Rennsport-Geschichten

Rondeau M378 Cosworth Chassis 001 – der Dauerläufer aus Le Mans

Kein Auto legte in Le Mans mehr Kilometer als der erste Rondeau M378

Neulich kam bei unseren Benzingesprächen die Frage auf, welches Chassis am häufigsten an den 24 Stunden von Le Mans teilnahm. In unserer launigen Runde fielen schnell Namen wie Porsche oder Ferrari. Als wir dann an die Anfangstage des Rennens dachten, spekulierten wir über Nahmen wir Jaguar oder Bentley. Alles falsch, die richtige Antwort lautet Rondeau M378 Cosworth GTP Coupé. Denn der erste Rondeau, der auch diesen Namen trug, trat von 1978 bis 1988 satte zehn Mal beim großen Rennen in Frankreich an. Wobei der M378 im Laufe der Zeit zum Rondeau M379C mutierte.

Rondeau M378 alias M379 am Nürburgring
Rondeau M378 alias M379 bei einem Rennen der Interserie am Nürburgring. (Foto: Archiv Wiedl)

Jean Rondeau nahm 1972 erstmals am großen Rennen in seiner Heimatstadt teil. Das war ein guter Zeitpunkt, denn 1972 gilt heute als Zeitenwende im Langstreckensport. Seit Anfang des Jahres durften die Sportprototypen in der Sportwagen-WM ihre Kraft nur noch aus einem Hubraum von drei Litern schöpfen. Damit „verschwanden“ Boliden wie der Porsche 917, der Ferrari 512S oder der Lola T70. Sie rannten fortan nur noch in der CanAm-Serie in Nordamerika. Der Abschied veränderte die europäische Sportwagen-Szene. Denn neben Werkswagen von Ferrari, Alfa Romeo oder Porsche traten in Le Mans jetzt auch zahlreiche Teams Sportwagen der britischen Rennwagenbauer an.

Mittendrin der Nachwuchsfahrer Jean Rondeau, der nach Achtungserfolgen in der Formel Renault für Le Mans 1972 einen Sitz im Chevron B21 des Briten Brian Robinson fand. Beim Debüt fällt der Franzose nach 76 Runden aus. Zwei Jahre später kehrte Jean Rondeau im Cockpit eines Porsche 908 an die Sarthe zurück. 1975 gehörte der Franzose zum Semi-Werksteam von Mazda, das mit einem Wankel-Motor in Le Mans ausrückt. Etwa zeitgleich reifte in Rondeau die Idee zum Bau eines eigenen Rennwagens. Dessen Antrieb soll eine Rennversion des Euro-V6 übernehmen, um Sponsoren aus Frankreich zu gewinnen.

Vorspiel: Inaltera – in der GTP-Klasse mied Jean Rondeau den Zweikampf mit Porsche und Co.

Doch Rondeau erkannte schnell, dass der für Peugeot, Renault und Volvo entwickelte V6 nicht reicht, um sich im Vorderfeld zu platzieren. Bei seinem für die neue GTP-Klasse, die Le Mans-Veranstalter ACO zusammen mit der amerikanischen IMSA erfand, entschied sich Rondeau daher für die 415 PS starke Langstreckenversion des Cosworth DFV. Damit folgte der Franzose dem Zeitgeist. Denn auch im 1975 siegreichen Golf GR8 von John Wyer sorgte der Cosworth-Motor für Vortrieb. Mit de Entscheidung für die neue GTP-Klasse vermied Jean Rondeau die direkte Konfrontation mit den Werkswagen von Porsche oder Alpine-Renault, die in der FIA-Gruppe-6 antraten.

Inaltera LM in Le Mans bei einer Veranstaltung des historischen Motorsports
Auch der Inaltera LM stammt aus der Werkstatt von Jean Rondeau. Inzwischen sind die originalen Inaltera restauriert und gehören heute regelmäßig bei historischen Motorsport-Veranstaltungen in Frankreich regelmäßig zu den Highlights. (Foto: Tom Schwede)

Im Tapetenhersteller Inaltera fand Rondeau einen Geldgeber für das Abenteuer und begann mit dem Bau seines ersten Rennwagens. Die Regeln der GTP-Klasse verlangten einen geschlossenen Sportwagen. Zudem gab es eine Mindestgröße für die Frontscheibe. Weshalb das Greenhouse des Inaltera LM getauften Rennwagens im Vergleich zum restlichen Rennwagen recht groß ausfiel. Das ist übrigens ein Merkmal, dass der Inaltera LM getaufte Rondeau mit den GTP von Gerald Walter teilt. Beim Debüt 1976 gewann der Inaltera LM in Le Mans auf Anhieb die GTP-Klasse.

Ein Jahr später wiederholte das Team diesen Erfolg. Dabei verpassten die Piloten Jean Rondeau und Jean Ragnotti mit Platz vier nur knapp das Podium. Trotzdem zog sich Sponsor und Namensgeber Inaltera am Ende 1977 fast über Nacht zurück. Der Umsatz des Unternehmens wuchs in den zwei Jahren, die es als Sponsor in Le Mans aktiv war, um fast 40 Prozent. Damit hatte das Unternehmen seine Ziele erreicht und Jean Rondeau stand ohne Rennwagen dar. Denn die bisher entstandenen Rennwagen fielen dem ehemaligen Sponsor zu.

Der Tapetenhersteller überlässt die Rennwagen Motoren-Tuner Heini Mader, um damit offene Motoren-Rechnungen zu begleichen. Mader verkauft einen der Inaltera dem Team von André Chevalley Racing, das den Wagen noch einmal nach Le Mans zurückbringt. Einen weiteren der übernommenen Rennwagen verkauft Mader an einen Schweizer Autohausbesitzer. Der nutzt den Inaltera zeitweilig – mit BMW-Motor – im Alltag. Das kennen aufmerksame Leser unseres Blogs auch von Alltagsbegegnungen mit dem DOME RC82 oder dem Porsche 962.

Jean Rondeau gründet ein eigenes Team!

Jean Rondeau wagt nach dem Verlust seines Sponsors einen Neustart. Dafür stellt der Rennfahrer und Konstrukteur einen neuen Rennwagen auf die Räder. Wobei dieser eine Weiterentwicklung des erfolgreichen Inaltera LM dar. Denn die Grundlage des neuen Rennwagens sind die Pläne des Alten. Rondeau paßt das Design nur geringfügig an. Denn zunächst geht es darum, das eigene Auto auf die Rennstrecke zu bringen. Und das erfordert vor allem Geld. SKF, schon bei Inaltera als Co-Sponsor aktiv, bleibt an Bord und ermöglicht damit den Einsatz des neuen Rennwagens in Le Mans.

Heckflügel des Rondeau M378 Cosworth Chassis 001
Heckflügel des Rondeau M378 Cosworth Chassis 001

Eine wichtige Rolle bei der Etablierung des neuen Teams spielt die PR-Agentin Marjorie Brosse. Um ihren Einsatz zu würdigen, Brosse kämpft unermüdlich um Sponsoren für das neue Team, tauft Rondeau den neuen Rennwagen M378 – das „M“ steht dabei für Marjorie. Das erinnert an das Team von Peter Sauber, dessen Typenbezeichnungen mit einem „C“, um Saubers Ehefrau Christiane zu würdigen. Wie sein „Vorgänger“ basiert auch der M378 auf einem Gitterrohrrahmen. Im Motorenraum vertraut Rondeau auf eine Boxbauweise aus Alublechen.

Über dem Rahmen liegt eine GFK-Karosserie. Ihre aerodynamische Gestaltung stellt die größte Weiterentwicklung dar. Besonders deutlich sind die Unterschiede am Heck. Denn der Inaltera hatte dort „nur“ zwei Finnen. Beim M378 gibt es zwei kleine Flügel. Bereits beim Debüt 1978 gewann der Rondeau M378 die GTP-Klasse und fährt – nebenbei – auf Platz neun im Gesamtklassement. Dank des Erfolgs gewinnt Teamchef und Namensgeber Jean Rondeau renommierte Geldgeber. Schon 1979 tritt Rondeau mit drei Fahrzeugen in Le Mans an. Dabei kommt auch der Rennwagen des Vorjahrs wieder zum Einsatz.

Der M378 heißt jetzt M379 … der Cosworth bleibt an Bord

Weil Konstrukteur Rondeau das Chassis 001 auf den Stand der später gebauten Fahrzeuge bringt, steht der Rennwagen diesmal als Rondeau M379 in den Starterlisten. Anders als seine Brüder, die Rondeau in der großen Sportwagenklasse meldet, tritt „001“ wieder in der GTP-Klasse an. Jean Rondeau teilt sich den Boliden mit Jacky Haran, der bereits im Vorjahr zusammen mit dem Teamchef ins Lenkrad griff. Ein Unfall reißt „001“ diesmal aus dem Rennen. Trotzdem ist der Rennwagen auch 1980 wieder in Le Mans am Start. Beim dritten Start gelingt „001“ erneut der Klassensieg. Zudem fahren Gordon Spice sowie Philippe und Jean-Michel Martin als Dritte ins Ziel.

Rondeau M378 beziehungsweise M379 im Kleid von 1981
In diesem Kleid tritt der Rondeau 1981 ein … und wird Zweiter in Le Mans

Dank der belgischen Brüder ist Sponsor Belga an Bord, in dessen Kleid der Rondeau M378 heute wieder erstrahlt. Doch trotz des Podiums der „001“ bleibt das Rennen natürlich vor allem in Erinnerung, weil Teamchef Jean Rondeau zusammen mit Jean-Pierre Jaussaud im Chassis „003“ das Rennen gewinnt. 1981 übertrumpft „001“ den eigenen Erfolg des Vorjahrs. Dabei teilen sich Jacky Haran, Jean-Louis Schlesser und Philippe Streiff den Rennwagen. Sie gewinnen erneut die GTP-Klasse und kommen als Zweite des Gesamtklassements ins Ziel.

Zu diesem Zeitpunkt hat Chassis „001“ bereits 1.170 Runden oder fast 16.000 Kilometer in Le Mans im Renntempo absolviert. Doch statt in Rente zu gehen, spult der Rennwagen in den nächsten Jahren weitere Runden in Le Mans ab. 1982 gehen in Le Mans gleich sechs Rondeau ins Rennen. Im ersten Jahr der Gruppe C, die geschlossene Rennwagen vorschreibt, startet der Rondeau M379 „001“ als Gruppe C-Prototyp. Der Klassiker schlägt sich erstaunlich gut. Denn nach 24 Stunden kommt der Rondeau M378 als M379 auf Platz zehn ins Ziel. Diesmal spulte der Rennwagen (weitere) 306 Runden ab.

„001“ rennt (immer) weiter …

Ein Jahr später beendet „001“ das Rennen nach „nur“ 136 Runden vorzeitig. Im Cockpit sitzt mit Vic Elford eine echte Motorsport-Legende. Der Brite beendet nach dem Rennen seine aktive Karriere. Und auch Jean Rondeau zieht sich – zumindest als Teamchef – nach dem Rennen aus dem Motorsport zurück. Von den sieben Rennwagen von Rondeau, die das Rennen aufnehmen, sieht nur einer die Zielflagge. Trotz der zahlreichen Kunden kann Rondeau den Rennbetrieb nicht mehr finanzieren und löst sein Team auf. Den Rennwagen mit der Chassis-Nummer „001“ erwirbt Jean-Philippe Grand.

In den Händen von Grand und seinen Teamkollegen Jean-Paul Libert und Pascal Witmeur kommt der „Oldtimer“ 1984 in Le Mans als Elfter ins Ziel und spult 310 Runden ab. Diesmal geht der Rondeau M378 aka M379 in der Gruppe C2 an den Start. In der Klasse der „kleinen“ Gruppe-C-Prototypen kommt der Rennwagen als Zweiter ins Ziel. Jean-Philippe Grand reicht den Rondeau M378 beziehungsweise M379 an Noël del Bello weiter. Der Franzose tritt mit dem M378 des Typs M379 in den Jahren 1985 und 1986 in Le Mans an. Beim ersten Versuch beendet ein Schaden an der Aufhängung die Fahrt.

Heck des Rondeau M378 GTP Coupé
Heck des Rondeau M378 GTP Coupé

Ein Jahr später gelingt del Bello die Zielankunft. Fahrzeugeigner del Bello verkauft den Rennwagen an Pierre-Alain Lombardi weiter. Der Schweizer tritt 1988 nochmals mit dem inzwischen zehn Jahre alten Rennwagen in Le Mans an. Zusammen mit Bruno Sotty fügt Lombardi der langen Le Mans Geschichte des Rondeau Chassis-Nummer „001“ nochmals 271 weitere Runden hinzu. Obwohl das Team bis zum Ende des Rennens auf der Strecke unterwegs ist, nimmt Le Mans Veranstalter ACO den Rennwagen aus der Wertung. Der Rückstand auf den siegreichen Jaguar ist zu groß, zur Spitze fehlen statte 123 Runden.

Nach dem Rennen erwirbt ein amerikanischer Sammler den ersten Rondeau. Der neue Eigentümer setzt das Fahrzeug optisch in das Jahr 1980 zurück und tritt damit viele Jahre im historischen Motorsport an. 2012 versteigert Monaco RM den Rennwagen. Vor der Auktion schätzen Fachleute den Wert des Rennwagens auf 600.000 bis 750.00 Euro. Das ist trotz der einzigartigen Geschichte des Rennwagens zu optimistisch. Denn der Rondeau M378 des Typs M379 wechselt schließlich für 358.400 Euro inklusive der Auktionsgebühren den Besitzer.

Alle Le Mans Einsätze des Rondeau M378 Cosworth Chassis 001 im Überblick:

JahrFahrerKlasseRundenDistanzErgebnis

1978

Jean Rondeau, Jacky Haran und Bernard DarnicheGTP

294

4010 km

Platz 9 / Klassensieg GTP

1979

Jean Rondeau und Jacky HaranGTP

207

2821 km

Unfall

1980

Gordon Spice, Philippe und Jean-Michel MartinGTP

329

4483 km

Platz 3 / Klassensieg GTP

1981

Jacky Haran, Jean-Louis Schlesser und Philippe StreiffGTP

340

4633 km

Platz 2 / Klassensieg GTP

1982

Pierre Yver, Bruno Sotty und Lucien GuittenyC

306

4170 km

Platz 10

1983

Vic Elford, Joël Gouhier und Anne-Charlotte VerneyC

136

1853 km

Motorschaden

1984

Jean-Philippe Grand, Jean-Paul Libert und Pascal WitmeurC2

310

4224 km

Platz 11 / 2. C2

1985

Noël del Bello, Michel Dubois und Hubert StriebigC2

65

886 km

Schaden an der Aufhängung

1986

Noël del Bello, Lucien Rossiaud und Bruno SottyC2

278

3761 km

Platz 17

1987

nicht am Start    

1988

Pierre-Alain Lombardi und Bruno SottyC2

271

3668 km

nicht klassifiziert

Insgesamt dreht das Rondeau M378 Cosworth GTP Coupé in Le Mans 2.536 Runden im Renntempo. Dabei legt der Rennwagen mit dem Chassis „001“ mehr als 34.500 Kilometer zurück.

Für Vortrieb sorgte dabei der Cosworth-V8 DFV. Kenner wissen, dass die ab 1981/82 offiziell von Cosworth angebotenen Langstrecken-Varianten DFL mit 3.955 ccm (Bohrung x Hub: 90,0 mm x 77,7 mm) oder 3.298 ccm (Bohrung x Hub: 90,0 mm x 64,8 mm) unter starken Vibrationen litten. Doch Rondeau vertraut auf eine 415 PS (bei 9.000 1/min) starke Langstreckenversion von Heini Mader Racing Components S.A. Der Schweizer Tuners Heini Marder fand offensichtlich einen Weg, den F1-Motor auch auf der Langstrecke einzusetzen.  Denn bei zehn Starts in Le Mans fiel der erste Rondeau mit seinem Marder-Motors nur einmal mit Motorschaden aus.


Infos zum Titelbild dieses Beitrags:
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Foto: Tom Schwede

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Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!