Auto-Erinnerungen

Ferry F750 – der sportliche Renault 4CV von Pierre Ferry

Ferry 4 CV Sport Barquette – wie viele Exemplare baute Pierre Ferry?

Es war Sonntagmorgen und ich nutzte die Zeit, um nochmal über die Techno Classica 2022 zu schlendern. Und plötzlich stand ich vor einem Ferry F750, den ich bisher nur aus einem Online-Artikel kannte. Der kleine Sportwagen von Pierre Ferry basiert auf dem Renault 4CV, den wir in Deutschland gern als „Cremeschnittchen“ bezeichnen. Bisher hieß es, dass die Ferry 4 CV Sport Barquette ein Einzelstück sei. Und wurde es spannend, denn dieser Ferry sah völlig anders aus als das bisher bekannte Exemplar.

Ferry F750 auf der Techno Classica 2022 in Essen
Ferry F750 auf der Techno Classica 2022 in Essen. Die Startnummer 70 teilte der ACO dem Rennwagen 1955 zu. Doch zu einem Start kam es nicht. Denn der Ferry F750 stand nur auf der Liste der Reservestarter.

Bei den Stichwörtern „Sportwagen“ und „Renault 4CV“ denkt die Mehrzahl sofort an den 4CV Rédélé Spezial und natürlich die Alpine A106. Tatsächlich war der Volkswagen aus Frankreich bei Karosseriebauern eine beliebte Grundlage für Eigenkreationen. Kenner kommen auf circa 40 Autos, die auf dem 1946 präsentierten Renault basieren. Doch selbst unter dieser stattlichen Anzahl gibt es welche, die besonders selten sind.

Der Ferry 750 gehört sicher zu den Seltenen, galt dieser Sportwagen bisher sogar als Einzelstück. Doch das bisher bekannte Exemplar verfügt über eine silber-blaue Metallic-Lackierung. Der jetzt in Essen gezeigte Sportwagen trug das typische blau französischer Rennwagen. Zudem sah der Bolide durchaus danach aus, als ob er irgendwo 70 Jahre im jetzt gezeigten Outfit überstanden haben könnte. Auch wenn ich es natürlich nicht ausschließen kann, aber ich denke, dass das zwei unterschiedliche Fahrzeuge sind.

Anders als bei vielen anderen Artikeln in meinem Blog muss ich an dieser Stelle aber wage bleiben. Denn der Stand des Händlers war am Sonntag bei meinen Besuchen dort nicht besetzt. Auch auf eine E-Mail antwortete der Händler bisher leider (noch) nicht. Komisch auch, dass die Webseite des Händlers schon länger nicht erreichbar ist. Denn der Händler, dessen Name an dem Messestand stand, fiel mir bereits kürzlich bei einer anderen Recherche auf. Es ist ja immer so eine Sache mit den modernen Medien 😉

Was wissen wir über den Ferry F750 beziehungsweise Ferry 4 CV Sport Barquette?

Fangen wir mal mit dem Erbauer an. Schon der ist durchaus spannend. Denn den Wagen baute der 1911 geborene Pierre Ferry. Von dem Franzosen ist bekannt, dass er bereits mit 14 Jahren das Auto der Familie reparierte. Was auf eine eher großbürgerliche Herkunft schließen lässt. Denn 1925 waren Autos überwiegend noch das Spielzeug der Reichen und Schönen. Mit 20 Jahren lernte Ferry das Fliegen. Später studierte Ferry in Paris an der Conservatoire National des Arts et Métiers sowie der Sorbonne.

Ferry F750
Der Ferry F750 verfügt über eine Karosserie aus Aluminium. Wir meinen, chicer geht Renault 4CV nicht!

Bereits in den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg fuhr Ferry mit Autos von Bugatti und Riley Rennen. 1938 lag Ferry mit seinem Riley Sprite TT bei den 24 Stunden von Le Mans zeitweise in Führung, fiel jedoch vor Rennende aus. Nach dem Krieg setzte der Franzose seine Motorsport-Karriere nahtlos fort. 1950 ging Pierre Ferry zusammen mit Georges Claude bei den 24 Stunden von Le Mans an den Start. Einsatzgerät war ein schlicht „Ferry“ bezeichneter Rennwagen. Bereits diesen offenen Sportwagen trieb der wassergekühlte Vierzylinder aus dem Renault 4CV an. 86 Runden legte das Duo zurück und fiel dann aus.

Pierre Ferry schickte seine Rennwagen nach Le Mans, zur Mille Miglia und zu vielen lokalen französischen Rennen!

In den nächsten Jahren war die „Société Pierre Ferry“ fester Bestandteil der französischen Rennszene. Wobei jetzt nicht nur der Teambesitzer im Cockpit saß. Auch Piloten wie „Hugonnet“, Jacques Blaché oder Jean-Pierre Profichet traten für das Team an. Nennungen finden sich vor allem bei den Rennen im Autodrome de Linas-Montlhéry. Die Rennwagen von Ferry traten beim Coupes de Vitesse, dem Bol d’Or oder dem Coupe d’Automne auf der Strecke im Südwesten der französischen Hauptstadt an. In den alten Ergebnislisten heißt das Fahrzeug jetzt Ferry F750 und ab 1954 handelte es sich wohl um den jetzt in Essen gezeigten Rennwagen.

Ab 1955 tauchen auch Ferry 904 Speciale in den Ergebnislisten von Rennen auf. Jean Rédélé bot einen vom Tuner Marc Mignotet bearbeiteten 4-CV-Motor mit einem Hubraum von 904 cm³ in der Alpine A106 an. Gut möglich, dass so ein Motor auch zur „Société Pierre Ferry“ wanderte. Andere Quelle sagen, dass Pierre Ferry selbst 904 cm³ große 4CV-Motoren vorbereitete. „Hugonnet“ fuhr auf dem Circuit des Remparts in Angouleme 1955 mit einem Ferry 904 Speciale auf den zweiten Platz. Hier gibt es eine Spur zur Stückzahl. Denn neben dem 904 von „Hugonnet“ nahm auch ein Ferry F750 am gleichen Rennen teil. Zudem taucht hier sogar ein zweiter 904 in der Nennliste auf.

Heckansicht des Ferry F750
Die Stromlinienform beeindruckt auch nach ist 70 Jahren noch.

Auch in Le Mans versuchte sich die „Société Pierre Ferry“ 1955 erneut. Der Veranstalter akzeptierte die Nennung jedoch nur als Reserve-Nennung. So kam es nicht einem erneuten Start beim großen französischen Rennen. Ebenfalls 1955 wollte Pierre Ferry selbst mit seinem Sportwagen die Mille Miglia fahren. Doch letztlich kam es auch in Italien nicht zum Start. Erst ein Jahr später ging Jacques Blaché mit dem Ferry F750 bei der Mille Migila an den Start, fiel jedoch früh aus.

1956 war das beste Jahr für die „Société Pierre Ferry“

Denn bei den 12 Stunden von Reims sowie einem Sportwagen-Rennen im Rahmen des Grand Prix von Les Sables d’Olonne – ein F2-Rennen in der Küstenstadt – fuhren Ferry F750 jeweils auf dritte Plätze. Beim Coupe d’Automne 1956 in Linas-Montlhéry sprang sogar ein Sieg heraus. Anschließend zog sich Pierre Ferry aus dem Rennsport zurück. Einen seiner Sportwagen verkaufte der Franzose an John Green, der in Kalifornien mit Autos von Renault handelte. Das eröffnete dem kleinen Sportwagen eine zweite Karriere in Nordamerika.

Cockpit des Ferry F750
Der Ferry F750 ist rechtsgelenkt. Das ist auf der Mehrzahl der Rennstrecken ein Vorteil.

Denn ab 1957 finden sich in den Ergebnislisten regionaler Rennen des SCCA regelmäßig Hinweise auf den Ferry F750. Bis Mitte der 1960er-Jahre trat der kleine französische Sportwagen immer wieder bei Rennen in Phoenix, Palm Springs, Santa Barbara und Riverside an. Parallel dazu fuhr jedoch auch 1960 Pierre Massenez einen Ferry F750 bei einem Sportwagen-Rennen in Linas-Montlhéry. Auch das ist ein Indiz, dass Pierre Ferry doch mehr als einen seiner wunderschönen Ferry 4 CV Sport Barquette baute.

Insofern bleibt die Frage, welches Auto fuhr wo?

Das ist gar nicht so einfach zu beantworten. Ich konnte für diesen Artikel in einigen Ergebnislisten stöbern und denke inzwischen folgendes:

  • Es gab mindestens zwei Ferry 4 CV Sport Barquette.
  • Der silbern-blaue F750, den Goodwood in einem Artikel würdigte, ist das 1956/57 in die USA verkaufte Exemplar. Bei Flickr gibt es zwei schöne Bilder von diesem Ferry F750.
  • Das in Essen gezeigte blaue Exemplar des F750 ist diesem Fahrzeug sehr ähnlich. Es wurde von der Société Pierre Ferry wohl für die 24 Stunden von Le Mans 1955 aufgebaut.
  • Es ist nicht nachvollziehbar, welches dieser Autos bei der Mille Migila fuhr und 1956 für die Ferry-Erfolge bei französischen Sportwagen-Rennen verantwortlich war.
  • Je nach genutztem Motor traten die beiden Fahrzeuge als F750 oder 904 Speciale an.

Leider muss ich an dem einen oder anderen Punkt etwas weniger konkret als üblich bleiben. Aber es gibt einfach nur wenig Literatur zum Thema Pierre Ferry. Doch das macht die Sache ja so spannend und deshalb verfolge ich das Thema sicher auch weiter. Gesichert ist, dass Pierre Ferry bis in die 1970er-Jahre als Tuner tätig war. Einige erfolgreich im französischen Motorsport eingesetzte Renault Dauphine trieben von Pierre Ferry vorbereitete Motoren an.

Seitenansicht des Ferry F750
Seitenansicht des Ferry F750

Losgelöst davon werde ich versuchen Luc Ferry, den Sohn Pierre Ferry zu kontaktieren. Ferry Junior ist in Frankreich ein bekannter Philosoph und war von 2002 bis 2004 unter Premierminister Jean-Pierre Raffarin zeitweise Bildungsminister. Mal gucken, wie ich an seine E-Mail-Adresse komme und dann sehen wir weiter.


Infos zum Titelbild dieses Beitrags:
Ferry F750 auf der Techno Classica 2022 in Essen

Foto: Tom Schwede

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Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!

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