Auto-Erinnerungen

Lancia Fulvia Concept von 2003 – Studien, die nie in Serie gingen

Wie Fiat die Chance zur Wiederauferstehung von Lancia verpasste.

2003 auf der IAA in Frankfurt stand die aufregende Studie Lancia Fulvia Concept. Sie bezog sich auf das von 1965 bis 1976 angebotene Coupé der Fulvia-Baureihe des italienischen Autobauers Lancia. In Serie ging das in Frankfurt präsentierte bildschöne Coupé leider nie. Lancia-Mutter FIAT ließ die Gelegenheit, die Marke Lancia zu neuer Größe zu führen, notgedrungen verstreichen.

Lancia Fulvia Concept von 2003
Auf der IAA 2003 in Frankfurt präsentierte Lancia die Studie Lancia Fulvia Concept. Die Neuauflage des legendäre Fulvia Coupé hätte eine Chance in der Serie verdient. Doch FIAT fehlte das Geld, um die Studie zur Serienreife zu entwicklen. (Foto: Christian Rath)

2003 waren die Messehallen der IAA in Frankfurt noch gut gefüllt. Anders als bei den letzten Ausgaben der IAA am Main strömte das Publikum damals reichlich in die hessische Metropole, um Serienautos und Studien zu bestaunen. Am Stand von Lancia standen damals zwei Autos. Neben dem 2003 neu vorgestellten Lancia Ypsilon drehte sich die Studie eines Lancia Fulvia Coupé auf einem Präsentierteller. Wer die fast 20 Jahre alten Fotos heute sieht, der erkennt, dass das eine andere Zeit war. Denn neben den Autos standen wie selbstverständlich überall junge Frauen. Autos und Models waren in den Augen der damaligen Marketingverantwortlichen wohl eine untrennbare Einheit.

Worauf bezog sich die Studie Lancia Fulvia Concept?

Dabei wäre das Lancia Fulvia Concept genannte Coupé auch ohne weibliche Begleitung schon ein echter Blickfang gewesen. Denn die von Flavio Manzoni im „Centro Stile Lancia“ gestaltete Alukarosserie zitierte unverkennbar das legendäre Fulvia Coupé und übertrug ihre Gestaltung in die Moderne. Das vorbildliche Meisterwerk des großen Pietro Castagnero debütierte im März 1969 auf dem Turiner Autosalon. Mit nur 960 Kilogramm Gewicht war das Coupé dank seines 80 PS starken 1,2 Liter-Motors bis zu 160 Kilometer pro Stunde schnell.

Dank der später präsentierten und nochmal deutlich leichteren „HF“ und „S Rallye“ Modelle stieg die Fulvia bald zum Star der Rallye-Szene auf. Legendär die schwarzen Motorhauben, die Lancia bei den Rallyes in Afrika einsetzte, um die Blendung der Insassen zu reduzieren. Sie wurden bald zum Zeichen von Sportfahrern in aller Welt. Faszinierend war das Lancia Fulvia Coupé 1.6 HF mit einem in der Serie 114 PS kräftigen V4-Motor. Mit einem Zylinderwinkel von nur 11°20′ nahm Lancia hier etwas vorweg, was Volkswagen später als „VR“ verkaufte. Sportfahrer orderten bei Lancia die „Variante 1016“ des 1.6 HF, die sogar über 132 PS verfügte und bis zu 190 km/h schnell war.

Seitenansicht Lancia Fulvia Concept von 2003
Von der Seite erinnert die Studie oberhalb der Hüftlinie etwas an den SLK von Mercedes-Benz. Doch im Unterschied zum kleinen SL aus Stuttgart ist das Dach des Lancias ein festes Element und lässt sich nicht öffnen. (Foto: Christian Rath)

Damit war das kleine Fulvia Coupé seinerzeit der heimliche König der Autobahn. 1970 gewann Harry Källström mit der Lancia Fulvia die RAC Rallye in Großbritannien. Zwei Jahre später siegten Sandro Munari und sein Beifahrer Mario Mannucci mit dem Lancia Fulvia 1.6 Coupé HF überlegen bei der Rallye Monte Carlo. Die Fachwelt staunte, wie die beiden Italiener mit dem Lancia die stärkeren Porsche 911 abhängten. Ende 1972 sicherte sich Lancia mit der Fulvia die „International Championship for Manufacturers“, die der ein Jahr später eingeführten Rallye-Weltmeisterschaft vorausging.

Warum gab es 2003 kein neues Lancia Fulvia Coupé in der Serie?

Beim Übergang ins neue Jahrtausend waren Retroautos in der Autobranche gerade schwer in Mode. BMW stellte den neuen Mini auf die Räder. Volkswagen präsentierte den New Beetle, der offensichtlich den Käfer zitierte. In den USA ritt der Plymouth Prowler schon ab 1997 auf der Retrowelle. Chrysler antwortete mit dem PT Cruiser, den es schließlich sogar in Europa gab. Es ist interessant, dass die Designer ausgerechnet zu Beginn eines neuen Jahrtausend ihre Inspiration oft in der Vergangenheit suchten. Kein Zweifel, die Neuauflage des Lancia Fulvia Coupés hätte gut in die Zeit gepasst.

Allerdings verfügte der Prototyp über eine leichte Aluminiumkarosserie. Das war teuer. Auf dem Weg zur Serie wäre der Werkstoff Aluminium wohl dem günstigeren Stahl gewichen. Doch noch schwerer wog, dass das Einzelstück auf der Fiat Barchetta von 1995 basierte. Die Barchetta galt als hastig auf den Erfolg des Mazda MX-5 bereitgestellte Antwort von FIAT. Schließlich verdiente FIAT bis in die 1970er-Jahre gutes Geld mit dem Export seiner offenen Sportwagen nach Nordamerika. Die Bosse in Turin wollten mit der Barchetta an die eigene Tradition anknüpfen.

Heckansicht Lancia Fulvia Concept von 2003
Besonders von hinten sind die Bezüge an das klassische Fulvia Coupé unverkennbar. Trotzdem wirkt die Studie nicht altbacken. Im Gegenteil, denn sie gibt selbst nach fast zwei Jahrzehnten auch heute noch eine gute Figur ab. (Foto: Christian Rath)

Doch beim Debüt des Lancia Fulvia Concept war längst klar, dass das nicht wie geplant funktionierte. Die Marge des neuen kleinen FIAT Roadsters war einfach zu gering. Denn der Karosseriebau lag in den Händen des Karosseriebauers Maggiora, der das Blechkleid der Barchetta größtenteils in Handarbeit fertigte. Trotzdem (oder vielleicht deswegen) war Maggiora 2003 Konkurs. Anschließend baute FIAT die Barchetta im Werk Mirafiori selbst, was auch nicht günstiger war. 2005 lief der Roadster ohne Nachfolger aus. Wobei auch eine Rolle spielte, dass die Basis der Barchetta von der ersten Generation des FIAT Punto stammte.

Der FIAT Barchetta war die falsche Grundlage für ein Serienmodell!

Denn der erste Punto wich schon vor der Präsentation des Coupé Lancia Fulvia Concept einem deutlich moderneren Nachfolger. Damit war eigentlich schon 2003 auf der IAA klar, dass das attraktive Coupé keine echte Chance auf Realisierung hatte. Zumal FIAT in diesen Jahren schwer angeschlagen war. 2002 verlor das Unternehmen pro Quartal teilweise mehr als 400 Millionen Euro und kündigte deshalb einen radikalen Sparplan an. Dieser enthielt einen massiven Stellenabbau. Mit ihm gelang es schließlich die Verluste einzudämmen, doch erst 2005 schrieb FIAT wieder schwarte Zahlen.

Insofern ging es damals bei FIAT zunächst darum, das Unternehmen zu retten. Statt des Nischenmodells eines Lancia Coupés stellte FIAT 2007 als neuen Kleinwagen den FIAT 500 vor, was wirtschaftlich die richtige Entscheidung war. Trotzdem ist es schade, dass die Studie des Lancia Fulvia Coupé nicht zum Serienmodell reifen durfte. Aber FIAT fehlte 2003 einfach das Geld für ein Comeback seiner Marke Lancia. Und so musste FIAT die Tür, die die neue Fulvia öffnete, praktisch sofort wieder schließen. Weshalb die Marke Lancia bis heute weiter dahinvegetiert. Denn neben dem Kleinwagen Lancia Ypsilon, den FIAT zuletzt 2011 umfaßend überarbeitete, klebte der Name Lancia zeitweise auf Produkten von Chrysler.

Tiefpunkt war der von 2011 bis 2015 als „Lanica Voyager“ verkaufte Chrysler Voyager. Wer immer auf die Idee kam, einen US-Van unter den Namen Lancia verkaufen zu wollen, dürfte die Marke Lancia nicht einmal im Ansatz verstanden haben. Doch es gibt Hoffnung. Denn 2024 plant Stellantis, der Zusammenschluss aus FIAT und PSA eine Wiederauferstehung der Marke. Zunächst wird es einen neuen Ypsilon geben. 2026 sollen eine neue Aurelia und zwei Jahre später ein Delta Integrale folgen. Vergessen wir für einen Moment, dass diese Ankündigungen auch die Nachricht enthalten, die neuen Lancia elektrisch anzutreiben.


Infos zum Titelbild dieses Beitrags:
Von der Seite erinnert die Studie etwas an den SLK von Mercedes-Benz. Doch im Unterschied zum kleinen SL ist das Dach des Lancias ein festes Element. Es lässt sich nicht öffnen.

Foto: Christian Rath

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Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!

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