Das Leben Alfred Owen ist eng mit dem Formel-1-Team British Racing Motors verbunden. Denn Owen führte das Team von 1951 bis 1970. Doch es würde wohl zu kurz springen, das Leben des Unternehmers nur auf den Motorsport zu reduzieren.
Wer war Alfred Owen?
Der am 8. April 1908 geborene Alfred Owen übernahm mit gerade mal 21 Jahren die Geschäftsleitung des Industriekonglomerats Rubery Owen. Sein Vater, der Ingenieur Ernest Owen (1868–1929) hatte das Unternehmen zu einem der größten britischen Industrieunternehmen gemacht. Rubery Owen produzierte Landmaschinen, Gabelstapler sowie Flugzeug- und Autoteile.
Um sich auf die Führung der Owen Organisation vorzubereiten, studierte auch der Junior Ingenieurswesen. Doch der frühe Tod des Vaters ließ den Sohn sein Studium abbrechen, um direkt in Unternehmensleitung einzusteigen. Offensichtlich mit Erfolg. Denn auch in den kommenden Jahren wuchs das Unternehmen weiter. Dabei macht Rubery Owen mit Innovationen wie dem ersten in Großbritannien gebauten Gabelstapler auf sich aufmerksam.
Auto-Fans kennen die Rostyle-Wheels von Rubery Owen
Zu den bekanntesten Produkten der Owen Organisation gehören die Rostyle Wheels (R-ubery O-wen-Style). Das sind die typisch britischen Stahlfelgen mit den charakteristisch in den Stahl gepressten erhabenen „Speichen“. Sie entstanden ursprünglich für den Rover P5B und gehören bis heute bei vielen britischen und amerikanischen Fahrzeugen der 1960er und 1970er-Jahre einfach dazu.
Von 1937 bis 1974 engagierte sich Alfred Owen in seiner Heimatgemeinde Sutton Coldfield in der Nähe von Birmingham als Stadtrat. 1951 war Owen sogar für einige Zeit Bürgermeister des Ortes. Dazu fand der tief religiöse Unternehmer Zeit, um als Laienprediger in einer Kirchengemeinde zu predigen und zahlreiche soziale Projekte zu unterstützen.
Alles übrigens begleitet vom Mitarbeitermagazin „Goodwill“ der Firma Rubery Owen. 1954 stieg der Unternehmer zum Commander des Order of the British Empire auf. 1961 folgte der Ritterschlag. Vier Jahre später erhielt der Studienabbrecher die Ehrendoktorwürde.
Sponsor bei British Racing Motors
Neben all diesen Aktivitäten führte Owen von 1951 bis 1970 das Motorsport-Team British Racing Motors (kurz B.R.M.). Als die Rennfahrer Raymond Mays und Peter Berthon 1947/48 den Rennstall gründeten, war Owen zunächst nur einer von zahlreichen Geldgebern. Mays und Berthon positionierten den Rennstall von Anfang an als eine Art britische Nationalmannschaft des Motorsports.
Zum Geld und dem Know How der rund 100 Unternehmen, die sich am Projekt B.R.M. beteiligten, kam Geld aus einer Tombola. Rubery Owen übernahm in Darlaston die Fertigung des Chassis. Den Motorblock baute Standard Motors in Coventry und der Kompressor stammte von Rolls-Royce.
Beim Debüt im Silverstone floppte der mit viel PR-Begleitung entwickelte B.R.M. P15 mit seinem 1,5 Liter großen 16-Zylinder-Kompressor-Motor. Das Publikum, das den ersten B.R.M. bis dahin teilweise enthusiastisch herbeisehnte, warf Münzen in den vor dem Start havarierten Renner. Statt das Prestige des Empires zu fördern, hatte sich B.R.M. beim ersten Auftritt kräftig blamiert.
Daran änderte sich auch in der nächsten Zeit nur wenig. Selbst wenn er denn mal funktionierte, war der Kompressor-Motor des R15 unbrauchbar. Im unteren Drehzahlbereich fehlte Leistung. Bei höheren Drehzahlen konnte das Fahrwerk des R15 die Kraft des Motors nicht bändigen. Bei vier Rennen gelang nur eine Zielankunft, dann war das Geld verbraucht.
Alfred Owen übernahm B.R.M.
Als die Königsklasse des Motorsports ab 1952 nach den Regeln der Formel 2 fuhr, stand das Team ohne Auto dar. Für ein passendes Auto fehlte inzwischen das Geld. 1953 übernahm Alfred Owen die Reste des Rennstalls und führte ihn als Teil seiner Unternehmensgruppe. Als ab 1954 in der Formel 1 das neue Formel-1-Reglement galt, kehrte B.R.M. unter der Regie von Owen in den Grand Prix Zirkus zurück.
Doch der neue Rennwagen hatte alles, was B.R.M. auch in den nächsten Jahren auszeichnen sollte. Der BRM P25 wurde zu spät fertig, war schwer zu fahren und defektanfällig. Auch nach dem Debüt benötigte das Fahrzeug jede Menge Entwicklungsarbeit. Trotz Piloten wie Mike Hawthorn oder Tony Brooks, die zeitweilig für das Team ins Lenkrad griffen, gewann das Team mit dem orangefarbigen Band an der Nase des Fahrzeugs bis 1958 keinen WM-Punkt.
Meistens lag es an der Bremse
Aus Gewichtsgründen verfügte der P25 an der Hinterachse nur über eine Bremsscheibe, montiert auf der Antriebswelle quer zur Fahrtrichtung. Das führte regelmäßig zum Abkochen der Bremsflüssigkeit und infolgedessen zum Bremsausfall. Der Unfall von Hans Herrmann 1959 auf der AVUS in Berlin ist ein typisches Beispiel für einen Unfall bei B.R.M. Stirling Moss, 1959 ebenfalls zeitweilig Fahrer eines B.R.M., sagte einmal: „Es gibt nichts, was einem mit dem B.R.M. Rennwagen nicht passieren könnte.“
Trotzdem gab Alfred Owen nicht auf und steckte weiter viel Geld ins Team. Und langsam stellten sich erste Erfolge ein. Joakim Bonnier holte 1959 in den Niederlanden den ersten Grand Prix Sieg für das Team. Drei Jahre später wurde Graham Hill für B.R.M. Weltmeister. Doch jetzt machte Alfred Owen Fehler. Den Achtzylinder-V-Motor mit Benzineinspritzung, der Hill zum Titel trieb, verkaufte der Brite an andere Teams.
Expansion in neue Bereiche
Neben der Formel 1 traten die Kunden mit dem Motor oder seinem Ableger – was weitere Entwicklungsarbeit erforderte – auch in der Tasman Serie, Formel 2 oder bei Sportwagen-Rennen (Matra) an. Dazu übernahm B.R.M. den Einsatz der Rover-Gasturbine in Le Mans. Die Vielzahl der Aktivitäten band einen Großteil der Kapazitäten. Das führte dazu, dass das Team in der Formel 1 den Anschluss verlor.
Als der H16-Motor für die 1966 in der Formel 1 eingeführte neue Drei-Liter-Formel floppte, begann endgültig der Abstieg des Teams. Daran änderte auch der kurzfristig nachgeschobene V12 nichts. Denn der war eigentlich für ein Sportwagen-Projekt vorgesehen. Und mit nur zwei Ventilen pro Zylinder in der Formel 1 von Anfang an ebenfalls nicht konkurrenzfähig.
1969 erlitt Alfred Owen einen Herzinfarkt und zog sich aus der operativen Führung zunehmend zurück. Die Führung des Rennteams übertrug der Unternehmer ab 1970 an seine Schwester Jean Stanley und ihren Mann Louis Stanley. Trotzdem blieb Alfred Owen, der auch als F1-Teamchef aus religiösen Gründen sonntags keine Rennen besuchte, der wichtigste Geldgeber des Rennstalls und das Team von ihm abhängig.
Erstaunlicherweise änderte sich dies auch nicht, als Louis Stanley mit Yardley und Marlboro hochkarätige Geldgeber für das Team gewann. Seinen letzten Sieg feierte B.R.M. mit Jean-Pierre Beltoise in Cockpit 1972 in Monaco. Dann konnten selbst Ausnahmekönner wie Niki Lauda und Clay Regazzoni im Cockpit die Erfolgsgeschichte des Teams nicht mehr fortführen.
Alfred Owen stirbt 1975
Spätestens nach dem Tod von Alfred Owen am 29. Oktober 1975 war B.R.M. ein Konkursfall. Bereits 1975 verzichtete das Team auf vier Rennen. 1976 trat das Team nur beim Saisonauftakt in Brasilien an. Doch Ian Ashley, Brite aus Wuppertal, konnte sich nicht fürs Rennen qualifizieren. Trotzdem gelang der Familien 1977 nochmals ein Neustart.
Das ehemalige Weltmeister-Team wurde zur Heimat von Mietfahrern. Wer zahlte, der durfte fahren. Doch das war kein guter Deal. Denn nur Larry Perkins gelang in Brasilien der Sprung ins Starterfeld. Conny Andersson, Guy Edwards und Teddy Pilette waren nicht in der Lage, den BRM 207 für einen Grand Prix zu qualifizieren. 1978 trat BRM nur noch in der britischen F1-Serie an, um schließlich ganz die Türen zu schließen.
1992 griff ein von John Mangoletsi finanziertes Sportwagen-Projekt in der Gruppe C den Motor des P207 zurück. Die Familie Owen gestattete dazu sogar die Nutzung des Namens B.R.M. Denn dieser spielt in der Familie offensichtlich bis heute eine wichtige Rolle. Wer heute die Webseite des Familienunternehmens besucht, findet dort jede Menge Bezüge Geschichte des Teams. Interessanterweise deutlich mehr als zur Person Alfred Owen.
Denn nach dessen Ableben geriet das Unternehmen zunächst in Schwierigkeiten. 1977 verkaufte die Familie die Gabelstaplersparte an Coventry Climax. Vier Jahre später schloss sie das Hauptwerk in Darlaston. Dann fing sich die Firma Rubery Owen langsam. Heute ist das Unternehmen eine Holding. Mit ihr führt die Familie die verbliebenen Unternehmensbereiche und verwaltet das Erbe von Alfred Owen.