre alte Horch ein Oldtimer. Trotzdem lässt es sich mit ihm erstaunlich komfortabel reisen. Das hätte ich so wirklich nicht erwartet. Und ich bin nun endgültig auf der Suche nach einem Vorkriegs-Klassiker.


Bei den diesjährigen Classic Days Schloss Dyck vom 3. bis 5. August zeigt die Audi Tradition vier weitere vier seltene Fahrzeuge von Horch. Der Horch 10/50 PS von 1925, das Hoch 305 Landaulet von 1928, das Horch 850 Pullman Cabriolet von 1936 und der Horch 930 S Stromlinie gehören zu den absoluten Preziosen im historischen Fuhrpark von Audi. Mit dieser Fahrzeugpräsentation würdigt die Audi Tradition würdigt die Audi Tradition den 150. Geburtstag von August Horch (1868 bis 1951). Der Maschinenbauingenieur war der Gründer der Automobilbauunternehmen Horch und Audi, saß später im Aufsichtsrat der Auto Union AG.

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Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!