Rennsport-Geschichten

Lancia Stratos: Wie aus der Studie Stratos Zero der Stratos HF wurde

Vor dem Lancia Stratos HF stand die Studie Lancia Stratos Zero, präsentiert 1970 auf dem Autosalon in Turin. Wie wurde aus der Studie eigentlich die Fahrmaschine, die Lancia schließlich dreimal zur Rallye-Weltmeisterschaft verhalf?

Wer die Studie Lancia Stratos Zero heute sieht, der denkt nicht sofort an ein Sportgerät für Rallye-Pisten. Denn die Studie würde besser in einen James-Bond-Film oder Science-Fiction-Film passen. Auto-Kenner wundern sich zudem vielleicht auch über das Bertone-Zeichen an der Flanke des Fahrzeugs. Denn als Hausdesigner von Lancia galt eigentlich Pininfarina. Das Designstudio aus Cambiano kleidete traditionell die Fahrzeuge des Turiner Autobauers ein. Bei Pininfarina entstanden Schönheiten wie das Einzelstück Lancia Florida und die davon abgeleitete Baureihe Lancia Flaminia. Sie definierten mit ihrer Trapezform das Autodesign zu ihrer Zeit völlig neu.

Die Studie war der erste Streich …

Deshalb überraschte es 1970 tatsächlich, als Giuseppe „Nuccio“ Bertone bei der Technik des Stratos Zero auf Technik von Lancia zurückgriff. Altmeister Bertone kaufte dafür einen gebrauchten Lancia Fulvia, skizzierte seine Idee und Marcello Gandini löste (wie immer) die Details. Bertone und Gandini war klar, dass sich bei Lancia nach der kurz zuvor erfolgten Übernahme durch Fiat etwas verändern wird. Zuvor war der Autobauer ein „Spielzeug“ des Zementherstellers Carlo Pesenti. Autos und Lkw von Lancia galten als technisch anspruchsvoll und extrem teuer.

Studie Lancia Stratos Zero
Zunächst präsentierte Bertone 1970 die Studie Lancia Stratos Zero (links). Ein Jahr später folgte das Serienmodell Lancia Stratos HF. (Foto: BMW Classic Group / Concorso d’Eleganza Villa d’Este)

Damit sprach Lancia vor allem Prominente und Großbürger an. Doch das war im Italien der Nachkriegsjahre eine vergleichsweise kleine Zielgruppe. Lancia schrieb konstant Verluste und häufte über die Jahre einen gewaltigen Schuldenberg an. Die Übernahme durch Fiat ermöglichte den Neustart. Fiat richtete Lancia völlig neu aus, reduzierte die Preise und betonte die Sportlichkeit der Marke. Zielkunden waren jetzt die sogenannten „sportlichen Selbstfahrer“. Damit warb Lancia um Kunden Kunden, die sonst Autos von Alfa Romeo, zu der Zeit noch selbstständig, oder BMW kauften.

Kein Wunder, dass BMW zeitweise auch Interesse an Lancia zeigte, um das Erstarken eines Wettbewerbers zu verhindern. Schon unter der Regie von Carlo Pesenti leistete Lancia sich ein Rallye-Programm mit dem Lancia Fulvia HF Coupé. Pat Moss, Schwester des Formel-1-Piloten Stirling Moss, griff ab 1968 als Werksfahrerin für Lancia ins Lenkrad. Der Schwede Harry Källström holte ein Jahr später für Lancia den Titel des Rallye-Europameisters. Doch die Zeit der Fulvia neigte sich dem Ende zu. Die Alpine A110 und der Ford Escort verdrängten das kleine Coupe bei Rallyes zunehmend auf die Plätze.

Das Bessere ist der Feind des Guten. Das Problem verschärfte sich als auch Piloten mit BMW 2002 oder Porsche 911 den Lancia-Teams immer häufiger zeigten, wo der Barthel den Most holt. Lancia benötigt ein neues Sportgerät, um im Geschäft zu bleiben. Denn auch der Rallye-Sport veränderte sich gerade. Mit der Aufnahme der Safari Rallye in den Kalender wird die Europameisterschaft zur Internationalen Rallye Meisterschaft für Marken. Die Sportkommission CSI der FIA diskutiert über ein WM-Prädikat, das sie schließlich 1973 einführt.

… der Zweite folgt sogleich!

Als Ergänzung zur Studie Stratos Zero skizziert Gandini auch einen kleinen keilförmigen Sportwagen. Fiat und Lancia zeigen sofort Interesse. Aus dem Lancia Stratos Zero wird der Lancia Stratos HF. Wobei die Verbindung zwischen der Studie und dem Sportwagen am Ende nur der Name Stratos ist. Technisch haben beide nichts gemeinsam. Die Lancia-Sportabteilung unter der Leitung von Lancia-Sportchef Cesare Fiorio übernimmt die Entwicklung. Es ist von Anfang an klar, dass das neue Fahrzeug mehr Leistung benötigt. Der Fulvia-V4-Motor mit seinem engen Zylinderwinkel von 11° 20′ verfügt nur über 1,6 Liter Hubraum.

Mehr Hubraum hatte die Alpine A110 zu dieser Zeit zwar auch nicht, aber Renault entlockte seinem Triebwerk einfach mehr Leistung. Doch die Übernahme durch Fiat eröffnet Lancia beim Antrieb neue Möglichkeiten. Denn Fiat hat Zugriff auf den V6 aus dem Ferrari Dino. Dahinter stand eine italienische sehr Lösung, die Ferrari den Einsatz des Triebwerks in der Formel 2 ermöglicht. Denn dort muss der Motor seit 1967 aus einem in zwölf Monaten mindestens 500-mal gebauten Serienfahrzeug stammen. Für den Kleinserienhersteller Ferrari liegt diese Hürde zu hoch.

Lancia Stratos HF
Auf die Studie Lancia Stratos Zero folgte das Serienmodell Das Serienmodell Lancia Stratos HF. (Foto: FCA – Fiat Chrysler Auto)

Fiat hilft und entwirft das Fiat Dino Coupé und den Fiat Dino Spider. Mit diesen Modellen überspringt der V6-Motor von Ferrari die Homologationshürde. Jetzt bekommt auch Lancia den Ferrari-Motor. Denn Lancia gehört ja inzwischen zur Familie, da ist Hilfe selbstverständlich. Enzo Ferrari kann mit dem Deal ebenfalls gut leben, denn jeder gebaute Motor lässt auch in Maranello die Kasse klingeln. Ein gutes Jahr nach der Premiere der Studie Stratos Zero stellt Lancia das Serienmodell Lancia Stratos HF vor!

Die Form des Lancia Stratos HF bleibt extrem – der Einfluss der Sportabteilung ist unübersehbar!

Die Formgebung des Serienmodells Lancia Stratos HF ist extrem. Das Serienmodell ist ein ausgesprochen kompaktes Fahrzeug. Der Sportler ist nur 3,67 Meter lang und 1,70 Meter breit. Mit einer Höhe von 1,08 Metern ist der Lancia Stratos HF jedoch nicht ganz so flach wie die Studie Stratos Zero. Im Unterschied zur Studie sitzen die Insassen im Sportler etwas weiter hinten. Zudem gibt es zwei normale Türen. Um Reparaturen zu erleichtern, lassen sich die Front- und die Heckpartie komplett aufklappen.

Beide Hauben bestehen aus glasfaserverstärktem Kunststoff, während die restliche Karosserie aus Stahl besteht. Den V6 von Ferrari installieren die Techniker quer zur Fahrrichtung. Bei der Studie saß der V4 von Lancia noch längs zur Fahrrichtung. 190 PS leistet das 2,4-Liter große Ferrari-Aggregat bei 7.000 Umdrehungen pro Minute im Serienmodell. So steht es in den Unterlagen, die Lancia schließlich 1974 im Rahmen des Homologationsverfahrens bei der FIA einreicht.

Andere Quellen sprechen dem Lancia Stratos HF weitere Pferdestärken zu!

Das rührt wohl daher, dass Lancia für den Sporteinsatz später geänderte Zylinderköpfe homologierte. Dazu reichte in den 1970er-Jahren noch das Angebot von Umbau-Paketen aus. Zielgruppe dieser Kits waren Motorsportler. Von den Kunden der Straßenfahrzeug entschieden sich nur wenige für eine Nachrüstung. Mit den zusätzlichen Pferdestärken stieg die Höchstgeschwindigkeit deutlich an. Die mit dem optimierten Zylinderkopf möglichen 248 Kilometern pro Stunde stehen heute noch in vielen Berichten über den Lancia Stratos HF.

Lancia selbst war 1974 deutlich zurückhaltender und nannte in den Papieren zur Homologation stattdessen einen Wert von 230 Kilometern pro Stunde. Die Zulassung zum Motorsport erfolgte übrigens erst am 2. Oktober 1974, also fast drei Jahre nach der Vorstellung des Serienmodells. Denn der geplante Start im Rallye-Sport gelang nicht auf Anhieb. Das Fahrverhalten des Lancia Stratos HF überzeugte die Verantwortlichen zunächst überhaupt nicht. Die Entwicklung verzögert sich. Es ist schließlich ein Neuzugang, der dem Stratos schließlich das Laufen beibringt.


Lesen Sie im nächsten Teil, was der Wunderwaffe zum Erfolg verhilft.


Infos zum Titelbild dieses Beitrags:
Zunächst präsentierte Bertone 1970 die Studie Lancia Stratos Zero (links). Ein Jahr später folgte das Serienmodell Lancia Stratos HF. (Foto: BMW Classic Group / Concorso d’Eleganza Villa d’Este)

Foto: BMW Classic Group / Concorso d’Eleganza Villa d’Este

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Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!

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