Auto-Erinnerungen

Carspotting: VW Golf CitySTROMer auf dem roten Teppich

Im Laufe der Zeit habe ich bei meinen Moderationen auf Auto-Treffen über das Meiste dessen, was die Autoindustrie ersann, gesprochen. Trotzdem gibt es Überraschungen. Beim „Youngtimer Vestival“ in Herten hatte ich kürzlich mit einem Golf CitySTROMer erstmals ein Elektroauto auf dem roten Teppich – bei einem Oldtimer-Treffen wohlgemerkt.

Insofern macht der elektrische Golf deutlich, dass das Elektroauto nicht neu ist. Schon in den Anfangstagen des Automobils gab es elektrisch angetriebene Fahrzeuge. Gustave Trouvé fuhr 1881 mit seinem Elektrodreirad Trouvé Tricycle durch Paris. Als Camille Jenatzy 1899 mit dem Auto die Marke von 100 Kilometern pro Stunde knackte, fuhr der Belgier elektrisch. Ein Jahr später verewigte sich Ferdinand Porsche mit seinem Lohner-Porsche als Konstrukteur eines Hybrid-Fahrzeugs.

Der Elektromotor hilft als Starter dem Verbrennungsmotor zum Durchbruch

Doch spätestens mit der Erfindung des Elektrostarters begann der Siegeszug des Verbrennungsmotors. Klingt nach Ironie, dass ausgerechnet ein Elektromotor den Durchbruch des Elektroantriebs verhinderte. Es blieben Spezialanwendungen wie Gabelstapler oder die britischen Milk floats. Dazu feierte der Elektroantrieb in unregelmäßigen Intervallen ein Comeback als Zukunftsmodell.

Ende der 1960er-Jahre tauchten auf Messen oder in Auto-Zeitschriften jede Menge elektrische Kleinwagen auf. Bei der Olympiade 1972 zeigte BMW einen elektrischen BMW 2002, der als Schrittmacher die Spitze des olympischen Marathonlaufs begleitete. Anschließend rollte dieser Elektro-BMW direkt ins Museum. In den 1990er-Jahren elektrifizierten Hersteller wie Citroen oder Volkswagen ihre Brot-und-Butter-Autos.

In der Regel fielen diese Aktivitäten in Phasen hoher Ölpreise. Das ist aktuell nicht der Fall, weshalb sich die aktuelle Welle von den vorherigen unterscheidet. Doch ob es diesmal zum Durchbruch reicht, wage ich weiter zu bezweifeln. Denn was nützen Elektroautos ohne die notwendige Ladeinfrastruktur. Der Flop E-Auto-Prämie zeigt, dass die Nachfrage nicht da ist!

1989 stellt Volkswagen den VW Golf CitySTROMer vor

Doch bleiben mal beim meinem Treffen mit dem Golf CitySTROMer. Volkswagen stellte seit Mitte der 1970er-Jahre regelmäßig elektrifizierte Versuchsträger auf die Räder. Mehr als zehn Jahre testeten die Entwickler unterschiedliche Batterie- und Motortypen. Erst 1989 stellte Volkswagen den Golf CitySTOMer offiziell vor. Die Basis des Fahrzeugs war ein Golf der zweiten Generation. Den Antrieb übernimmt ein 18,5 kW starker Gleichstrommotor, der mit einer Betriebsspannung von 96 Volt läuft.

Antriebstechnik im Golf CityStromer
Antriebstechnik im Golf CityStromer (Foto: VW)

Den für den Vortrieb notwenigen Strom speichern 16 unter dem Kofferraumboden verstaute Blei-Gel-Batterien mit einer Kapazität von 120 Amperestunden. Auch vor drei Jahrzehnten setzte Volkswagen auf Standardisierung. Die Entwickler konstruierten eine Batterieaufnahme, die sich mit unterschiedlicher Technik füllen lässt. Der Verkaufsprospekt betonte, dass das Auto damit offen für technischen Fortschritt sei.

1989 sorgen die Blei-Gel-Batterien für eine Reichweite von rund 50 Kilometern. Der Golf CitySTROMer beschleunigt in 13 Sekunden auf 50 Kilometer pro Stunde. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei Tempo 100. Aufgeladen lässt sich der Golf CitySTROMer an einer normalen 220-Volt-Steckdose. Am „Kühlergrill“ befindet sich eine Klappe, hinter der sich ein herausziehbares Stromkabel verbirgt.

Diesel für die Heizung

Interessant ist, wie Volkswagen die Nebenaggregate antreibt. Den Bremskraftverstärker versorgt eine kleine elektrische Unterdruckpumpe. An Bord ist eine mit Dieselkraftstoff betriebene Heizung. Sie sorgt im Winter für angenehme Temperaturen im Innenraum. Viele Kunden findet der Golf CitySTROMer nicht. Das gehörte wohl nicht zum Konzept. Denn Volkswagen bot den Golf CitySTROMer ausschließlich regionalen Energieversorger den Golf CitySTROMer an.

Ein Verkauf an Privatleute findet offiziell nicht statt. Das ändert sich auch nicht, als VW beim CitySTROMer den Modellwechsel zur dritten Golf-Generation vollzieht. Dadurch bleiben die Stückzahlen übersichtlich. Von beiden CitySTROMer Modellen entstehen bis 1996 deutlich weniger als 200 Exemplare. Trotzdem gibt es heute Fans, die den E-Golf-Oldtimer bewahren. Beim Youngtimer Vestival hatten wir vor einer Woche sogar zwei Exemplare zu Gast.

Als ich ein Foto des Elektro-Golf bei Instagram poste, meldet sich ein weiterer Besitzer eines Golf CitySTROMer bei mir. Offenbar sind die Besitzer eines Golf CitySTROMer gut vernetzt.

AutoNatives.de ist auch bei Facebook. Wir freuen uns über ein Like.







Themen in diesem Artikel:

Als Kind der 1970er-Jahre hatte Tom das große Vergnügen, in einem ausgesprochen automobilen Umfeld aufzuwachsen. Das war der optimale Nährboden, um heute über Autos zu schreiben und regelmäßig am Mikrofon über Autos zu sprechen. Denn Tom Schwede moderiert seit 2010 bei großen Oldtimer- und Klassik-Veranstaltungen in Deutschland. So ist Tom unter anderem bei den Classic Days (früher Schloß Dyck, heute in Düsseldorf) oder dem 1.000 Kilometer-Rennen am Nürburgring zu hören. Wenn Sie also einen Moderator oder Streckensprecher für Ihre Oldtimer-Rallye oder Ihr Oldtimer-Treffen suchen, dann sind Sie bei Tom definitiv richtig!