Auto-Erinnerungen

Die Geschichte von Alfa Romeo bei der Mille Miglia

Alfa Romeo feiert in diesem Jahr seinen 110. Geburtstag. Die italienische Marke, die seit 1986 zu FIAT gehört, feiert den Geburtstag bei zahlreichen Veranstaltungen des historischen Motorsports. Eine wichtige Rolle spielt dabei die „Mille Miglia Storica“, denn bei der klassischen Mille Miglia gewann niemand häufiger als Alfa Romeo.

Alfa Romeo 6C 1500 Sport Spider Zagato bei der Mille Miglia 1928
Alfa Romeo und die Mille Miglia – Szenen einer langen Ehe – hier sind die späteren Sieger Giuseppe Campari (Fahrer) und Giulio Ramponi im Alfa Romeo 6C 1500 Sport Spider Zagato bei der Ausgabe 1928 unterwegs. (Foto: Alfa Romeo)

Deshalb unterstützt Alfa Romeo die vom 13. bis 16. Mai 2020 geplante Oldtimer-Rallye Mille Miglia als „Automotive Sponsor“. Sofern die „Mille Miglia Storica“ denn stattfinden kann. Denn das ist in den Tagen des Coronavirus alles andere als klar und dieses Virus wütet in Italien besonders heftig. Ein Verbot von Großveranstaltungen gilt als geeignetes Mittel, um Neuinfektionen zu vermeiden. Italien verhängte am Wochenende Ein- und Ausreisesperren für die Lombardei, Venetien und die Emilia-Romagna.

In der Nacht zu Gestern folgte die Stilllegung des ganzen Lands. Die Durchführung der „Mille Miglia Storica“ wäre im zurzeit nicht möglich. Bisher gelten die Regelungen bis zum 3. April. Mal schauen, was danach sein wird. Bleiben wir an der Stelle optimistisch und beschränken uns auf die lange gemeinsame Historie, die Alfa Romeo die Mille Miglia verbindet. Denn Rennwagen aus Mailand spielten bei dem zwischen 1927 und 1957 ausgetragenen Rennen eine wichtige Rolle. Insgesamt gab es 24 Ausgaben des Rennens. Alfa Romeo gewann elf dieser Rennen.

Die Mille Miglia und der Freccia Rosso

Niemand gewann dieses Langstreckenrennen häufiger. Enzo Ferrari, zunächst Werkfahrer und dann Rennleiter des Autobauers aus Mailand, bezeichnete die Mille Miglia als das „schönste Rennen der Welt“. Heute ist vieles aus den Anfangstagen des Motorsports nicht mehr vorstellbar. Rennen finden auf abgesperrten Strecken statt. Das Publikum sitzt dabei in abgesperrten Bereichen. Ein Rennen im öffentlichen Straßenverkehr ist heute unvorstellbar. Doch genau das war die Mille Miglia!

Museo Mille Miglia
Während des Roadtripps #BRZonTour unternahm ich (natürlich) einen Abstecher ins Museo Mille Miglia. Dort ist der „Freccia Rosso“ allgegenwärtig.

Die Strecke führte – von einer Ausnahme 1940 abgesehen – von Brescia nach Rom und zurück. Das sind etwa 1.600 Kilometer oder 1.000 englische Meilen, womit sich der Name des Klassikers erklärt. Den Weg wies den Piloten ein roter Pfeil, der heute legendäre „Freccia Rosso“. Das in der italienischen Motorsportfarbe rot gestaltete Symbol geht auf Graf Franco Mazzotti zurück. Der damalige Präsident des Automobilklubs von Brescia gehörte zu den Gründervätern des Rennens.

Bei der Erstausgabe 1927 benötigen die Sieger etwas mehr als 21 Stunden für die Tour von Brescia auch Rom und zurück. Zum Sieg fährt Ferdinando Minoia. Der Profirennfahrer aus Mailand sitzt in einem OM 665 Superba, der aus der in Brescia beheimaten Officine Meccaniche stammt. Die gilt damals als Anbieter robuster Sportwagen und der Erfolg bei der Mille Miglia unterstreicht diesen Ruf. Schließlich rennen die Fahrzeuge damals noch überwiegend auf unbefestigten Straßen. Insofern beeindruckt das Durchschnittstempo von 77 Kilometern pro Stunde.

1928 gewinnt erstmals ein Alfa Romeo

Werksfahrer Giuseppe Campari steuerte 1928 den Alfa Romeo 6C 1500 Sport zum Sieg. Ein Jahr später siegt der ausgebildete Opernsänger in einem 6C 1750 SS Spider Zagato erneut. Wobei Campari bereits genau drei Stunden schneller im Ziel ist als Debüt-Sieger Ferdinando Minoia. Das zeigt wie die Rennwagen auf der 1.600 Kilometer langen Strecke des Rennens in kurzer Zeit an Tempo zulegten. Schon 1930 knackt Tazio Nuvolari bei seiner Siegfahrt mit seiner Durchschnittsgeschwindigkeit die Marke von 100 Kilometern pro Stunde. Und das Streben nach Tempo geht unermüdlich weiter!

Alfa Romeo 6C 1750 SS Spider Zagato
Giuseppe Campari und Giulio Ramponi, Sieger der Mille Miglia 1928 und 1929 – das Bild zeigt die beiden Italiener mit dem 1929 eingesetzten 6C 1750 SS Spider Zagato (Foto: Alfa Romeo)

Bereits 1932 knackt Baconin Borzacchini im Alfa Romeo 8C 2300 Spider Touring die Marke von 15 Stunden. Vier Jahre später benötigen die Sieger nur noch 13:07 Stunden, um bereits zwei weitere Jahre später die Marke von zwölf Stunden zu unterbieten. Mit Ausnahme von 1931, als Rudolf Caracciola im Mercedes-Benz SSKL siegt, sitzen von 1928 bis 1938 alle Sieger in einem Rennwagen aus Mailand. Ab 1929 verantwortet Enzo Ferrari die Einsätze des Autobauers, der gerade mal wieder kurz vor der Pleite steht. Die Verantwortlichen übertragen daher der Scuderia Ferrari ihre Motorsport-Einsätze, denn die Beauftragung von Ferrari ist günstiger als der Einsatz eines eigenen Werksteams.

Mit dem Tempo steigt das Risiko!

1938 kommt es bei der Durchfahrt von Bologna zu einem schweren Unfall. Ein Lancia Aprilia rast beim Versuch, eine Straßenbahn zu überholen in eine Zuschauergruppe. Zehn Zuschauer, darunter sieben Kinder sterben. Italiens Diktator Benito Mussolini verbietet das Rennen sofort, weshalb es 1939 keine Mille Miglia gibt. Bei der Neuauflage zwei Jahre nach dem Unfall kommt eine deutlich verkürzte Strecke zum Einsatz. Denn 1940 findet das Rennen auf einem „nur“ 167 Kilometer langen Rundkurs zwischen Brescia, Cremona und Mantua statt. Diese Ersatzstrecke gilt es neunmal zu bewältigen.

Mit der neuen Strecke ändert sich der Charakter der Strecke. Denn der Norden Italiens verfügt auch damals bereits über ein vergleichsweise ausgebautes Straßennetz. Die Straßen, die auf römische Heerwege zurückgehen, sind oft schnurgerade. Wohl auch deshalb nennen die Verantwortlichen ihre Neuauflage „I. Gran Premio Brescia delle Mille Miglia“. Es siegt Huschke von Hanstein im BMW 328 Touring-Coupé. Die Fahrzeit von acht Stunden, 54 Minuten und 46,3 Sekunden entspricht einem durchschnittlichen Tempo von 166,7 Kilometern pro Stunde. Auch dies ist ein Rekord für die Ewigkeit, denn nach dem Zweiten Weltkrieg kehrt das Rennen auf seine klassische Strecke zurück.

Bei Neustart 1947 siegt wieder Alfa Romeo!

Wobei es heute fast an ein Wunder grenzt, dass das Rennen nur zwei Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs bereits wieder stattfindet. Denn viele Straßen und besonders Brücken sind immer noch zerstört. Reifen und Benzin sind knapp und teilweise rationiert. Doch das motorsportliche Großereignis gibt den Menschen auch ein Stück Normalität zurück. Zumal auch an der Spitze wieder alles beim Alten ist. Zum Sieg fährt Clemente Biondetti mit einem Alfa Romeo 8C 2900B Berlinetta Touring. Doch ist der letzte Erfolg für den Autobauer aus Mailand.

Biondetti, der das Rennen bereits 1938 gewann, ist in diesen Jahren der schnellste Mann der Szene. Weshalb Enzo Ferrari den erfahrenen Sportwagen-Piloten für sein Team, das inzwischen mit eigenen Fahrzeugen antritt, verpflichtet. Für Ferrari gewinnt Biondetti die Ausgaben 1948 und 1949 des großen Rennens. Damit ist die Wachablösung vollzogen. Statt in Mailand schlägt das herz des Rennens jetzt in Maranello. Denn bis zur letzten Mille Miglia, die 1957 stattfindet, gewinnt Ferrari achtmal. Nur 1954 und 1955 sichern sich Lancia und Mercedes-Benz den Sieg.

Juan Manuel Fangio im Alfa Romeo 6C 2500 Competizione Berlinetta
1950 sitzt Juan Manuel Fangio in einem Alfa Romeo 6C 2500 Competizione Berlinetta. An seiner Seite ist Augusto Zanardi, ein Mechaniker des Werksteams. Das Duo kommt auf Platz drei ins Ziel, denn der Rennwagen hat gegen die neuen Ferrari 195 S Berlinetta Touring keine Chance mehr. Später bei Mercedes verzichtet Fangio bei dem Rennen auf einen Beifahrer. (Foto: Alfa Romeo)

Wobei Stirling Moss und sein Beifahrer Denis Jenkinson zum absoluten Rekord hetzen. Denn sie bewältigten die klassische Rundreise auf der großen Strecke mit ihrem Mercedes-Benz 300 SLR in unfassbaren 10:07:48 Stunden. Das ist eine Zeit, die auf dieser Strecke dank Tempolimits und Verkehrsdichte selbst auf modernen Autobahnen kaum zu erreichen sein dürfte. Doch das Streben nach immer mehr Tempo endet schon bald in der Katastrophe. Am 12. Mai 1957 passiert in Guidizzolo ein Unfall, der zum Ende des Straßenrennens führt.

Denn der Ferrari von Alfonso de Portago fliegt von der Straße und landet in einer Zuschauergruppe. Neben dem Ferrari-Piloten Alfonso de Portago und seinen Beifahrer Edmund Nelson sterben dabei zehn Zuschauer. Unter den Opfern sind auch fünf Kinder. Damit ist das Rennen in Zukunft nicht mehr durchführbar. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die Veranstalter und gegen Team-Chef Enzo Ferrari. Es kränkt Ferrari sehr, dass die Staatsanwaltschaft zeitweise seinen Paß einzieht. Doch nach vier Jahren Ermittlungsarbeit stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein.

Alfa Romeo und Mille Miglia Storica 2020

Seit 1977 führt die Oldtimer-Rallye „Mille Miglia Storica“ die Tradition des klassischen Rennens fort. Damit ist die moderne Ausgabe des Rennes inzwischen selbst eine Traditionsveranstaltung. Zur Ausgabe 2020 rückt FCA Heritage, die Traditionspfleger von Fiat Chrysler Automobiles (FCA), mit vier Rennfahrzeugen von Alfa Romeo aus. Dazu gehören zunächst die Gewinner 6C 1500 Super Sport von 1928 und 6C 1750 Gran Sport von 1929. Für die Nachkriegsjahre stehen ein 2000 Sportiva und 1900 Super Sprint aus den 1950er-Jahren.

Alle vier Rennwagen von FCA Heritage gehören zum Bestand des Werksmuseums Arese bei Mailand. Neben diesen vier Werkswagen nehmen 49 weitere Fahrzeuge mit dem Kleeblatt im Logo von privaten Sammlern die Herausforderung der Oldtimer-Rallye „Storica“ an. Für die Verbundenheit der Marke mit dem Rennen steht auch, dass immerhin 13 der insgesamt 53 Fahrzeuge aus Mailand originale Rennwagen sind, die schon von 1927 und 1957 an einer Ausgabe des Rennens teilnahmen. So viele Fahrzeuge kann keine andere Marke bei der Oldtimer-Rallye an den Start bringen.

Alfa Romeo Erfolge bei der Mille Miglia im Überblick

  • 1928: Giuseppe Campari und Giulio Ramponi – Alfa Romeo 6C 1500 Sport
  • 1929: Giuseppe Campari und Giulio Ramponi – 6C 1750 SS Spider Zagato
  • 1930: Tazio Nuvolari und Giovanni Battista Guidotti – 6C 1750 GS
  • 1932: Baconin Borzacchini und Amedeo Bignami – 8C 2300 Spider Touring
  • 1933: Tazio Nuvolari und Decimo Compagnoni – 8C 2300MM Spider Zagato
  • 1934: Achille Varzi und Amedeo Bignami – 8C 2300 Monza Spider Brianza 2.6
  • 1935: Carlo Maria Pintacuda und Alessandro Della Stufa – 8C 2900B
  • 1936: Antonio Brivio und Carlo Ongaro – 8C 2900A
  • 1937: Carlo Maria Pintacuda und Paride Mambelli – 8C 2900A
  • 1938: Clemente Biondetti und Aldo Stefani – 8C 2900B Spider MM Touring
  • 1947: Clemente Biondetti und Emilio Romano – 8C 2900B Berlinetta Touring

Infos zum Titelbild dieses Beitrags:
Alfa Romeo und die Mille Miglia – Szenen einer langen Ehe - hier sind die späteren Sieger Giuseppe Campari (Fahrer) und Giulio Ramponi im Alfa Romeo 6C 1500 Sport Spider Zagato bei der Ausgabe 1928 unterwegs. (Foto: Alfa Romeo)

Foto: Alfa Romeo

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Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!