Auto-Erinnerungen

Alfasud Sprint 6C – Wie sich Autodelta die Gruppe B vorstellte!

Mit dem Alfasud Sprint 6C wollte Alfa Romeo in die Rallye WM einsteigen.

Als die FISA zum 1.1.1982 neue Fahrzeugklassen einführte, beschäftigte sich auch Alfa Romeo mit den neuen Regeln. Für die Gruppe B entstand bei der Motorsport-Tochter Autodelta ein Prototyp auf Basis des Alfa Romeo Alfasud Sprint. Jetzt zeigte Alfa Romeo den Alfasud Sprint 6C auf der Milano AutoClassica in Mailand der Öffentlichkeit.

Alfa Romeo Sprint 6C auf dem Stand von Alfa Romeo Milano AutoClassica in Mailand
Alfa Romeo Sprint 6C auf dem Stand von Alfa Romeo Milano AutoClassica in Mailand. Dort zeigte Alfa Romeo nicht die Version, die 1982 auf den Pressefotos war. Denn die hatte zwei Außenspiegel und eine andere Abdeckung der Heckklappe. (Foto: Stellantis | Alfa Romeo)

Motorsport spielte für Alfa Romeo immer eine wichtige Rolle. Vor dem Zweiten Weltkrieg eilten die Modelle 6C und 8C von Erfolg zu Erfolg. In den 1950er-Jahren dominierte der Autobauer zeitweise die Automobil-Weltmeisterschaft. Doch die Kassenlage bei Alfa Romeo war immer angespannt. Daher zogen sich die Mailänder bereits Ende 1951 wieder aus der Formel 1 zurück. Erst in den 1970er-Jahren kehrte Alfa Romeo – zunächst nur mit seinen Motoren – in die Königsklasse zurück. Doch die erwarteten Erfolge stellten sich noch trotz einer Partnerschaft mit Brabham nicht ein. Um die Leistungsfähigkeit seines Motors zu unterstreichen, feierten Alfa Romeo und Autodelta 1979 auch ein Comeback als Chassis-Hersteller.

Autodelta war Carlo Chiti

Zwischen den beiden Episoden in der Königsklasse des Motorsports trat Alfa Romeo bei den Tourenwagen und Sportwagen an. In den 1960er-Jahren kämpfte Alfa Romeo gegen BMW, Mercedes und Jaguar im Europapokal der Tourenwagen um Siege und Meisterschaften. Mit der Giulia TZ entstand bei Autodelta ein Coupé, das heute als einer der schönsten Rennwagen aller Zeiten gilt. Auch der Werksrennwagen Tipo 33 sowie dessen Straßenversion Alfa Romeo 33 Stradale gelten heute als legendär. 1975 gewann Alfa Romeo mit dem Tipo 33TT12 die Marken-Weltmeisterschaft. Wobei dabei das Willi Kauhsen Racing Team die Einsätze übernahm und Autodelta „nur“ die Rennwagen bereitstellte.

Pressefoto von 1982
1982 verschickte Alfa Romeo zum Alfa Romeo Sprint 6C dieses Pressefoto. Es entstand wohl in Monza. (Foto: Stellantis | Alfa Romeo)

Schon ab 1963 spielte bei den Sporteinsätzen von Alfa Romeo Carlo Chiti eine wichtige Rolle. Denn nach dem Abschied bei Ferrari und einem Intermezzo bei A.T.S. gründete der Ingenieur zusammen mit dem Alfa-Händler Lodovico Chizzola Autodelta als Rennsportunternehmen. 1966 wurde Autodelta eine Tochter von Alfa Romeo und übernahm die Rolle der offiziellen Sportabteilung des Autobauers. In dieser Rolle beschäftigte sich Autodelta Anfang der 1980er-Jahre natürlich auch mit den neuen Regeln. Die Gruppe A war für Tourenwagen vorgesehen. Hier war der Autobauer mit dem Alfa Romeo GTV immer noch gut aufgestellt. Doch für den seit Einführung der Fahrer-WM aufblühenden Rallye-Sport fehlte Alfa Romeo das passende Sportgerät.

Der Alfasud Sprint 6C war die Antwort auf die Frage, wie Alfa Romeo im Rallye-Sport antreten kann!

Daher begann Autodelta mit Gedankenspielen, wie sich Alfa Romeo in der Gruppe B aufstellen könnte. Dabei entstanden zwei Prototypen. Einer davon stand als Alfasud Sprint 6C schon Ende September 1982 auf dem Salon de l’Automobile in Paris. Das zweisitzige Sportcoupé basiert auf dem Alfa Romeo Alfasud Sprint. In diesem Coupé des Alfasud war 1982 die Spitzenmotorisierung ein 1,5 Liter großer Boxermotor mit 94 PS Leistung. Der trieb wie beim Alfasud auch im Sprint die Vorderräder an. Weder der Motor noch die Antriebsachse schienen für einen Sportwagen, der in der Rallye-WM für Furore sorgen soll, geeignet.

Heckansicht des Alfa Romeo Sprint 6C von 1982
Die Heckansicht des Alfa Romeo Sprint 6C von 1982 machte einen seriennahen Eindruck. Der 158 PS starke V6 saß direkt vor der Hinterachse. (Foto: Stellantis | Alfa Romeo)

Deshalb konstruierte Autodelta – auf Grundlage des Sprint – einen Mittelmotorsportwagen. Vor der Hinterachse des Prototypen sitzen der bekannte V6 aus dem Alfa Romeo GTV6 und ein ZF-Getriebe. Damit erinnert der Prototyp von Autodelta an den Lancia Rally 037, der bereits im April 1982 auf dem Turiner Autosalon stand. Damals war Alfa Romeo noch im Besitz der italienischen Staatsholding Istituto per la Ricostruzione Industriale (IRI). Lancia-Mutter FIAT kaufte Alfa Romeo erst gut vier Jahre später. Insofern war die Ähnlichkeit zwischen Lancia Rally 037 und Alfasud Sprint 6C nicht das Ergebnis einer geordneten Zusammenarbeit. Es war wohl eher ein asiatischer Ansatz, in dem die Kopie die größte Form der Verneigung darstellt.

Der Alfasud Sprint 6C hätte eine gute Figur abgegeben – oder nicht?

Auch die Karosserie des Sprint überarbeitete Autodelta. Das Serienmodell des Coupés rollte auf 13 Zoll großen Felgen und 165er-Reifen. Um den Mittelmotorsportwagen auf Reifen im Format 205/50VR15 stellen zu können, verbreiterte Autodelta die Kotflügel. Ähnlich wurde aus dem Audi Coupé B2 optisch der Audi Quattro. Um den Alfasud Sprint 6C zusätzlich optisch klar vom normalen Sprint abzugrenzen, änderte Autodelta zudem noch Stoßstangen und Heckklappe. Dazu spendierte Autodelta dem Prototypen einen Bürzel als Heckspoiler. Im Innenraum entstand ein Mix aus GTV und Sprint – interessanterweise unterscheiden sich hier beide bekannten Prototypen!

Der zweite Prototyp des Alfa Romeo Sprint 6C unterschied sich nach der B-Säule deutlich vom zweiten Exemplar.
Der zweite Prototyp des Alfa Romeo Sprint 6C unterschied sich nach der B-Säule deutlich vom zweiten Exemplar. Neben dem Unterschied bei der Heckabdeckung fällt auch die andere Führung der Auspuffanlage sofort ins Auge. Gut möglich, dass Autodelta diese Version als Evolutionversion plante. (Foto: Stellantis | Alfa Romeo)

Ich bin sicher, dieser Sportwagen hatte das Zeug, um als Alfasud Sprint 6C Stradale Sportfahrern zu gefallen. Doch für eine Homologation hätten innerhalb von zwölf Monaten 200 Exemplare entstehen müssen. Der Verkauf dieser Fahrzeuge war in den 1980er-Jahren kein Selbstgänger. Heute heißt es, dass der letzte Lancia Rally 037 erst 1989 einen Kunden fand. Auch Audi fiel der Absatz des Audi Sport Quattro – trotz zunächst euphorischer Publikums-Reaktionen – schwer. Die Serienmodelle von Ford RS200, MG Metro 6R4 oder Citroën BX 4TC waren ebenfalls Ladenhüter. Nur den Ferrari 288 GTO und den Porsche 959 rissen die Kunden ihren Herstellern trotz hoher Preise aus den Händen.

Am Ende entschied sich Alfa Romeo gegen den Alfasud Sprint 6C!

Zwei Versionen des 990 Kilogramm leichten Alfasud Sprint 6C entstanden. Sie unterscheiden sich sowohl äußerlich als auch im Innenraum. Heute ist nicht ganz klar, was Autodelta damit erreichen wollte. Vermutlich stellten sie irgendwann dem Vorstand von Alfa Romeo beide Versionen vor. „Wollen Sie Version A oder Version B?“ – ein alter Trick, um mit Entscheidungsträgern nicht über das Ob, sondern nur über das Wie zu diskutieren. Carlo Chiti galt als Meister dieser Praxis. Alternativ denkbar ist, dass der zweite Prototyp bereist die Evolutionsversion des Alfasud Sprint 6C war. Die geänderte Auspuffanlage sowie die im Heckflügel platzierten Kühler lassen auch diesen Schluß zu. Doch ohne Allradantrieb waren die Erfolgsaussichten des Alfasud Sprint 6C klein. Motorsport war Anfang der 1980er kein Selbstzweck mehr.

Innenraum des Alfa Romeo Sprint 6C
Der Innenraum des Alfa Romeo Sprint 6C hätte gut zu einem Serienmodell gepaßt. Allenfalls der Schalthebel wirkte eher „günstig“. (Foto: Stellantis | Alfa Romeo)

Vermutlich war der Geschäftsführung klar, dass Erfolg in der Rallye-WM ein Allradantrieb notwendig war. Denn dort waren 1982 die Tage der Hecktriebler praktisch bereits vorbei. Auch der Lancia Rally war letztlich nur ein Zwischenmodell, dessen Nachfolger Lancia Delta S4 alle vier Räder antrieb. Insofern hatte Autodelta schlechte Karten, das Projekt Sprint 6C tatsächlich durchzusetzen. Denn Alfa Romeo und Autodelta hatten im September 1982 nur zwei Prototypen. Für einem Start in der Rallye-WM fehlten also noch mindestens 198 weitere Fahrzeuge. Mit einem Kraftakt hätte Alfa Romeo vielleicht Anfang 1984 die Voraussetzungen erfüllt, um in der Rallye-WM starten zu dürfen. Doch Alfa Romeo schrieb in diesen Jahren tiefrote Zahlen.

Was verhinderte den Alfasud Sprint 6C?

Ein Rallye-Projekt mit dem Alfasud Sprint 6C war nicht zu finanzieren. Auch in der Formel 1-Weltmeisterschaft mehrten sich 1982 die Gerüchte, dass sich Alfa Romeo zurückziehen könne. Denn das Werksteam Autodelta fuhr in der Königsklasse den eigenen Erwartungen konstant hinterher. Um die Kosten zu reduzieren, übergab der Autobauer im Dezember 1982 seinen Startplatz in der Königsklasse an Euroracing. Das Team von Gianpaolo Pavanello gewann zuvor mit Motoren von Alfa Romeo zweimal die Formel 3-Europameisterschaft. Den ersten Titel des Teams sicherte 1980 Michele Alboreto, der einen March Alfa Romeo steuerte. Zwei Jahre später gewann Oscar Larrauri den Titel mit einem von Euroracing selbstgebauten Formel 3-Rennwagen.

Heckflügel des Alfa Romeo Sprint 6C
Auch die Unterbringung der Kühler im Heckflügel des Alfa Romeo Sprint 6C, die dem ursprünglich präsentierten Prototypen fehlte, spricht für die Idee des Evolutionsmodells. (Foto: Stellantis | Alfa Romeo)

Parallel zur Einbindung von Euroracing schloss Alfa Romeo seine Motorsportabteilung Autodelta. Carlo Chiti degradierte dieser Schritt zum Leiter der Motorenabteilung. Hier entstanden fortan nur noch die F1-Motoren für Euroracing. Carlo Chiti unterstützte Osella zudem mit Motoren und Material aus dem Bestand des ehemaligen Werksteams. Das gefiel der Geschäftsleitung nicht, sie band den ehemaligen Lancia-Ingenieur Gianni Tonti als Chef in die Motorenabteilung ein. Darüber kam es im Oktober 1984 zur Trennung von Chiti und Alfa Romeo. Mit dem Reduzieren von Autodelta zu einer Motorenabteilung fehlten Alfa Romeo die Voraussetzungen, um den Alfasud Sprint 6C zu realisieren. Dessen ideellen Nachfolger, das Alfa Romeo 164 Pro-Car baute MRD in Großbritannien. Trotzdem entstanden mit dem „Giocattolo Group B“ in Australien ein Auto, das die Idee des Alfasud Sprint 6C aufnahm. Denn Giocattolo baute ab 1986 auf Grundlage des Alfasud Sprint tatsächlich einen Mittelmotorsportler. Allerdings rüstete Giocattolo seinen Sportwagen aus Kostengründen bald mit einem V8 von Holden aus.


Infos zum Titelbild dieses Beitrags:
Alfa Romeo Sprint 6C auf dem Stand von Alfa Romeo Milano AutoClassica in Mailand

Foto: Stellantis | Alfa Romeo

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Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!

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