1976 stellt British Leyland den Rover SD1 vor. Die Limousine der oberen Mittelklasse ist der Startschuss für eine neue Epoche. Denn British Leyland ist nach der Fast-Pleite im Vorjahr inzwischen ein Staatsunternehmen. Mit dem Rover SD1 soll endlich der Erfolg zurückkehren. Zunächst sieht es gut aus. Denn der Brite wird Auto des Jahres 1977. Doch auf Dauer bleibt der Erfolg aus.
In der Frühzeit des Automobils gab es in Großbritannien eine Vielzahl von Marken und Herstellern. Doch dauerhaft erfolgreich sind sie alle nicht. 1968 entsteht – als Abschluss der Fusionswelle – British Leyland. Damit sind fast ein Dutzend Marken in einem Konzern zusammengefaßt. Doch der Führung des Unternehmens gelingt nicht, die beteiligten Marken auf gemeinsame Ziele einzuschwören. Und so arbeiten die Einzelmarken weiter eher gegeneinander als zusammen.
Beim Triumph Stag läßt es die Unternehmensspitze die Entwickler einen eigenen V8-Motor bauen. Die Entwickler ignorieren hartnäckig den V8-Motor der Konzernschwester Rover. Gleichzeitig lähmen regelmäßig Streiks das Unternehmen. In Sorge um die verbliebenen Arbeitsplätze verstaatlicht die britische Regierung 1975 das Unternehmen, um die Zahlungsunfähigkeit abzuwenden. Doch die hat Ursachen. Denn zu diesem Zeitpunkt sind die Spitzenmodelle Rover P6 und Triumph 2000 bereits seit 1963 im Handel.
Mit dem Rover SD1 muss alles besser werden
Rover P6 und Triumph 2000 sind völlig veraltet und für den Hersteller völlig unwirtschaftlich. Deshalb soll ein gemeinsamer Nachfolger soll British Leyland endlich zum Erfolg führen. Die Entwicklung des neuen Spitzenmodells startet 1971 mit einem Wettbewerb zwischen den Design-Teams von Rover und Triumph. Zunächst soll das neue Mittelklasse-Modell RT1 – für Rover Triumph Nr. 1 – heißen. Doch weil British Leyland seine Marken Jaguar, Rover und Triumph in der „Special Division“ zusammenführt, kommt der Neue schließlich als Rover SD1 auf den Markt.
Rover-Designer David Bache orientiert sich bei seinem Entwurf an der Studie BMC 1800 Berlina Aerodynamica. Pininfarina hatte diese Studie 1967 im Auftrag von Austin gebaut. Bache garniert den Entwurf im Bereich der Lampen mit einem Schuss Ferrari 365 Daytona. Es entsteht ein mutiger Entwurf, der den firmeninternen Wettbewerb gewinnt. Die Entscheidung des Vorstands für ein Fließheck ist eine Überraschung.
Schließlich konnten sich die Verantwortlichen zuvor nicht für die Entwürfe von Pininfarina erwärmen. Dabei stellte das italienische Designbüro dem 1800er sogar auf eigenen Kosten einen kleinen Bruder als möglichen Nachfolger des Austin 1100 zur Seite. Trotzdem blieb British Leyland skeptisch und beendet die Zusammenarbeit. Offensichtlich fehlt den Briten 1968 der Mut für das fortschrittliche Design aus Italien. Vielleicht wäre die Geschichte des britischen Autobaus mit etwas mehr Mut völlig anders verlaufen. Denn in Frankreich ist Citroën mutig und bringt die Modelle Citroën GS (1970) und CX (1974) auf den Markt. Denen Gestaltung lehnt sich eng an die Austin-Studien von Pininfarina an. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Vorgehen der Franzosen auch British Leyland die Studien neu bewerten lies.
Charles Spencer „Spen“ King ist für die Technik verantwortlich
Denn bei ihrem neuen Spitzenmodell SD1 setzen jetzt auch die Briten mit einigen Jahren Verspätung auf ein Fließheckdesign in der Mittelklasse. Und folgt damit dem Trend der Zeit. Denn auch bei VW und Audi entstehen mit dem Passat (ab 1973) und dem Audi 100 (ab 1977) Fließheckmodelle. Eine Dekade später folgen Mazda mit dem Mazda 626 und Ford mit den Modellen Ford Sierra und Ford Scorpio dem Trend.
Für die Technik des Rover SD1 ist Charles Spencer „Spen“ King verantwortlich. Schon beim Vorgänger Rover P6 war der Ingenieur verantwortlich. Im Vergleich zum technisch anspruchsvollen Vorgänger P6 vereinfacht King beim SD1 die Technik deutlich. Als Hinterachse nutzt der Neue eine simple Starachse. Dazu bremst der SD1 an der Hinterachse mit günstigen Trommelbremsen.
Weshalb Technik-Freunde wie mein Großvater den Rover SD1 beim Debüt trotz des attraktiven Designs müde belächeln. Denn beim Vorgänger P6 gibt es auch an der komplexen De-Dion-Hinterachse innen liegende Scheibenbremsen. Ihre Position innen am Differenzial reduziert die gefederten Massen. Das entspricht deutlich mehr dem Geschmack von Technik-Feinschmeckern als der simple SD1.
V8 statt Gasturbine
Auch an der Vorderachse löst sich King vom Vorgänger. Im P6 wollte King ursprünglich eine Rover Gasturbine unterbringen. Deshalb verfügt der P6 über ein unkonventionelles System mit Umlenkarmen und horizontal angeordneten Schraubenfedern. Bei Konstruktion des SD1 ist klar, dass die Gasturbine nicht zum Serienantrieb taugt. Deshalb vertraut King an der Vorderachse des Neuen auf eine simple MacPherson-Federbeinachse.
British Leyland will im Wettbewerb mit Fahrzeugen wie dem Citroën CX oder dem BMW 5er (E12) mit attraktiven Preisen glänzen. Das macht auch die Gestaltung des Innenraums deutlich. Das Armaturenbrett ist symmetrisch gestaltet. Der Instrumentenblock lässt sich auf beiden Seiten montieren. Der für die Lenksäule jeweils nicht benötigte Durchbruch dient als Lüftungsdüse für den Beifahrer.
In den Motorraum zieht ein weiterentwickelter Rover V8 mit 3,5 Liter Hubraum ein. British Leyland spendiert dem auf einer Buick-Konstruktion basierenden Motor für den Einsatz im SD1 eine elektronische Lucas-Zündung. Im Rover 3500 stehen damit 157 PS zur Verfügung. Erst bei einer Modellpflege im Jahr 1982 weichen die HIF 6 Vergaser der Skinner Union einer Lucas-Einspritzanlage.
Auto des Jahres 1977
Bei der Premiere reagiert die Presse recht positiv auf den neuen Rover. 1977 wird der Brite Auto des Jahres. Um die Modellpalette nach unten zu erweitern, schiebt British Leyland im gleichen Jahr zwei Reihensechszylinder nach. Die 2,3 und 2,6 Liter großen Motoren basieren auf einer Konstruktion von Triumph. Für den Einsatz im neuen Rover überarbeitet British Leyland sie umfangreich.
Formal klingt das alles auch heute noch nach einem guten Angebot. Doch British Leyland schafft es auch nach der Verstaatlichung einfach nicht, die Qualität zu bauen, die die Kunden erwarteten. Der Innenraum verschleißt schnell. Pannen sind für SD1-Fahrer Standard. Beim Dauertest-Fahrzeug der Zeitschrift „auto motor und sport“ blockiert irgendwann eine verrutschte Zylinderlaufbuche die Kurbelwelle.
Das erstaunt, weil der Motor eigentlich gar keine Laufbuchsen hat. Trotzdem gab es beim Motor des Testwagens EINE. Die schlechte Qualität sprach sich auch bei den Kunden rum. Die geplante Wiedereinführung der Marke Rover in den USA floppt. Nur rund 800 Rover SD1 finden in den USA einen Kunden. Angesichts hoher Kosten für die US-Typ-Zulassung und die damit verbundenen Umrüstungen ist das ein finanzielles Desaster.
Erfolg im Motorsport
Für etwas Glanz in der Hütte sorgt der Motorsport. Denn Tom Walkinshaw Racing (TWR) setzt den Rover SD1 mit Erfolg in der Tourenwagen-Europameisterschaft ein. Zusammen mit dem Win Percy siegt Teamchef Tom Walkinshaw 1985 bei sechs von 14 EM-Läufen. Trotzdem belegen die Briten in der Endabrechnung nur den dritten Platz hinter den Volvo-Piloten Gianfranco Brancatelli und Thomas Lindström im Volvo 240 Turbo.
Besser läuft es in Deutschland. Denn der Däne Kurt Thiim holt 1986 mit einem Rover SD1 den DTM-Titel. Dabei setzt sich der Däne souverän gegen Volker Weidler im Mercedes-Benz 190E 2.3-16 und Vorjahresmeister Per Stureson im Volvo 240 Turbo durch. Es ist die letzte DTM-Saison, in der ein von einem privaten Tuner eingesetztes Fahrzeug den Titel gewinnt. Ab 1987 stehen in der DTM die Werks-Teams im Vordergrund.
Flop auf der Straße
Das ist durchaus eine Parallele zum SD1. Denn auch der Brite ist 1986 längst ein Auslaufmodell. Der Versuch, mit einem Vierzylinder-Reihenmotor den in Großbritannien erfolgreichen Ford Granada herauszufordern, scheitert. Die Luxusversion Vanden Plas findet trotz einer für die Zeit bemerkenswerten Ausstattung mit Trip-Computer und einer Stereoanlage mit vier Lautsprechern ebenfalls nur wenige Kunden.
In zehn Jahren baut Rover insgesamt nur rund 300.000 SD1. Etwas mehr als ein Drittel davon mit dem V8, ein weiteres gutes Drittel ordern die Kunden mit dem 2,6-Liter-Reihensechszylinder. Doch diese Stückzahlen reichen bei weitem nicht aus, um mit dem SD1 Geld zu verdienen. Rover, wie sich British Leyland nach der Re-Privatisierung inzwischen nennt, ist Mitte der 1980er-Jahre mal wieder am Ende. Die Verantwortlichen suchen ihr Heil in der Zusammenarbeit mit Honda.
Als Nachfolger des SD1 entsteht ein nur gering modifizierter Honda Legend, den die Entwickler als Rover 800 verkaufen. Auch das funktioniert nur mäßig. Rover verliert seine Unabhängigkeit an BMW. Doch im Kern ändert sich nichts, BMW kapituliert schnell und trennt sich wieder von der britische Tochter. Der Versuch, als Rover zu überleben, endet in der Pleite. Und so ist der Rover SD1 heute der letzte echte Brite mit Rover Emblem. Nach ihm stellte Rover nur noch Autos vor, die so britisch wie der Yen oder der Euro waren.
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